61. Ilse Aichinger 90

Wir treten also an ihren Tisch, Hammerbacher macht uns bekannt, zeigt auf mich: Wir verlegen im Herbst sein Logbuch einer Reise ins Verschwinden. Sie schaut kurz auf, lächelt mich an und sagt: „Das Verschwinden, junger Mann, ist eigentlich mein Thema.“ So lernte ich Ilse Aichinger kennen, deren Bücher mich seit Jahrzehnten begleiten.

Ihren Roman Die größere Hoffnung zog ich aus der Schultasche, ihre Gedichte Verschenkter Rat reisten mit mir nach Paris, Unglaubwürdige Reisen dann im Schwarzwald,Kleist, Moos, Fasane, ich muss in meiner Wohnung nicht zweimal nachsehen, weiß genau, wo der Erzählband steht. Obwohl und vielleicht gerade weil wir so unterschiedliche literarische Ansätze verfolgen, geht mir ihr Werk nah – und wird mir Satz für Satz unerreichbarer. Selbstredend frage ich mich, wie sie das schafft, selbst in einer Glosse in der Plötzlichkeit eines Gedichts die Richtung zu wechseln, ganz da zu sein, indem sie sich entzieht. Und: Warum darf ihr das nur in Sätzen gelingen? Sie, die seit vielen Jahren verschwinden möchte, feiert bald ihren neunzigsten Geburtstag.

Immer noch wohnt sie im Hochhaus Herrengasse, rund um die Uhr von einer Pflegerin begleitet. Immer noch liebt sie Kaffeehäuser, lässt sich im Rollstuhl dorthin fahren. Immer noch lebt sie unangepasst. / Christoph W. Bauer / DER STANDARD 15.10.



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