Berlin: „…können wir einer Verlängerung des Mietverhältnisses nicht zustimmen.“

Berlin: „…können wir einer Verlängerung des Mietverhältnisses nicht zustimmen.“

Aus einer falschen Zeit am falschen Ort: Kirche von Unten (KvU) seit 1987 in Mitte

Der Kannibalismus der Gentrification ist ein beliebtes Sujet des Feuilletons. Wann immer Clubs, Szenekneipen und sonstige Einrichtungen der Subkultur schließen müssen, weil neue Eigentümer mit anderen Nutzungen mehr Geld verdienen können und wollen, wird der Mythos des Pionier-Dilemmas genährt: Die Pioniere, die die Aufwertung mit ihren symbolisch kulturellen Überschüssen erst in Gang gesetzt haben, werden nun selbst von der Verdrängung erfasst. Die jüngsten Schließungen des Icon und des Klubs der Republik schafften es immerhin bis in die Morgenpost und die Westdeutsche Zeitung. Für den Klub der Republik gibt es sogar eine Mahnwache. Soviel Empathie und Engagement fehlt meist, wenn es um den ganz alltäglichen Verdrängungsalltag in den Aufwertungsgebieten geht. Ohne Pionier-Dilemma keine öffentliche Aufregung.

In Prenzlauer Berg und Mitte zumindest trifft es jedoch immer öfter auch Einrichtungen, die  nicht so recht in das Format von Gentrification-Pionieren passen. Zum Jahreswechsel 2011 musste nach fast 60 Jahren mit dem Knaack-Klub eine Ostberliner Instanz der Jugendkultur schließen, weil neuzugezogene Wohnungseigentümer in ihren umgewandelten Fabriklofts den Lärm der Konzerte und Veranstaltungen nicht länger ertragen wollten. Der Auszug des Knaack-Clubs lohnt sich nicht nur für die lärmempfindlichen Loftbewohner/innen sondern auch für die österreichische Immobilienfirma IMMOWERT Berlin Greifswalder Str. 224 GmbH

Ein ähnliches Schicksal droht nun der Kirche von Unten (KvU) – ein seit Ende der 1980er Jahre selbstverwalteter Ort der Subkultur und wichtige Anlaufstelle der Punkkultur in Ostberlin. Der bis zum Jahresende 2012 gültige Mietvertrag soll nicht verlängert werden, weil der neue Eigentümer „umfangreiche Sanierungsarbeiten“ in dem mittlerweile als Arkonahöfe gebrandeten Areal plant. Die Proberäume und der Konzertsaal im Keller sollen wohl einer Tiefgarage weichen und eine Nutzungsänderung der bisherigen Vereinsräume ist auch vorgesehen. Neuer Eigentümer ist: Immowert Arkonahöfe Berlin GmbH.

Immobilienverwertung mag keine laute Musik

Die Wiener Immobilienbranche scheint ein spezielles Fable für Orte mit lauter Musik in Ostberlin zu haben. Mit der Greifwalderstraße 224 (Knaack-Club) und den sogenannten Arkonahöfen (KvU) hat die Immowert aus Wien gleich zwei Standorte in ihren Portfolio, die lange Zeit für die Ostberliner Jugend- und Subkultur eine wichtige Bedeutung hatten. Doch der symbolische Wert dieser Geschichte scheint für die Verwertung der Grundstücke von eher geringer Bedeutung zu sein.

Der Rubel soll schließlich rollen und dazu muss es erst einmal gelingen, die bisherigen Nutzer/innen vor die Tür zu setzen. In einem Schreiben der Hausverwaltung heißt es:

„…da uns die genauen Maßnahmen der bevorstehenden Sanierung des o.g. Objektes noch nicht vorliegen, unser Eigentümer eine Nutzungsänderung in Wohnungen angefragt hat, können wir derzeit einer Verlängerung des Mietverhältnisses über den 31.12.2012 nicht zustimmen.

In ihrem Blog dokumentiert die KvU den Briefwechsel mit den Eigentümern und der Hausverwaltung. Aus dem Texten geht hervor, dass auch hier die in Wien ansässige ImmowertImmobiliengruppe das Gelände erworben und zum Zwecke der Entwicklung des Grundstücks eine Immowert Arkonahöfe Berlin GmbH gegründet hat.

Die Darstellung des Berliner Engagements der Firma lässt wenig Raum für die Hoffnung auf einen Weiterbetsand der KvU in der Kremmener Straße:

Ziel ist es, in Berlin in den kommenden Monaten und Jahren einige weitere Tausend m² an Anlageimmobilien zu kaufen und dadurch das Deutschland-Portfolio erheblich zu vergrößern. Erweitert wurde die Geschäftstätigkeit um das Geschäftsfeld Projektentwicklung und den verstärkten Abverkauf von Wohnungseigentum. Des weiteren erfolgte der Einstieg in den gehobenen Neubausektor.

Projektentwicklung, Abverkauf von Eigentumswohnungen und gehobener Neubausektor – die Kirche von Unten (KvU) scheint in keines der Geschäftsfelder wirklich zu passen. Da haben wir ihn mal wieder: den Gebrauchswert-Tauschwert-Widerspruch der kapitalistischen Urbanisierung.

Allen, die mehr über die Geschichte und die aktuelle Situation der KvU erfahren wollen, sei ein Blick auf die Webseite der KvU und ein P-Radio-Interview ans Herz gelegt.



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