Zwischen Achtsamkeit und Fatalismus: schwanger nach Fehlgeburt und Kinderwunschzeit (Blogparade #andersschwanger)

Bevor wir unser erstes Kind, den Großen, bekamen, hatten wir schon eine Fehlgeburt und eine danach folgende jahrelange Kinderwunschzeit hinter uns. Über meine Fehlgeburt, unter der ich unheimlich gelitten habe, habe ich hier sehr emotional geschrieben, über die Kinderwunschzeit noch gar nicht ausführlich. Beide Faktoren und diese schwierige Vorgeschichte haben natürlich die Schwangerschaft mit meinem Großen geprägt. Inwiefern, das möchte Mama on the Rocks in ihrer neuen Blogparade #andersschwanger wissen.
Da meine erste Schwangerschaft in einer Fehlgeburt endete, nachdem ich gerade mal eine Woche davon wusste, und sich danach keine weitere Schwangerschaft einstellen wollte, war das Vertrauen in meinen Körper sehr gestört und die Zuversicht sank mit jedem Monat bzw. Jahr, was erfolglos verging. Außerdem gab es kein schon vorhandenes Kind, was uns abgelenkt hätte, sondern wir waren nur mit dem Schmerz, der Ohnmacht, der Wut und Trauer beschäftigt. Wenn gleich die erste Schwangerschaft mit einem Verlust endet, ist das ein einschneidendes Erlebnis, das ich kaum verarbeiten konnte. Ich kenne also nicht das Gefühl einer völlig unbelasteten, sorgenfreien Schwangerschaft, da besonders meine zweite, aber auch die dritte Schwangerschaft mit der Kleinen von der Angst vor einer erneuten Fehlgeburt oder anderem körperlichen "Versagen" geprägt waren.
Weder für die Fehlgeburt noch für die danach folgende ungewollte Kinderlosigkeit gab es irgendwelche medizinischen Gründe. Klar, mal war ein Wert hier zu niedrig oder ein Wert da zu hoch, aber es gab keinerlei Indikation dafür, dass ich nicht schwanger geblieben bin und danach nicht mehr schwanger wurde. Es war und blieb einfach unbegreiflich und unerklärlich. Als ich dann  endlich nach vielen Jahren und dem Einsatz aller möglichen medizinischen Mittel mit dem Großen schwanger war, konnte ich es einerseits kaum glauben und freute mich unbändig, erstarrte aber gleichzeitig auch und verbot mir selbst, mich zu sehr auf die Schwangerschaft einzulassen. Die ersten Wochen waren geprägt von täglicher, unterdrückter Angst, bei jedem Toilettengang zitterte ich und die Vorsorgetermine fanden für mein Empfinden viel zu selten statt. Als der Tag der Fehlgeburt (SSW 7+5) geschafft war, atmete ich auf. Allerdings hatte ich bis zur 12. Woche jeden Tag Angst vor einem erneuten Verlust und trotzdem musste das normale Leben genauso weitergehen wie bisher. Da ich kaum Übelkeit verspürte, dachte ich auch ab und zu, die Schwangerschaft sei nicht intakt. Das Vertrauen in den eigenen Körper war verständlicherweise völlig verloren gegangen. Es war eine merkwürdige Mischung aus Gefühlen und ich war gleichzeitig besonders achtsam (sicherlich achtsamer als viele andere Schwangere mit einer leichteren Vorgeschichte) und irgendwie schicksalsergeben, wusste ich doch, dass ich kaum Einfluss auf den Verlauf hatte. Als ich einmal leichte Schmierblutungen hatte, war ich so dermaßen gefasst, dass ich mich selbst kaum erkannte. Zum Glück war alles gut.
Nach den ersten 12 Wochen fühlte ich mich sehr viel sicherer, alle Untersuchungen waren super und mir ging es insgesamt gut. Als ich die ersten Babyklamotten kaufte und zuhause auf unserem Küchentisch ausbreitete, musste ich weinen. Das war sozusagen das ultimative "JA" zu dieser langersehnten Schwangerschaft. Ich kaufte mir auch ein Gerät (Angel Sounds Fetal Doppler*), mit dem man den Herzschlag des Babys hören konnte. Das hat mir in den Wochen, bis ich das Baby selbst spürte, sehr geholfen. Denn die Ultraschalltermine kamen mir lächerlich wenig und viel zu selten vor. Als bei der Feindiagnostik alles gesund und in bester Ordnung mit meinem Baby war, fiel mir ein großer Stein vom Herzen. Ansonsten haben wir keine einzige der zusätzlichen fakultativen Untersuchungen machen lassen, obwohl ich aufgrund meines Alters und der Vorgeschichte eine sogenannte Risikoschwangere war. Bis auf den Anflug einer Schwangerschaftsdiabetes gab es auch keinerlei Komplikationen
Ich war weiterhin sehr vorsichtig und hatte große Angst vor Erschütterungen. Die letzte Strecke bis zu unserem Garten ist beispielsweise sehr uneben. Die gesamte Schwangerschaft mit dem Großen hindurch stieg ich an der Hauptstraße aus unserem Auto aus und lief die ca. 10 Minuten zum Garten zu Fuß, bei jedem Besuch, abends genauso. Das machte ich in der Schwangerschaft mit der Kleinen 2 Jahre später dann nicht mehr. Ich setzte mich auf kein Fahrrad, nicht aus Angst vor Unfällen, sondern aus Angst vor Erschütterungen. Dies wiederum behielt ich auch in der Schwangerschaft mit der Kleinen bei. Es mag irrational erscheinen, aber für mich war es das, was ich zu einem glücklichen Verlauf beitragen konnte. Im Winter 2010/11, als ich schon hochschwanger mit dem Großen war, gab es außerdem eine Phase mit sehr viel Schnee und Eis. Mir war bange vor einem Sturz und ich lief extrem vorsichtig. Andererseits igelte ich mich nie zuhause ein und machte bis zur Geburt täglich lange Spaziergänge. Ich war auch weder krankgeschrieben noch im Beschäftigungsverbot, sondern arbeitete ganz normal bis zum Mutterschutz durch. Die gesamte Schwangerschaft mit dem Großen war geprägt von dem merkwürdigen Kontrast zwischen einem äußerlich normal weitergelebten Leben ohne größere Probleme, einer anfangs großen Angst und Unsicherheit, die mit fortschreitender Schwangerschaft immer kleiner wurde, einer ganz bewussten Achtsamkeit meinerseits, d.h. dem Bestreben, alles richtig zu machen und nichts zu riskieren, und gleichzeitig einem gewissen Fatalismus, d.h. dem Bewusstsein, dass es kommen würde, wie es kommen sollte. Ich glaube, diese Gefühls-Kombination kennen viele Frauen, die nach einer Fehlgeburt (endlich) wieder schwanger waren.
Die dritte, schnelle und überraschende Schwangerschaft mit der Kleinen dagegen war von wesentlich mehr körperlichen Beschwerden geprägt, von vielen Sorgen und Problemen rundherum und der Kraft, die uns, vor allem mich, der noch so kleine Große kostete, der auch mit 2 Jahren kaum in unserer Welt und seinem Leben angekommen war. Da war wieder die Angst vor einer erneuten Fehlgeburt vorhanden, zusammen mit einer Schicksalsergebenheit. Ich war nicht mehr so extrem vorsichtig, das klappte auch gar nicht mit dem 1,5-2jährigen Kind. Stattdessen war ich sehr oft genervt und auch sehr ängstlich, weil ich den schweren Großen immer noch ständig tragen musste, wo ich doch das schwere Tragen (von Bücherkisten) als einen möglichen Auslöser der Fehlgeburt ansah. Nicht nur musste ich ihn oft zur Kita und zurück tragen, weil er partout nicht laufen oder in den Buggy wollte, sondern auch nachts aus seinem Bett herausheben und schaukeln, wenn er wach wurde. Das hat regelmäßig Wut in mir ausgelöst, weil ich Angst um das Baby hatte. Gerettet hat mich in dieser Zeit, dass ich viel zuhause war, da ich nur einen Tag pro Woche arbeitete, und das hat mir gut getan, weil ich mich in dieser Zeit auf das Baby und die Schwangerschaft konzentrieren konnte. Auch in dieser Schwangerschaft habe ich den Angel Sounds Fetal Doppler* noch viel eingesetzt, obwohl ich mich durch die diesmal starke Übelkeit und die früheren Kindsbewegungen etwas sicherer fühlte. Ansonsten machten wir wie in der Schwangerschaft mit dem Großen keinerlei Zusatzuntersuchungen außer der Feindiagnostik, bei der sich mein Mädchen outete. Diese überraschende, völlig unwahrscheinliche dritte Schwangerschaft wurde von ähnlichen Gefühlsschwankungen begleitet und von mir genauso gehütet wie die langersehnte Schwangerschaft mit dem Großen, auch wenn die äußeren Umstände widriger waren.
Fazit:
Eine Schwangerschaft nach einer oder gar mehreren Fehlgeburten, vielleicht noch mit einer anschließenden langen Kinderwunschzeit wie bei uns erlebt man mit Sicherheit anders als eine "normale", nicht vorbelastete Schwangerschaft. Einerseits wird sie wie eine normale Schwangerschaft behandelt und man möchte und muss auch selbst diese Normalität leben, andererseits ist man natürlich schon geprägt von den Vorerfahrungen. Gerade die ersten Wochen einer solchen Schwangerschaft sind ein besonderes schwieriges emotionales Hin und Her. Ich denke schon, dass ich in der Schwangerschaft mit dem Großen insgesamt vorsichtiger war als viele Frauen, die keine solche Vorgeschichte hatten. In der Schwangerschaft mit der Kleinen dagegen machte es mir zu schaffen, dass ich nicht immer vorsichtig und achtsam sein konnte, weil ich mich um mein sehr forderndes Kleinkind kümmern musste. Besonders das ständige Tragen und Herausheben des Großen machten mir des öfteren Angst. Mit der Erinnerung an eine Fehlgeburt im Nacken fühlt sich das eben besonders riskant an.
Ich habe wie Mama on the Rocks auch die Erfahrung gemacht, dass es die wenigsten Menschen interessiert, mit welcher Vorgeschichte man eine Schwangerschaft erlebt und warum man vielleicht besonders vorsichtig ist oder sich die Freude darüber selbst nicht erlaubt. Man soll sich immer völlig normal verhalten, denn schließlich "ist Schwangerschaft ja keine Krankheit". Die Erfahrungen werden kaum thematisiert und so muss man selbst mit den vielen widerstreitenden Gefühlen klarkommen. Selbst im Geburtsvorbereitungskurs werden zwar vorherige Geburten, nicht aber Verluste thematisiert. Bei meiner ersten Hebamme wurde das Thema völlig ignoriert. Mit der zweiten tollen Hebamme konnte ich sowohl die Fehlgeburt als auch die Schreibabyzeit teilweise aufarbeiten und die Ängste wurden ernstgenommen. Das ist so wichtig!
Ich denke, man muss sich bewusst sein, dass man eine solche Schwangerschaft niemals so "naiv" und selig durchlaufen kann wie eine Schwangerschaft ohne vorherige Verluste. Deshalb genießt man sie vielleicht auch weniger als eine unbelastete Schwangerschaft, sondern ist einfach froh, wenn alles gut verläuft. Das persönliche Umfeld sollte das berücksichtigen und Verständnis zeigen. Vielleicht können die Beiträge der Blogparade #andersschwanger etwas dazu beitragen.
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