Das Balletthaus der Deutschen Oper am Rhein Düsseldorf Duisburg ist eine Ausnahme. In einer Zeit, in der der Sparstift regiert, wurde dem Ballettdirektor Martin Schläpfer ein Herzenswunsch erfüllt und ein neues Haus für die Trainings und Proben seiner Companie gebaut.
Schon wenige Schritte nach Betreten des Hauses Merowinger Straße 88 steht man vor einer schmalen Glaswand und blickt in einen großzügigen Ballettsaal. Ein Paar übt darin eine neue Choreografie; als uns der Mann entdeckt, begrüßt er uns mit einem breiten Lächeln. „Das ist einer der Vorteile hier im neuen Haus“, erklärt die Pressesprecherin Monika Doll. „Nun müssen wir nicht zögerlich anklopfen und warten, ob wir hinein können oder nicht, sondern sehen gleich, ob gearbeitet wird.“
Allerorten regiert in den Gemeinden Europas der Rotstift. Besonders betroffen ist davon die Kultur. In Zeiten wie diesen sind vor allem größere Bauprojekte auf Eis gelegt, egal, ob sie dringend benötigt werden oder nicht. Eine Ausnahme bildet Düsseldorf. Mitte August wurde dort das Balletthaus fertiggestellt und übergeben. Ein Bau, der in Rekordzeit errichtet wurde, denn der Spatenstich erfolgte erst im Oktober 2014. Die Deutsche Oper am Rhein weist damit eine Trainingsstätte für ihr Ensemble auf, die großzügige Ballettsäle, Umkleiden, Physiotherapieräume und sogar Schlafkojen für ein Powernapping bereithalten.
Möglich wurde das, weil Ballettdirektor Martin Schläpfer in den letzten Jahren mit seiner Companie – rund 45 Personen – frischen Wind in die Düsseldorfer Tanzszene brachte. Mehrfache Auszeichnungen zur Companie des Jahres und eine stete Publikumsakzeptanz machten öffentlich, dass sein eingeschlagener Weg ein erfolgreicher ist. Seine Idee, weg von abendfüllenden Programmen hin zu mehreren kürzeren Aufführungen an einem Abend zu gehen, ging voll auf. Viele Produktionen sind durch einen gekonnten Mix von zeitgenössischem und klassischem Ballettbewegungsrepertoire gekennzeichnet. Schläpfer setzt dabei gerne auf große Namen wie Balanchine, van Manen aber auch Cunningham, Ashton oder Kylian – um nur einige zu nennen. Viele Ballette hat er selbst choreografiert. Am Ende dieser Saison wird man insgesamt bereits 28 Abende zählen, die unter seiner Direktion bislang zustande gekommen sein werden. Und damit Schläpfer seine Erfolgsgeschichte in Düsseldorf weiterschreiben kann, kam man seiner Bitte um ein Trainingshaus für das Ensemble nach.
Möglich wurde die Umsetzung durch die Idee einer öffentlich-privaten-Partnerschaft, kurz ÖPP. Dafür gingen die Stadt Düsseldorf und das Bauunternehmen Hochtief PPP Solutions einen Deal ein. Die Baukosten trug das Bauunternehmen, bis zur Eröffnung waren es 12 Millionen Euro. Weiters sorgt es in den kommenden 30 Jahren für die Instandhaltung, Inspektion, Wartung, Reinigung und Pflege der Außenanlagen. Die Deutsche Oper am Rhein Düsselsdorf Duisburg selbst ist Dauermieter und zahlt in 30 Jahren 26 Millionen Euro, bis das Haus in ihren Besitz übergeht. Das bedeutet, dass das Haushaltsbudget der Stadt lediglich durch die Miete des Hauses belastet wird und keine weiteren, unvorhergesehenen Kosten auf den Stadtsäckel drücken. Dass es weder eine Kosten- noch eine Fristenüberschreitung gab, muss hier gesondert erwähnt werden; man kennt Gegenteiliges aus anderen noch immer in Bau befindlichen Objekten wie z.B. der Elbphilharmonie.
Anklicken um„Einer der großen Vorteile ist, dass wir nicht, wie sonst bei Gebäuden im öffentlichen Besitz üblich, auf Wartungen lange warten müssen, weil wir in der Prioritätenreihe weit hinten aufscheinen. Wenn ein Fenster klemmt, wird es sofort gerichtet und nicht erst, wenn sich einer der Tänzer einen Finger abgeklemmt hat.“ Betriebsdirektor Oliver Königsfeld hat sich zu unserem Besichtigungsgang durchs Haus dazugesellt und gibt ein anschauliches Beispiel, welche Vorteile eine solche Partnerschaft noch mit sich bringt. Er war auch in der Planungsphase dafür verantwortlich, möglichst viele Ideen von anderen Häusern in Europa aufzunehmen um sie in das neue Balletthaus integrieren zu können. „Dabei habe ich schon bald zu fragen begonnen, womit seid ihr denn eigentlich nicht zufrieden, denn gerade das war es, was wir bei unserem Haus von Vornherein berücksichtigen konnten.“
Das Gebäude selbst hat ein klares Erscheinungsbild. Viel Glas, viel Sichtbeton, hell und übersichtlich strukturiert. Gleich nach dem Eingang laden viele Sitzmöglichkeiten zum Verweilen ein. „Hier treffen sich auch die Eltern der Kinder unserer Ballettschule und die angrenzende kleine Küche bietet auch Möglichkeiten für kleine Erfrischungen.“ Zwei der insgesamt fünf Ballettsäle sind im Original-Bühnenmaß errichtet, alle Probenräume sind technisch auf dem neuesten Stand. „Wir können mit unseren Computern in allen Räumen auf vorhandenes Videomaterial zugreifen und das nicht nur am Bildschirm ansehen, sondern auch mit Beamern an die Wand projizieren – optimal für Proben.“ Die Böden sind aus dem selben Material wie in den Opernhäusern selbst, einer der Säle weist auch eine Tribüne mit 112 Sitzplätzen auf. „Wir veranstalten hier keine Abende, aber gerade für die Ballettschule und auch für die Beobachtung von Proben sind diese Plätze überaus nützlich.“
Und auch die Zettelwirtschaft an Pinwänden in der Nähe des Portiers ist hier wie in so vielen anderen Probenhäusern nicht mehr zu finden. Ein großer Touch-Screen gibt über die Belegung der Räume und die Zeitpläne Auskunft. Obwohl zwei der fünf Säle während unserer Tour durchs Haus belegt sind, fällt auf, dass es sehr leise ist. „Wahrscheinlich werden die Mieten in den Nachbarhäusern rasant ansteigen!“, Monika Doll lacht bei ihrer mit einem Augenzwinkern begleiteten Aussage. Zumindest kommen die Bewohnerinnen und Bewohner der Nachbarstraße nun zeitweise in den Genuss, den Tänzerinnen und Tänzern beim Üben an der Stange zusehen zu können. „Da ist bestimmt auch zukünftiges Publikum dabei“, fällt der Kommunikations-Professionistin ein und man merkt, wie sich ihre Gedanken um die Möglichkeit weiterer Abo-Verkäufe verdichten.
Das Balletthaus im Düsseldorfer Stadtteil Bilk steht auf einem ganz besonderen Arbeits-Areal, auf dem sich verschiedene Kunstsparten treffen. Es ist eine Art Kultur-Hotspot, in dem das, was das Publikum später einmal erfreut, auf unterschiedlichste Art und Weise produziert wird. In den ehrwürdigen Industriehallen des historischen Rheinbahn-Depots „Am Steinberg“ gleich nebenan entstehen die bunten, ausladenden Wägen für den alljährlichen Karnevalsumzug. Gleich daneben hat der Düsseldorfer Künstler Christof Hartmann sein Atelier, das er für die Erzeugung seiner Skulpturen und Bilder nutzt.
Beim Vorbeigehen an einer der Glaswände, die einen Einblick ins Innere der Säle erlauben, entdecken wir Martin Schläpfer im Trainingsoutfit. „Wir haben demnächst wieder Premiere“, erklärt Frau Doll das geschäftige Treiben in Anwesenheit des Chefs. Dass sich Martin Schläpfer anlässlich der Eröffnung des Hauses vor selbigem mit einem Luftsprung ablichten ließ, ist mehr als verständlich.