Bin ich beziehungsfähig?

Der PaarberaterEs ist mittlerweile achtzehn Jahre her, als eine nahe Verwandte über mich urteilte: „Du bist nicht beziehungsfähig. Und ob du liebesfähig bist, daran zweifle ich ehrlich gesagt auch!“ Gerade frisch geschieden, war das starker Tobak in meinen Ohren, und der deprimierende Befund trieb lange Zeit sein Unwesen mit meinem Ego. Dass ich nicht liebesfähig bin, daran wollte ich nicht glauben. Hingegen bestärkte mich die Frau in meiner Selbsteinschätzung, für eine Liebesbeziehung nicht geschaffen zu sein. Das war der Beginn einer neun Jahre dauernden Phase als überzeugter Single.

Gelegentlich Sex und Gespräche über die Liebe waren eine Sache. Etwas anderes war es hingegen, wenn eine Frau ihre persönliche Zahnbürste bei mir deponieren wollte. „Nein“, wehrte ich ab, „ich möchte lieber alleine frühstücken.“ Sie können sich vorstellen, liebe Leserinnen und Leser, dass sich Frauen diese kompromisslose Abfuhr in der Regel nicht gerne gefallen liessen. In den Jahren des Rückzugs war der oft bockig vorgetragene Satz „Nein, das mag ich nicht!“ einer meiner stursten Weggefährten. Obwohl nicht erwartet, lernte ich dabei auch, was es heisst, auf eigenen Füssen zu stehen und erwachsen zu werden. Und dieser Prozess lief nicht schmerzfrei ab.

Meine Therapeutin diagnostizierte damals bei mir eine „depressive Neigung“. Mit diesem Krankheitsbild wollte ich mich nicht abfinden, lernte ich in jenen Jahren doch auch meine ernsthafte und stille Seite kennen. So begann ich in den ungezählten Stunden des Alleinseins so etwas wie Wertschätzung und Liebe für mich und mein So-Sein zu entwickeln. Und ich erkannte nüchtern, dass ich auch ein langweiliger und manchmal „einfach gestrickter“ Zeitgenosse sein konnte. Allein, mich mit diesen vermeintlich unattraktiven Seiten in eine Liebesbeziehung zu wagen, erschien mir lange Zeit als zu bedrohlich. Regelmässig versuchte mich eine ängstlich-mahnende innere Stimme vor Nähe zu anderen Menschen zu schützen: „Wenn die Leute merken, wie du wirklich bist, werden sie sich von dir abwenden!“

Worauf will ich hinaus? In der langen Single-Zeit habe ich zwar einiges über mich und meine Ängste gelernt. Aber erst als mir eine Geliebte das Zitat „Am Du wirst du zum Ich“ schenkte, ist mir ein entscheidendes Licht aufgegangen. Die Disziplin „Beziehungsfähigkeit“ kann nur innerhalb einer Beziehung gelernt und geübt werden. Ähnlich der Tatsache, dass sich ins Wasser begeben muss, wer schwimmen lernen will. Und das meine ich durchaus zweideutig. Ich bin daran zu lernen, in nahen Beziehungen immer wieder auch zu „schwimmen“ bzw. meine Ängste und mein Nichtwissen offen zuzulassen.

Übrigens: Das oben erwähnte Zitat stammt von Martin Buber, und die damalige Geliebte ist heute meine Frau.


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