61. Von den Rändern

Die aktuelle September- und Dezember-Ausgabe, also die Nummer 2 und 3 der „Mütze“, sollte sich unbedingt aufsetzen, wer die neuesten Strömungs­linien sprach­reflexiver Dichtung kennen­lernen will. Hier finden sich zum Beispiel bewegende Gedichte aus dem Nachlass des Dichters und Übersetzers Wolfgang Schlenker, der sich vor Jahres­frist das Leben genommen hat. Es sind Gedichte, die das Melancholie-Motiv auf dem berühmten Stich Albrecht Dürers aufnehmen und es in ein Mosaik aus Verloren­heits-Bildern eintragen. „stichwort minimieren“ heißt da ein Text, der von der fort­schrei­tenden Schrumpfung des Lebens-Horizonts spricht und von dem paradoxen Daseinsgefühl des Ich, „ein eigen­ständiger und völlig korrekter teil / einer größeren entfernung zu sein“. Das schönste Ge­dicht aus dem „bruder morpheus“-Manu­skript Wolfgang Schlenkers ist die „freilaufende ge­schichte“, ein Text, der eine Meditation über Dürers Bild „Kleines Rasen­stück“ mit dem Bienen-Motiv der ameri­kani­schen Poetin Emily Dickinson zusammenführt. Nicht zufällig hat Schlenker viele Jahre seines Lebens darauf verwendet, eine ganz eigene Tonlage für seine Über­set­zungen der Gedichte Emily Dickinsons zu finden. Einige Meister­stücke lyri­scher Prosa liefert in der Nummer 3 der „Mütze“ die Dichterin Jayne-Ann Igel, die mit ihren poetisch sehr fein gewebten Traum­wande­rungen ein phanta­mago­risches Flimmern erzeugt. Es entsteht – wie in ihren früheren Gedichten – ein „gären von bildern in allen teilen des körpers“. Ein schwer zu ent­rät­selndes, gleich­wohl faszi­nie­rendes Stück herme­tische Poesie, in dem sich die Wörter zu ver­selbstän­digen scheinen, sind schließlich die „Quadrat­gedichte“ von Jean-René Lasalle, die in der „Mütze“ erst­mals einem deutschen Publi­kum prä­sentiert werden. Über­setzt hat diese „Quadrat­gedichte“ der wohl sprach­be­sess­enste Poet der Gegen­wart, der Öster­reicher Franz-Josef Czernin.

Die verläss­lichste Zeitschrift für die Erkundung neuer dichte­rischer Sprech­weisen ist aber seit über drei­einhalb Jahr­zehnten der „Park“, im Allein­gang heraus­gegeben von dem Lyriker und Über­setzer Michael Speier. In der jüngsten Ausgabe, der Nummer 65 des „Park“, hat Speier wieder zauber­hafte Gedichte von Kerstin Preiwuß und Christoph Meckel versammelt, neben Texten finni­scher Dichter. Das darf schon deshalb als editorische Großtat gerühmt werden, weil finnische Dichtung nach dem Tod von Paavo Haavikko von der Landkarte der modernen Poesie verschwunden scheint. Einen Auftritt im „Park“ wie auch in der „Mütze“ hat der Dichter Ron Winkler, der kurz vor seinem vierzigsten Lebensjahr neue Möglich­keiten des Sprechens für sich entdeckt hat, die ihn von den stark techni­zistischen Bewusst­seins­gedichten seiner frühen Jahre wegführen. / Michael Brauns Zeitschriftenschau, Poetenladen

  • Mütze 2 (2012) und 3 (2012)  externer Link
    Urs Engeler, Obere Steingrubenstr. 50, CH-4500 Solothurn. 52 Seiten, 6 Euro.
  • Park 65
    Michael Speier, Tile-Wardenberg-Str. 18, 10555 Berlin. 96 Seiten, 7 Euro.


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