Sie sind absolut angesagt, erklären Sacheverhalte in Büchern, Zeitungen und Zeitschriften und tauchen immer öfter auch in Galerien auf: Illustrationen verlassen ihr klassisches Terrain.
Natürlich sind Illustrationen vor allem dadurch gekennzeichnet, dass sie auftragsbezogen, also diszipliniert und rechtzeitig zur meist knappen Deadline angefertigt werden und sich ganz klar an ein Thema halten müssen. Alles Kriterien, die in der Bildenden Kunst eher unbekannt sind. Trotzdem: Illustratoren liefern hochwertige bildnerische Qualität und fast jeder Illustrator hat seinen unverkennbaren Stil.
Ein Blick in die aktuelle Ausgabe von "Freistil - das Buch der Illustratoren", sozusagen dem Who ist Who der Illustratoren-Szene im deutschsprachigen Raum, zeigt: betrachtet der Leser ausschließlich die Arbeiten ohne das Briefing eines Auftraggebers, ginge ein Großteil der Arbeiten mühelos als zeitgenössische Kunst durch.
"Wenn jemand gute Illustrationen macht, gibt es ziemlich sicher irgendwann jemanden, der sie in eine Galerie hängt", sagt denn auch Raban Ruddigkeit, Kunsthandwerker und Herausgeber von "Freistil".
Auch Michael Luz arbeitet immer öfter genreübergreifend, betritt hier und da die Stuttgarter Kunstszene. Luz schaffte es dieses Jahr erneut in den "Freistil", wo er sich seit der ersten Ausgabe ein Plätzchen in der Illu-Elite sichert. "Wir erhalten jedes Jahr unzählige Bewerbungen, doch es schaffen wirklich nur die Besten in die jeweils aktuelle Ausgabe", sagt Raban Ruddigkeit. "Für uns zählen vor allem gute Ideen und die gute Umsetzung."
"Die Grenzen verschwimmen" konstatierte der Spiegel zu einem Interview mit dem Berliner Illustrator und Maler Olaf Hajek bereits 2007, doch während Designer oder Illustratoren in den USA ganz klar als Künstler gelten, werden die Grenzen hierzulande nur zögerlich durchlässiger. Und das liegt nicht an den Illustratoren. Im Gegenteil. Die meisten Illustratoren bewegen sich längst geschmeidig zwischen den Genres, beschäftigen sich neben auftragsbezogenen Illustrationen auch mit Typographie, Radierungen, Zeichnungen, Malereien oder anderen Kunstformen. Doch der Kunstmarkt reagiert zumindest in Schwaben noch recht verhalten auf die Multitalente.
Olaf Hajek indes wandelt sich gerade ganz offiziell vom Illustrator zum freien Künstler: In seinem Atelier entsteht großformatige Malerei auf denselben harten Kartons, die er auch für seine Illustrationen verwendet. Die Portraits von fiktiven Königsfiguren, die Beschäftigung mit großen, essenziellen Themen wie Identität, Macht und Verlust, waren im November in der Berliner Galerie "Ajlart" zu sehen. "Ein Befreiungsschlag", nannte Hajek seine Einzelausstellung mit dem Titel "The King Has Lost His Crown", die zahlreiche Kunstinteressierte in die Galerie lockte.
"Die Malerei ist für mich ein intuitiver und emotionaler Akt. Bei der Illustration ist das anders, hier bearbeite ich ganz klar ein Thema. Ich kann zwar stilistisch variieren oder auch abstrakt arbeiten, solange ich am Thema bleibe. Das ist das Entscheidende in der Illustration: es muss erkennbar sein, was es ist und um was es geht. Die freie Malerei erlaubt mir das Rätselhafte und eine völlig neue Interpretationsebene", bringt Hajek die Sache auf den Punkt.
"Gsichtet-Künstler" Axel Standke - ebenfalls Illustrator und Maler - sieht es ähnlich: "Ich betrachte Illustration als einen Teilbereich innerhalb der Kunst. Kennzeichnend für die Illustration ist für mich, dass sie meist eine Erkennbarkeit aufweist, also gegenständlich und nicht abstrakt dargestellt ist. Illustration will hauptsächlich mitteilen, hinweisen, erklären, etwas zeigen.
Oft werden Illustrationen mit Merkmalen wie informativ, didaktisch, kommerziell, kommunikativ, sachlich, dem momentanen Zeitgeist angepasst, in Zusammenhang gebracht. Das heißt, sie sollen zweckgebunden sein und eine bestimmte Aufgabe erfüllen oder zu einer Lösung beitragen und weniger für sich selbst stehen.
Kunst hingegen darf frei von alledem sein. Sie steht für sich und über allem, zeitlos und immerwährend und wirkt hauptsächlich über emotionale Ebenen. Aber könnte das nicht auch für gute Illustrationen zutreffen? Ebenso, wie auch die vorher genannten Attribute zur Illustration auch Kunstwerken zuzuschreiben wären.
Die Grenzen sind zu fließend, als dass ich eindeutige Trennungslinien zwischen Kunst und Illustration festlegen kann. Illustration kann große Kunst sein. - Kunst kann sehr illustrativ sein. Kunst und Illustration sind nur Worte, die das Wesen der Begrifflichkeiten nicht klar und allgemeingültig darstellen können, da der Umgang und die Anwendung mit ihnen für jeden Einzelnen ganz persönlich und subjektiv erfolgt."
Wir sind jedenfalls jetzt schon gespannt, wo wir im nächsten Jahr auf kunstvolle Illustrationen und neue Kunstformen treffen!
Bis dahin alles Gute.
Unser Bild zeigt übrigens die "Illustration 02" von Axel Standke