Bekehrungsversuche an der Türschwelle: Die charmanten Tricks der Mormonen

Unerwarteter Besuch

Ich stecke mitten in den Vorbereitungen für das Abendessen. Schnippele Gemüse klein, überlege mir ein schnuckeliges Saucenrezept, da klopft es zaghaft an der Haustür. Ich linse schräg von der Seite durchs Küchenfenster und erblicke zwei gutgelaunte Burschen in unserem Vorgarten.

“Ah, die Nachbarn stellen sich endlich mal vor”, denke ich und öffne neugierig die Tür.

Da stehen zwei adrette junge Männer Anfang zwanzig vor mir, die in ihren schwarzen Mänteln und Stoffhosen so brav herausgeputzt aussehen, dass man meinen könnte, sie seien aus einem Eliteinternat entflohen. Der eine, der etwas größer, schmallippiger und dunkelhaariger daherkommt, sieht aus wie ein typischer Brite. Der andere ist etwas kleiner, trägt eine graumelierte Baskenmütze, unter der ein rundliches Gesicht mit blauen Kulleraugen hervorlugt. Doch statt sich erstmal höflich und gesittet vorzustellen, werde ich gleich mit einer technischen Frage bombardiert.

“Was ist denn das?”, fragt der Größere der beiden und zeigt ungehalten auf ein kleines elektronisches Gerät, das wackelfest am Türrahmen klemmt.

Ich sehe das seltsame Ding jetzt auch zum ersten Mal und antworte irritiert:
“Keine Ahnung. Irgendwas halt.Vielleicht Internet oder so“, stammele ich in meinem Schulenglisch daher.

Leichte Panik steigt in mir auf. Mein Engländer ist nicht zu Hause und ich habe hier irgendwelche Inspektoren vor der Tür.

“Das sieht interessant aus”, belagert der neugierige Typ mich weiter. Mir fällt auf, dass die beiden aus dem Grinsen gar nicht mehr herauskommen, ja, sie scheinen wirklich besonders glücklich zu sein. Eine Weile geht es so hin und her, Spekulationen werden in den Orbit geschickt und ich wundere mich über eine allmähliche Begegnung der unheimlichen Art.

Da sich immer noch keiner der beiden vorstellt, wage ich einen Vorsprung, erzähle, dass ich aus Deutschland bin, erst kürzlich hierher gezogen sei und so weiter. Plötzlich treten die beiden Frohgemüter noch näher heran, wobei Kullerauge nun schon lässig im Türrahmen lehnt.
“Braucht ihr vielleicht Hilfe beim Renovieren? Wir könnten helfen. Wirklich. Jederzeit. Könnten sofort anfangen.”

Jetzt wird es mir wirklich zu bunt. Keine Ahnung, wer die Typen sind. Vielleicht ein raffiniertes Gangsterduo oder welche von der Tierschutzdrückerkolonne oder vielleicht doch Beauftragte der öffentlichen Gaswerke?

Im Auftrag der Wahrheit

“Wer seid ihr denn eigentlich?”, raffe ich mich endlich auf.

Mir scheint, als würde das charmante Lächeln in den honigsüßen Gesichtern kurz gefrieren.

“Wir sind die, die die Wahrheit kennen”, padautzt der Dunkelhaarige mit überzeugter Miene heraus.

Alles um mich herum dreht sich plötzlich wie wild im Kreis. Ich sehe Blitze und Ausrufezeichen, Heiligenscheine und Menschen mit Kerzenleuchtern in bodenlangen Nachthemden. Jetzt fällt es mir wie Schuppen von den Augen. Ich bin in höchster Alarmbereitschaft, kurz sprachlos. Die Wahrheit, ja klar. Verdammter Mist, die sind von ‘ner Sekte!

Ich lächle verunsichert, überlege, wie ich aus der Nummer unbeschadet herauskomme. Ich meine, das ist echt mal fies, denn die beiden sind tatsächlich und zugegebenermaßen supersympathisch. Doch alles sträubt sich in mir.

Da stellt der Redselige der beiden nun auch noch die alles entscheidende Frage: “Glaubst du an Gott?”

Na darauf habe ich noch gewartet.

“Nee Jungs, echt nicht. Ihr seid wirklich nette Burschen, aber das ist nicht meine Welt. Seid mir nicht böse. Vielleicht habt ihr bei jemand anderem mehr Erfolg.”

“Und glaubt jemand in deiner Familie an Gott? Irgendwelche Gläubigen?”

“Niemand. Mit Sicherheit.”

Nun denke ich, blauäugig wie ich bin natürlich, die Sache hat sich erledigt, aber weit gefehlt, denn jetzt geht es erst richtig los.

“Du kommst aus Deutschland?”

“Ja.”

“Oh Rob hier (ich nenne Kullerauge jetzt mal so, weil ich seinen Namen leider Gottes vergessen habe, oder weil er tatsächlich Rob hieß) kommt aus Georgia, aber er hat Familie in Deutschland.”

Mit einem deutschen “Guten Tag” meldet sich jetzt auch der Beschriebene zu Wort:
“Ja, meine Familie stammt aus Deutschland. Sag mal, wie heißt dieses Gericht, das ihr da so gerne esst. Ein Stück Fleisch mit Pommes?”

“Schnitzel?”

“Ja, Schnitzel, Schnitzel. Ich liebe Schnitzel!”, juchzt der Kleine und fällt dabei fast über die Türschwelle ins Haus.

“Sagen dir die Mormonen was?”, lenkt der Dunkelhaarige, nennen wir ihn einfach mal Brian, ein.

Mir fällt ein Stein vom Herzen, denn ich habe mal gehört, dass die Mormonen zwar auch fleißig missionieren, aber längst nicht so traumatisch sind wie die berüchtigten Zeugen Jehovas.

“Klar kenne ich. Die haben doch dieses riesige Ahnenforschungsarchiv. Da habe ich auch schon mal mit gearbeitet”, versuche ich das Ganze mal auf eine etwas weltlichere Schiene zu bringen.

Jetzt wird die Unterhaltung richtig lebhaft und ich muss schon sagen, dass ich mir vorstellen kann, dass ein paar einsame Damen die beiden gut gekämmten Traumschwiegersöhne gern auf ihrer Wohnzimmercouch zum Tee beherbergen würden.

Die Schnitzelmasche

Als hätte Brian meine Gedanken gelesen, maunzt er fröstelnd:
“Der Job ist nicht einfach und gerade ist es auch so bitterkalt. Stundenlang müssen wir in den Vorgärten stehen bei dieser Kälte.”

Moment mal, das klingt jetzt aber ganz schön blasphemisch, immerhin sind die beiden ja im Auftrag der Wahrheit unterwegs. Netter Versuch Brian, aber nicht mit mir. Ich bin weder einsam, noch habe ich ein Sofa, also hilft am Ende vielleicht doch mal eine geeignetere Wintergarnitur als diese hauchdünnen Stoffanzüge, die ihr da tragt.

Brian merkt, dass er auf Granit beißt, und startet einen erneuten Anlauf. Er zieht ein dickes, dunkles Buch aus seiner Manteltasche und hält es mir direkt vor die Nase:
“Okay magst du vielleicht das Buch der Mormonen wenigstens mal lesen.”

Ich erinnere mich an meinen unvollendeten Sci-Fi-Roman, einen angefangenen Comic und ein E-Book zum Thema manipulative Psychologie und bezweifle, dass sich die Schwarte da so gut in meine Heimbibliothek einpassen lässt.
“Nimms mir nicht übel, aber nein, wirklich nicht”, weise ich den Ärmsten mit zuckersüßem Lächeln ab.

“Ich kann es dir ja trotzdem hier lassen.”

Ja genau, und später wieder abholen.

“Nee, lass mal. Ich werde es wirklich nicht lesen”, bleibe ich hartnäckig.

“Okay, sie ist Deutsche. Wir haben wohl keine Chance”, gibt er schließlich beleidigt auf.

Doch Rob hat noch einen Trumpf im Ärmel:
“Ich habe solchen Appetit auf Schnitzel. Meinst du, wir können mal zusammen Schnitzel machen? Und du zeigst uns, wie das geht?”, fragt er mich kumpelhaft und mit einem fröhlichen Augenaufschlag, der wirklich kaum zu überbieten ist.

Doch auch hier muss ich hart bleiben:
“Ich bin keine Köchin, fürchte ich. Aber Schnitzel kriegt ihr auch hier im Aldi. Ist sogar aus Deutschland.”

Wumms! Der Pfeil sitzt tief.

Wie die Mormonen nach England kamen

Doch Brian und Rob lassen sich nicht beirren. Schließlich sind sie zwei ganze Jahre unterwegs, um ihre Missionarszeit im Auftrag der “Kirche Jesu Christi der Heiligen Letzten Tage”, so der offizielle Name der Mormonen, zu bestehen. Zu Fuß oder per Rad ziehen sie bei Wind und Wetter von Tür zu Tür, sprechen Passanten auf der Straße an, geben alles, um ihrer Überzeugung willen. So wie mehrere Zehntausende junge Männer und Frauen weltweit. Allein in Großbritannien sind mehr als 190 000 Mitglieder der Mormonen-Gemeinschaft verzeichnet. 1830 von Joseph Smith, einem Bauernsohn aus Vermont, in Amerika gegründet, hatten bereits sieben Jahre später die ersten Missionierungen in England begonnen und der erste Tempel (so nennen die Mormonen ihre Kirche) wurde in Preston gegründet.

Joseph_Smith,_Jr._portrait_owned_by_Joseph_Smith_IIIJoseph Smith (1805-1844). Begründer und Prophet der Mormonen. Na ja und ein kleiner Filou eben auch.

Witzigerweise wurden die keusch lebenden Jungmissionare 2014 von den eigenen Kirchenobersten ganz schön in die Pfanne gehauen, als diese nämlich offiziell zugaben, dass der Gründer der Gemeinde, besagter Joseph Smith, es selbst nicht so genau nahm und einen starken Hang zur Polygamie hatte, ja vermutlich sogar 40 Frauen ehelichte. Ich finde, das ist mal ein schlagfertiges, ziemlich aufrichtiges Bekenntnis.

Ohne ihr Lächeln zu verlieren, ziehen die beiden Vorgarten-Missionare schließlich durchgefroren von dannen. Als ich die Tür hinter mir schließe, kann ich ein wages Gefühl des Bedauerns nicht vermeiden und ich hoffe, die beiden sind tatsächlich glücklich bei dem, was sie tun. Immerhin ist es ein ziemlich entbehrungsreiches Leben für zwei so junge Menschen. Es ist seltsam, weil ich so ganz und gar nicht an das glaube, woran die beiden sich so eifrig festhalten in ihrem Leben und dennoch haben sie mich irgendwie berührt mit ihrer aufgeweckten, positiven Art und dem charmanten Versuch, mich für etwas zu gewinnen, das für sie enorm wichtig sein muss. Ich mag irgendwie so gar nicht darüber nachdenken, dass die gewinnende Herzlichkeit der beiden nur eine ausgeklügelte Strategie sein könnte, um Schäfchen zu verführen. Also lasse ich es einfach bleiben.



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