Pinch & Shackleton. Das ist der Album-Titel der beiden Ausnahme-Künstler, die es nicht für nötig halten, sich für ihr erstes gemeinsames Projekt einen neuen Projektnamen zuzulegen. Zu recht.
Seit Mitte der 2000er-Jahre schlug ihr Sound immer wieder neue musikalische (Bassmusic-) Kreuzungen ein, die ohne die Hauptverkehrsader Dubstep nie möglich gewesen wären. Das auf dem Londoner Traditionslabel (1974 gegründet!) Honest Jons veröffentlichte Album erscheint plötzlich, ohne PR, ohne unmittelbare Ankündigung. Das ist vor allem im Internet-Zeitalter ungewöhnlich. Und zeigt, wie unexklusiv Musik mittlerweile geworden ist.
Das Understatement der beiden Produzenten spiegelt sich auch musikalisch wieder. Shackleton und Pinch bewahren ihre jeweiligen musikalischen Persönlichkeiten. Pinch´s Soundtrack-hafte Atmosphären und Shackletons außerweltliche Percussion-Orgien werden hier zu einem imposanten Gesamtkunstwerk amalgamiert, dass man sich fast dafür schämen muss, sich es auf (minderwertigen) Kopfhörern anzuhören. Statt etwa auf einer riesigen High-Tech-Anlage in einem optimierten Club oder, ach was, statt auf einem vollgepolsterten Sessel, der in der Mitte eines Raums zwischen einer überdimensionierten Surround-Anlage samt perfekt ausgesteuerten Subwoofern frei schwebend durch die Luft wabert.
Der tribalistische, stark an westafrikanischer Trommelmusik orientierte Einfluss Shackletons erzeugt zwar dort, wo er sich zeigt, immer noch immense Trance-Qualitäten, die vor allem für den Club geeignet sind. Aber durch die atemberaubende Klangvielfalt und Sampleverspieltheit, seien es die dicht gelayerten Klang-Texturen, rückwärts spielende Schalmeien oder sich selbst verfolgende Vocal-Samples, ist einem vielleicht doch eher zum bewegungslosen Hören zumute.
Avantgardistischer Musik kann man immer vorwerfen, sie würde sich in der Zukunft verstecken, indem sie die Gegenwart ignoriert. Aber was, wenn Musik einen von der Gegenwart in die Zukunft transportiert?
Der Track Burning Blood schafft es, eine Stimmung zu erzeugen, von der man nie gedacht hätte, dass es so was gibt. Vielleicht steckte sie aber auch schon immer in einem und hat nur darauf gewartet, endlich angetriggert zu werden. Auffällig sind außerdem die vermeintlich menschlich erzeugten Schlagzeug-Klänge wie die subtil eingeworfenen Crash-Becken oder offenen Hi-Hats, so als sei es möglich, diese Musik mit Instrumenten nachzuspielen. Dann wären da noch die intelligent eingesetzten Chorgesänge, die, kurz bevor man denkt, man sei „erlöst“, bereits wieder von einem apokalyptischen Grollen verdrängt werden. In einer bedrohenden, aber nie unangenehmen Atmosphäre blitzt das Schöne immer nur kurz auf. Interessant ist auch, dass die Tracks nur selten quantisiert, also in ein Taktmuster gepresst wurden. Dadurch ist diese Musik, trotz aller Fremdheit, unserer entropischen Umwelt stets näher als viele andere Beats aus dem Dubstep-Bereich.
Epische Musik wird ja gerne mit Filmen assoziiert. Und ja, Pinch & Shackleton wäre der perfekte Soundtrack für eine moderne Version von 2001 – Oddysee im Weltraum. Aber dann würden all die diffusen Bilder, Assoziationen und unartikulierten vermutlich untergehen. Musik kann also immer noch das auszudrücken, wozu Worte, geschweige denn Bilder, nicht in der Lage sind.
Text: Phire
Pinch + Shackleton : Burning Blood [Clip] : Out now on Honest Jons by DJ PINCH