Alles aus einer Hand - oder doch selbst organisiert? Wie soll man bauen?

Gerade in letzter Zeit tauchte diese Frage bei meinen Bauprojekten ziemlich oft auf. Bei privaten Bauherren, die kleinere Arbeiten oder Renovierungen erledigen möchten und wo das Budget knapp bemessen ist, ortet man Einparungspotential, wenn man alle Arbeiten direkt selbst vergibt, mit den einzelnen Firmen selbst verhandelt und sich selbst um Preise, Materialkosten und Termine kümmert.
Alles aus einer Hand - oder doch selbst organisiert? Wie soll man bauen?
Wenn ich einzelne Firmen direkt beauftrage, so habe ich auch die volle Kontrolle, wer auf meiner Baustelle tätig ist und kann den Preis verhandeln. Theoretisch. Denn ich kenne im Normalfall vor Arbeitsbeginn maximal den Bauleiter oder die Ansprechperson, selten aber die Arbeiter selbst. Wie in jeder Branche können diese Meister ihres Fachs oder nur angelernte Hilfskräfte sein. Außerdem ist es zulässig, dass eine Firma Teile der Arbeiten an eine andere Subfirma vergibt, außer man schließt das im Vertrag ausdrücklich aus. Auch dann kann man nicht wirklich sicher sein, außer man überprüft jeden Arbeiter, der auf die Baustelle kommt. In der Praxis unmöglich. Trotzdem wird eine renommierte Firma mit einer ordentlichen Referenzliste sich natürlich bemühen, die Arbeiten sachgerecht auzuführen, wenn auch nicht zwingend persönlich. Diese Direktvergabe ist nur sinnvoll, wenn ich nur eine Arbeit von einem Handwerker benötige, der auch die Berechtigung hat, kleinere Nebenarbeiten selbst durchzuführen. Also beispielsweise, wenn man die Fliesen im Bad erneuern will. Dann beauftragt man einen kompetenten Fliesenleger zu einem Pauschalpreis und die Sache wird hoffentlich gut erledigt.
Alles aus einer Hand - oder doch selbst organisiert? Wie soll man bauen?
Nachteil bei Direktbeauftragung: erstens muss ich als Bauherr die einzelnen Gewerke miteinander koordinieren. Was schon bei einem einfachen Badezimmerumbau schwierig werden kann, ist bei einer komplexeren Baustelle für den Laien schlicht unmöglich, abgesehen davon, dass ein Baustellenkoordinator eine entsprechende Ausbildung vorweisen muss. Dann passiert es beispielsweise, dass der Maler sich weigert, auf den - wie er sagt - unsachgemäß gespachtelten Wänden zu arbeiten. Nun liegt es an mir, den Spachtler oder Trockenbauer herzubestellen, der wiederum klar beweist, dass seine Arbeiten allen Vorschriften genügen. Und dann wird es für den Bauherren wenig lustig, denn der Spachtler weigert sich, etwas auszubessern und der Maler verlangt einen Aufpreis, weil die Wände nicht seinen Vorgaben entsprechen und er nochmals spachteln muss. Wer hat Recht? Wer will nur Zusatzkosten lukrieren? Als Laie kann man das schlicht und einfach nicht entscheiden und solange man dem Maler nicht mehr Geld gibt, wird dieser mit der Arbeit nicht beginnen. Klar, was ich damit sagen will? Als Laie geht man unter, man kennt Normen und Vorschriften nicht so genau und manche Firmen legen es leider darauf an durch Nachträge Mehrkosten zu lukrieren.
Alles aus einer Hand - oder doch selbst organisiert? Wie soll man bauen?
Es geht auf Baustellen teilweise zu wie im Kindergarten und manchmal fühle ich mich als Architektin bei Baubesprechungen wie in der Irrenanstalt, wenn der Maler dem Elektriker vorwirft, alles ruiniert zu haben oder um verschwundenes Werkzeug gestritten wird, das irgendjemand irgendwo liegen gelassen hat. Ehrlich! Wie bei den Dreijährigen in der Sandkiste.
Alles aus einer Hand - oder doch selbst organisiert? Wie soll man bauen?
Aus meiner Praxis kann ich nur davor warnen, bei komplexeren Arbeiten, an denen mehr als ein Gewerk beteiligt ist, eine Einzelvergabe durchzuführen. Es funktioniert einfach nicht. Viel sinnvoller ist es, die Arbeit dem Hauptgewerk zu übergeben und diese Firma dafür verantwortlich zu machen alle Arbeiten entsprechend zu koordinieren.
Nehmen wir an, ich möchte einen Balkon sanieren. Die Betonplatte ist alt, aber tragfähig, allerdings hat sie Wasser- und Frostschäden. Das Geländer ist ok, bis auf ein paar Kleinigkeiten, muss aber neu gestrichen werden. Der Belag ist kaputt und muss ersetzt werden. Außerdem fehlt die Wassernase, damit das Wasser ordentlich abrinnen kann und die Anschlüsse ans Mauerwerk sind zu erneuern.
An diesen kleinen Arbeiten sind nun folgenden Gewerke beteiligt:
  • Der Baumeister zur Betonsanierung
  • Der Gewichtsschlosser, um das Geländer auszubessern
  • Der Spengler für die Wassernase und die Blechanschlüsse ans Haus
  • Der Maler für das Anstreichen des Geländers
  • Der Schwarzdecker, falls die Betonplatte abgedichtet werden soll
  • Der Fliesenleger, um den Bodenbelag zu verlegen
  • ...
Wenn man als Laie für diese Sanierung, die rund 2500 Euro kosten wird, die einzelnen Firmen koordinieren muss, terminlich und arbeitsmäßig, so kann man nur scheitern. Es wird nicht funktionieren und mit erheblichen Mehrkosten verbunden sein. Sinnvoller wäre es, ein Gewerk, in diesem Fall rate ich zum Baumeister, mit der Komplettsanierung zu beauftragen. Ein Ansprechpartner, eine Rechnung, wenn möglich ein Fixpreis, eine Ansprechperson im Falle der Gewährleistung.
Alles aus einer Hand - oder doch selbst organisiert? Wie soll man bauen?
Der Baumeister wiederum wird die Arbeiten, für die er keine Konzession hat, an Subunternehmen vergeben und diese koordinieren. Dafür ist er ausgebildet, das ist sein Job. Im Normalfall hat auch jede Baufirma eine Menge Firmen an der Hand, mit denen sie regelmäßig zusammenarbeitet und die ein eingespieltes Team bilden. Außerdem sind sämtliche Meinungsverschiedenheiten zwischen den einzelnen Subfirmen schlicht und einfach Aufgabe des Baumeisters und tangieren den Bauherren nicht. Selbst wenn eine Subfirma während des Auftrags in Konkurs geht, ist es nicht Aufgabe des Auftraggebers für Ersatz zu sorgen. Der Baumeister muss die vereinbarte Leistung im vereinbarten Zeitraum zum vereinbarten Preis erbringen, eine seriöse Baufirma wird das auch tun. Die Vergabe des Hauptauftrags sollte allerdings an eine seriöse Firma erfolgen, die entsprechende Referenzen vorweisen kann, einige Jahre Erfahrung hat und die wirtschaftlich gut dasteht. Billigstanbieter stellen hier oft eine gefährliche Gratwanderung dar, das sollte auch jedem klar sein.
Wie bei jedem Auftrag kann ich dem Baumeister auch bei einem Gesamtauftrag natürlich einzelne Punkte vorschreiben, beispielsweise welche Fliesen er verlegen soll oder welche Farbe das Geländer bekommt. Das ist jedem klar, aber ich kann dem Baumeister durchaus auch vorgeben, dass eine bestimmte Spenglerfirma die Spenglerarbeiten ausführen soll. Der Baumeister vergibt die Spenglerarbeiten dann an diese Firma, ich habe meine Wunschfirma auf der Baustelle und muss trotzdem die Zusammenarbeit nicht koordinieren.
Wovor ganz klar zu warnen ist: die Einzelabrechnung oder die Abrechnung nach tatsächlichem Aufwand. Im Bauwesen werden diese Rechnungen auch Regierechnungen genannt und manche nicht ganz seriöse Firmen versuchen die Bauherren damit zu ködern, "dass Sie nur bezahlen, was Sie wirklich bekommen". Finger weg davon, Bauleistungen sollten immer, wirklich immer als Pauschale vergeben werden. Pauschale bedeutet de facto "ein Stück fertige Arbeit", beispielsweise ein Stück fix und fertiger Fliesenboden im Vorzimmer inklusive sämtlicher Materialien und Arbeiten. Was dazu notwendig ist, hat die Firma vorher einzukalkulieren. Wenn während des Baus Probleme auftreten, und das ist immer der Fall, so muss die Firma das eben selbst managen und hat das im Normalfall auch einkalkuliert. Natürlich gibt es Dinge, die vorher definitiv nicht sichtbar und damit auch nicht kalkulierbar sind. Solche Kosten wird der Bauherr dann trotzdem zusätzlich tragen müssen, aber das kommt nicht allzu oft vor und muss von der Firma dann auch klar argumentiert werden. Bei Regievergaben sind horrende Rechnungen aber die Regel, also Finger weg davon.
Alles aus einer Hand - oder doch selbst organisiert? Wie soll man bauen?
Die Fotos, die ich euch hier zeige, sind Impressionen von meinen Baustellen, wenn es so richtig schlimm aussieht. Dann, wenn der Bauherr tränenüberströmt oder zumindest ziemlich verzweifelt neben mir steht (was wirklich vorkommt), weil zwar alles nach Plan läuft, er sich aber nicht vorstellen kann, dass aus diesem Chaos einmal eine fertige Wohnung oder ein neues Bad wird. Ich persönlich liebe diesen Zustand, den Geruch, den Staub, das Durcheinander, den Lärm, die Arbeit der Bauwerkzeuge und die Gewissheit, etwas richtig Tolles zu schaffen. Ich sehe das Fertige im Chaos und freue mich, dass die Arbeit gut voran geht. Nachsatz: wenn dann alles fertig ist, weinen meine Bauherren kaum, im Gegenteil und wenn dann nur Freudentränen.
Einen schönen Freitag, ich gehe jetzt auf die Baustelle. Grins!
Mit liebem Gruß
Marie
Natürlich nehme ich mit meinen Projekten auch immer an den vielen wunderbaren Linkpartys teil, die ich im Bloggerland so finde. Vielen Dank an die Veranstalter für die Mühe!
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