Zur Problematik des Richtigen vom Falschen

Zur Problematik des Richtigen vom Falschen

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GTL | 4.11.2013 | Kommentare (2)

 

Zur Problematik des Richtigen vom Falschen

Vor zwei Tagen erschien im Profil ein Interview mit Primarius Dr. Marcus Franz, der kürzlich für das Team Stronach ins Parlament eingezogen ist, in dem er über das Amoralische an Kinderlosigkeit und für ein Demonstrationsverbot für Schwule in der Innenstadt schwadroniert:
http://www.profil.at/articles/1344/560/368828/team-stronach-marcus-franz-anomalien-kinderlosigkeit-homosexualitaet

Der Primarius aus einem Ordensspital, dem Hartmannspital, den seine früheren Äußerungen eher als glaubenstreuer ÖVPler erscheinen ließen, gibt hier Einblicke in ein ultrakonversatives Denken, das in dieser oder ähnlicher Art in Österreich gar nicht so selten ist; dass es meinem eigenen Weltbild diametral entgegenläuft, brauche ich wohl nicht extra zu erwähnen.

Wenn Franz dann auch noch die Interviewerin anbaggert, dann erklärt sich das nur durch eine sagenhafte Überheblichkeit und/oder mediale Inkompetenz.
Mit anderen Worten, wenn an einem die gesellschaftliche Entwicklungen des letzten Jahrhunderts so spurlos vorbeigegangen sind oder - was ich eher annehme - man sie einfach ablehnt, dann sollte man nicht einer Journalistin so ins offene Messer laufen.
Die ultrakonservative Position des Kollegen ist nichts Neues und war in seinen Gastkommentaren in Presse und Standard auch schon öfters nachzulesen, so dass als Fazit eigentlich nur bliebe, dass das Profil ihn dazu gebracht hat, seine Haltung zum "Natürlichen" halt etwas ungeschminkter raushängen ließ als dass das in seinen eigenen Artikeln, in denen er - oder benevolente Redakteure - die Kontrolle hatte, zum Ausdruck kam.
Seine Freunde, ganz ohne solche kriegte er sicher bei den "Franziskanerinnen der christlichen Liebe" kein Primariat (auch wenn aktuell die Geschäftsführung auf Distanz geht), wird es freuen, seine Feinde ebenfalls, halt aus unterschiedlichen Gründen.
Warum ich die Sache hier thematisiere ist aber ein offener Brief unseres Wiener Ärztekammerpräsidenten Szekeres, der samt Artikel im aktuellen Standard nachzulsesen ist (http://derstandard.at/1381370765326/Brief-des-Wiener-Aerztekammerpraesidenten).
Der Schwerpunkt seiner Entrüstung betrifft, so wie die meisten Zeitungskommentartoren heute, die Aussagen über die Homosexualität.
Im Profil stand dazu wortwörtlich:
profil: In Ihrem Wertegerüst: Ist Homosexualität amoralisch?
Franz: Wenn ich strenge Moralmaßstäbe anlege, ist es mit Sicherheit amoralisch, wiewohl es in den Genen steckt. Es gibt auch im Säugetierreich Homosexualität, bei Hunden oder Affen. Und das ist eine genetische Anomalie. Denn wenn es auf einmal ganz normal wäre, wäre die Welt schon ausgestorben. Ich werte jetzt nicht, sondern sage – es ist außerhalb des normalen biologischen Mainstreams.

Ärztekammerpräsident Szekeres reflektiert wie folgt darauf:
Empörend und inakzeptabel ist aber Ihr Statement zur Homosexualität. Homosexualität als ‚amoralische genetische Anomalie’ zu bezeichnen, ist kommentarlos nicht hinzunehmen. Übersetzt hieße dies, dass Homosexualität für Sie eine angeborene Krankheit sei, noch dazu außerhalb jeglicher moralischer Kategorie.

Diese Aussage ist auf das Schärfste zurückzuweisen. Als Wissenschafter, Mediziner und Repräsentant der Ärztekammer fordere ich Sie auf, dieses Statement öffentlich zurückzunehmen. 

Ich hoffe, dass man nicht "Wissenschaft und Mediziner" sein muss, um "Homosexualität als Krankheit" als den Schwachsinn zu erkennen, der er ist, aber das ist nicht der Punkt. Inhaltlich ist Szekeres zuzustimmen.
Das Ärgerliche aber ist,
dass er zu vielen anderen Themen vergleichsweise stumm war, zu denen er als Ärztekammerpräsident viel eher Stellung nehmen hätte sollen.
Irgendwie scheint mir die Aktion eher als Befreiungsschlag, nachdem die Wiener Ärztekammer in der Causa der "Abtreibungsärztin" in die mediale Defensive gekommen war.
Auch zum Urteil gegen den Turnusarzt im Göttlichen Heiland und zum Freispruch aller anderen Verantwortlichen fiel der Wiener Ärztekammer wenig ein, vielleicht lag das aber in diesem Fall daran, dass der freigesprochene ärztliche Leiter stv. Präsident dieser Kammer ist.
Die Liste ließe sich unendlich fortsetzen ...
 
Mir liegt es völlig fern, Herrn Franz und sein Weltbild zu verteidigen, aber ich halte es für höchst bedenklich, wenn ein Ärztekammerpräsident glaubt, dass ihn sein Amt zur medialen Maßregelung von Ärzten ermächtigt, wenn diese Aussagen als Privatpersonen, Abgeordnete oder was weiß ich ... treffen, andererseits auf zu standespolitischen Problemen sehr oft Antworten schuldig bleibt.  

In dieser Angelegenheit mit einer Disziplinaranzeige zu drohen (http://derstandard.at/1381370761517/Aerztekammer-Praesident-fordert-Stronach-Abgeordneten-Entschuldigung) ist in meinen Augen reiner Populismus.



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