sum ting new – part 2

alles ist so verschwommen

Gerade inmitten einer Umgebung, in der Menschen gezwungen sind, auf engem Raum in extrem funktionalen Gebäuden zu wohnen, so als ob die Außenerscheinung eines Viertels keinen Einfluss auf die Persönlichkeit der dort lebenden Menschen hätte…

Bei den hügeligen, endlosen Straßen fühlte ich mich an die ausgedehnten Suburbs von Los Angeles erinnert. Die nur mit dem dunklen, gelben Licht beleuchteten Straßenzüge sind  von unzähligen  Hochhäusern und Council Houses flankiert. Die kantigen Funktional-Gebäude wollen einen ständig daran erinnern, dass die krassen sozialen Gegensätze, nicht nur in London, sondern im gesamten England, vor allem politische Produkte mangelhafter Sozialpolitik sind.

London ist halt auch eine Stadt, in der Zahnarztpraxen wie Edelboutiquen zwischen Bankgebäuden und Gourmet-Restaurants eingeschlossen sind und deren Öffnungszeiten als business-Zeiten deklariert sind.

sum ting new – part 2

Hackney, Nähe London Fields

Mein auch aufgrund dieses Wissens entstandenes Unbehagen schien dabei jedoch nicht unpassend. Gerade angesichts meines Projekts über ein Musik-Genre, das stark von der Erzeugung eines kollektiven Dread-Gefühls im Club geprägt ist. Jeder, der schon mal eine richtige, ich meine MASSIVE (Oldschool-) Dubstep Night besucht hat, kennt dieses Gefühl. Eine Mischung aus ständiger Anspannung und gleichzeitiger Erwartung, die sich nochmals mit der Erwartungs-Erwartung multipliziert, wenn ein nicht enden wollendes Intro plötzlich in einem radikalen Bass-Drop mündet, der die Eingeweide vibrieren lässt wie die Waschmaschine den kalten Steinboden meines Warehouses. Oder die schon erwähnte U-Bahn den darüber liegenden Straßenzug.

Vielleicht sind aber gerade  die farblosen Straßenzüge ein Grund dafür, dass gerade in London so viel neue interessante Musik entsteht, die nicht selten auf kleinstem Raum mithilfe von einem Minimum an Equipment und illegal erworbener Software produziert wird.

Unterwegs in London habe ich immer wieder absurde Begegnungen mit Objekten, die auf die Perfektion hinweisen, welche die Stadt London als Hauptstadt des Übergangs von der Disziplinar- zur Kontrollgesellschaft auszeichnen. Wer dachte, dass nach der Post-Thatcher-Ära durch die Installation Hunderttausender CCTV-Kameras bereits für genügend “Sicherheit” gesorgt ist, der irrt sich. Denn für den Alltag auf der Straße gibt es jetzt auch Schilder. Das nenne ich eine sinnvolle Technik zur Sozialkontrolle.

 

sum ting new – part 2

bleibt unkommentiert

Als ich ankomme, sitzt Cotti auf dem Bürostuhl in seinem Apartement und raucht, während sein Homie spliffend Playstation zockt. Call of Duty. Ein Hafen der Gemütlichkeit in einer harschen Umgebung. Habe ich das gerade gedacht oder gesagt? Die nächsten zwei Stunden spreche ich mit Cotti über Dubstep, die Szene, Musik und die vermeintliche Rolle, die eine Stadt wie London auf die Entstehung solcher Musik hat. Ein inspiriertes Gespräch und ein angenehmer Gesprächspartner, stets nach Antworten suchend, immer interessiert.

Zum Schluss versuche ich endlich mal das Eis zu brechen. Ich finde die ständige Rolle des fragenden Journalisten (Soziologen), der allein aufgrund dessen immer in eine Hülle aus Distanz gepackt ist,  extrem anstrengend. Ich beginne mit tiefgründigem Small-Talk. „Die Cookie-Kultur ist unglaublich hier, werfe ich ein“. „Ja, stimmt“, der beinahe zum Interieur gehörende Kumpel. Seitdem ich da bin, hat er bestimmt  Tausende von Nazis gekillt. Sollte ich mich deshalb eigentlich unwohl fühlen, so als Gast aus Deutschland?

„Ja stimmt. Es gibt so eine riesige Auswahl im Supermarkt, man findet sich gar nicht mehr zurecht, innit?“  Innit ist Englisch. Für Faule. Kurz für: isn´t it. Ähnlich wie: dunno. Heißt: don´t know. Die einzigen Slang-Wörter, die ich ab jetzt auch verwenden werde. Ich möchte Teil einer Jugendbewegung sein. Aber nein, das geht nicht, ich bin Journalist, Ethnologe, trying to capture perspectives of others, nicht aber meine. Gut, dass ich wenigstens einen Blog habe.

Das Interview mit Cotti wird hier in Kürze, oder auch im Kulturteil des SPIEGEL, erscheinen.

Text/Bilder: Phire

Ein guter, künstlerischer Eindruck von East London gibts hier, ein Video des (Dubstep-Garage-Bass-) Duos Dusk & Blackdown

 

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