Archiv der Sentimentalitäten

Am Anfang war es ja noch einfach zu entscheiden, was man als Erinnerung für spätere nostalgische Momente aufbewahrt: Der erste Strampler, die erste abgeschnittene Locke, der erste Versuch des Kindes, mit Stift und Papier umzugehen, vielleicht auch noch die erste Eintrittskarte für den Zirkus. Bei den Fotos wurde es dann schon etwas schwieriger. Welche kommen aufs Papier, welche werden für immer digital bleiben – im vollen Bewusstsein, dass in fünfzig Jahren wohl keiner mehr wissen wird, wie man sie aus diesen altmodischen Computern herausbringt? Ein schwerer Entscheid und vermutlich werden die Kinder später genau die Bilder vermissen, die wir als nicht ausdruckenswert angesehen hatten. Auch bei den Zeichnungen fällt es nicht leicht zu trennen zwischen wertlosem Gekritzel und potentiellem Beweismaterial mit dem man der Welt zeigen kann, dass sich da schon ganz früh eine künstlerische Ader zeigte. Welches Bild gehört an den Kühlschrank gehängt und welches darf man getrost der Altpapiersammlung übergeben?

Mit all diesen Fragen hatten wir ja gerechnet, als wir Eltern wurden. Immerhin waren wir genau im richtigen Alter, um unsere eigenen Eltern zu fragen, weshalb sie denn unseren ersten Strampler nicht aufbewahrt hatten, warum sie die Negative mit den Ferienbildern von 1989 weggeschmissen hatten und ob es denn fair sei, dass vom grossen Bruder noch ein Fütterungsplan da sei, während man für sich selbst keinen einzigen Beleg hatte, dass die Eltern in den erstn Lebensmonaten für ausreichend Nahrung gesorgt hatten. Mal abgesehen von diesem peinlichen Bild mit dem schreienden, pausbackigen Baby.

Nun aber zurück zu meinem eigentlichen Problem: Welche von den Kindern gespeicherten Computerdateien archiviert man? Klar, die irrwitzigen Kurzgeschichten, die sie in die Tasten hauen, behält man. Mir treten ja heutzutage selbst die Tränen der Rührung in die Augen, wenn ich in den „Lenzurger Schulnachrichten“ von 1987 meinen ersten veröffentlichten Text lese und erkenne, dass ich damals schon gebloggt habe. Die Texte der Kinder also bleiben. Bei Karlssons Kompositionen bin ich mir da schon nicht mehr so sicher. Nun ja, er hat sich wirklich grosse Mühe gegeben, aber am Ende sind es doch mehr oder weniger zufällig aneinander gereihte Noten. Wobei, die Namen seiner Werke sind echt kreativ, also bleiben sie vielleicht doch. Bei seiner ersten Power Point Präsentation bin ich nun aber wirklich unsicher. Wenn das erste Kind in der fünften Klasse bereits seine erste Präsentation macht, wie viele Präsentationen werden es dann sein, bis das Prinzchen aus der Schule kommt? So viel Speicherplatz haben wir nie und nimmer. Und wie um Himmels Willen sollen wir noch den Überblick behalten, wo unser Computer bereits jetzt alles Berufliche, Private, Ehrenamtliche und Kreative von „Meinem“ und mir im Kopf behalten muss?

Der Entscheid fällt mir zwar schwer, aber ich glaube, die Präsentationen können wir nicht auch noch archivieren. Wobei, Karlsson hat sich ja wirklich grosse Mühe gegeben…

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