Zynische Manipulation

Kinderrechte - LogoEine nicht unbe­deu­tende Rolle hat in der letzt­jäh­ri­gen Debatte des Deutschen Bundestages zu Knabenbeschneidungen eine im August 2012 ver­öf­fent­lichte Studie der American Acedemy of Pediatrics (AAP) gespielt.

Der US-amerikanische Kinderärzteverband hatte (für Beobachter der Beschneidungsentwicklung) über­ra­schend die Behauptung auf­ge­stellt, dass es zwar bei der Beschneidung neu­ge­bo­re­ner Knaben Risiken gäbe, ins­ge­samt jedoch die gesund­heit­li­chen Vorteile über­wö­gen.

Die AAP bezeich­nete Beschneidungen als medi­zi­nisch sinn­voll. Diese Aussage stellte ein vehe­men­tes Plädoyer für die Weiterführung von Beschneidungen dar, nach­dem zuneh­mend welt­weit medi­zi­ni­sche und psy­cho­lo­gi­sche Einwändungen erho­ben wor­den war. Da die AAP eine der ein­fluss­reichs­ten Fachgesellschaften für Kinderheilkunde ist, wurde ihre Stellungnahme als beson­ders gewich­tig ange­se­hen.

Jetzt hat sich, wie die ZEIT am Montag die­ser Woche gemel­det hat, her­aus­ge­stellt, dass der AAP bereits Anfang September 2012 eine Studie von 38 renom­mier­ten Sexualmedizinern aus 17 Nationen vor­ge­le­gen hat, in der die AAP-Behauptungen wis­sen­schaft­lich kri­ti­siert und wider­legt wor­den sind. Die AAP hat diese Gegenstudie aller­dings sei­ner­zeit unter­drückt und erst jetzt in der ver­band­sei­ge­nen Zeitschrift ver­öf­fent­licht.

In die­ser Gegenstudie, die feh­der­füh­rend vom Sexualmediziner Morten Frisch vom Statens Serum Institut in Kopenhagen ver­ant­wor­tet wird, wer­den die Behauptungen der AAP wider­legt. Zeit-online zitiert Volker von Löwenig (Sprecher der Ethikkommission Deutschen Akademie Kinder- und Jugendmedizin) mit der Bemerkung: „Die AAP zitiert selek­tiv Publikationen, die sich für eine ‘pro­phy­lak­ti­sche’ Beschneidung aus­spre­chen und unter­drückt andere, die dage­gen spre­chen.“

In einer Stellungnahme eben­falls vom Montag weist der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte e.V. (BVKJ) auf die umstrit­tene Studie und die Gegenstudie hin mit dem Hinweis, dass „die euro­päi­schen Pädiater [fest­ge­stellt hät­ten], dass die pro­phy­lak­ti­sche Beschneidung kei­nen über­zeu­gen­den gesund­heit­li­chen Nutzen hat. Sie könne jedoch lang­fris­tige Nachteile haben, beson­ders im uro­lo­gi­schen, psy­cho­lo­gi­schen und sexu­el­len Bereich.“

Der BVKJ bezeich­net die Beschneidung als eine Verletzung der Kinderrechts-Charta der Vereinten Nationen. „Sie wider­spre­che“, so heißt es in der Erklärung wei­ter, „dem ärzt­li­chen Grundprinzip: nil nocere, dem Patienten kei­nen Schaden zuzu­fü­gen. Ärzte und Ärz­te­or­ga­ni­sa­tio­nen soll­ten daher die Eltern von ihrem Vorhaben abbrin­gen, ihre gesun­den Knaben beschnei­den zu las­sen.“

Hintergrund ist der AAP-Studie ist offen­bar, wie sich jetzt zu bestä­ti­gen scheint und schon im Herbst 2012 schon als Vermutung geäu­ßert wurde, dass sich AAP in einem Interessenkonflikt befun­den hat, da die in die­sem Verband ver­tre­te­nen Kinderärzte pro Jahr in den USA etwa 1 Million Jungen beschnei­den, was ihnen jähr­lich einen Umsatz von meh­re­ren Millionen US-Dollar beschert.

In Deutschland war im Herbst 2012 die Studie der AAP auch von Beschneidungsgegnern kri­ti­siert wor­den. Auf sei­ner Website hatte sei­ner­zeit der Arbeitskreis Kinderrechte der Giordano-Bruno-Stiftung (gbs) bezüg­lich der Studie auf mög­li­che öko­no­mi­sche Aspekte als Hintergrund des Studienergebnisses hin­ge­wie­sen und schwer­wie­gende wis­sen­schaft­li­che Mängel moniert.

In der Begründung des Referentenentwurfs des Bundesministeriums der Justiz zum Entwurf eines Beschneidungsgesetzes (wel­ches dann am 12.12.2012 vom Bundestag mehr­heit­lich beschlos­sen wor­den ist) wird auf Seite 7 auf diese US-amerikanische Studie Bezug genom­men und diese gewis­ser­ma­ßen als Beleg dafür gewer­tet, dass die gesund­heit­li­chen Vorteile beschnit­te­ner Neugeborener schwe­rer wögen als die Risiken.

Auf die­sen Gesichtspunkt haben sich die Befürworter einer Beschneidungslegalisierung im Bundestag gestützt, da sie – bei aller Dürftigkeit ihres Vorbringens – stets den Eindruck erwe­cken woll­ten, sie wür­den die Belange der Knaben berück­sich­ti­gen und an deren Wohl inter­es­siert sein.

Fakt ist jeden­falls, dass AAP mit wis­sen­schaft­lich unzu­tref­fen­den Aussagen ope­riert und ihr vor­lie­gen­des Material welt­weit renom­mier­ter Fachleute unter­drückt hat.

Damit ist die Debatte in Deutschland mas­siv ein­sei­tig beein­flusst wor­den.

Öko­no­mi­sche Interessen von Kinderärzten in den USA und eine Ideologie, die vom männ­li­chen Kind die Opferung sei­ner Penisvorhaut ver­langt, haben eine unse­lige Allianz gebil­det – zu Lasten der Knaben und zu Lasten von deren Menschenrechten.

Die Beschneidungsbefürworter im deut­schen Bundestag müs­sen sich – ein wei­te­res Mal – vor­hal­ten las­sen, dass sie sich nicht sorg­fäl­tig genug mit der Thematik beschäf­tigt haben.  Sie woll­ten das Thema schlicht­weg – koste es, was es wolle – vom Tisch haben. Auf der Strecke geblie­ben sind dabei, wie bereits im Herbst 2012 deut­lich gewor­den ist, die Belange der betrof­fe­nen Knaben.

Die Bundestagsabgeordneten sind zudem von fal­schen Voraussetzungen aus­ge­gan­gen. Leider steht nicht zu erwar­ten, dass dies jetzt für sie Anlass ist, die Beschneidungslegalisierung wie­der rück­gän­gig zu machen.

Walter Otte

[Erstveröffentlichung: hpd]


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