zum Soldatenkönig und dem Alten Fritz

Der von bringer

“Ihr Majestäten, Ihr Kaiser, Zaren, Könige – wie tragt Ihr die hunderttausend Toten?
Ich sehe Euch nicht.

Ich habe immer nur den einen, den einzigen gesehen, den schmächtigen, kleinen, leidenden König, in der von Kugeln zerfetzten Uniform, dem eine Schnupftabakdose in der Brusttasche das Leben rettete, dem zwei Pferde unter dem Leib weggeschossen wurden, der im Schnee schlief und seinen Platz am Feuer den Soldaten überließ, der Euch Majestäten “Lumpen” nannte.

Er ist jetzt im Unglück, aber ganz Europa spricht nur von ihm, denkt nur an ihn, er verkörpert etwas. Was verkörpert Ihr?
Er ist jetzt schon ein Mythos. Was seid Ihr?

Man mag die Kriege für schrecklich halten – auch die Preußen hielten sie für schrecklich. Man mag sich bekreuzigen – auch das Volk hat sich bekreuzigt. Aber dieser Mensch und seine Kriege, gerade die Kriege haben das Preußentum endgültig besiegelt.

Nach dem Kriege war jeder dritte oder vierte Mann durch das Inferno der Schlachten an der Seite des Königs gegangen. Sie prägten die ganze Bevölkerung endgültig. Ich wage zu sagen, dass erst jetzt, der Preußische Geist ganz da war. Wäre Preußen den Weg weiter gegangen wie unter dem Soldatenkönig, würde Preußen nicht Preußen geworden sein.
Ohne dieses Fegefeuer der Kriege kein Preußentum.
Jetzt, jetzt ist es soweit, den König Friedrich den Großen zu nennen.”

Frei nach Joachim Fernau aus seinem Buch “Sprechen wir über Preußen. Die Geschichte der armen Leute” aus dem Ullstein-Verlag; 8. Aufl. (1. September 1990) ISBN: 3548223362

Man mag Joachim Fernau aufgrund seiner Vergangenheit nicht besonders gewogen sein. Man mag ihn nicht als “echten” Historiker anerkennen, da er es vermag “unterhaltsam” zu schreiben. Aber eines muss man ihm dennoch zusprechen: er vermag es, Geschichte anschaulich und dennoch Faktisch korrekt darzustellen.

Im Buch zeichnet er nicht das übliche Bild unserer Geschichte nach Lehrmeinung, welches zuerst nach ’18 und anschließend um’s tausendfache verstärkt nach ’45 in unsere Gehirne indoktriniert wurde. Er hält sich vielmehr so gut es geht fern von allem “Neuen” des 20-stem Jahrhunderts und beschränkt sich auf einige wenige Andeutungen zu dieser Episode unserer Geschichte. Er zeigt uns die jüngere deutsche Geschichte mit einem Augenzwinkern – manchmal um eine Träne wegzublinzeln, manchmal um einem ein Lächeln aufs Antlitz zu zaubern. Wer Geschichtsschreibung der Siegermächte sucht, der sucht vergebens. In “Sprechen wir über Preußen. Die Geschichte der armen Leute” erhält man harte Fakten in einem ansprechenden und nie langweiligem Komplettpaket.

Ich bin an sich kein großer Verfechter der preußischen Vergangenheit – dazumal ich in Bayern aufgewachsen bin, also ein gewisser “Bierstolz” nicht zu leugnen ist, doch Fernaus interessante Schilderung der Geschichte des preußischen Königreiches und dessen bewegter Geschichte hat mir wunderbare Stunden, sowie einige nicht zu unterschätzende Denkanstöße gegeben.

Wie zitiert Fernau gegen Ende seines Buches frei nach Fontane:

Schon zu Lebzeiten war der König eine Legende geworden möchten sie Ihn sehen, wie Fontane einen Zeitgenossen Ihn schildern lässt?
Was Er dem Volke war, dass ließ sich erkennen wenn Er, von der großen Revue kommend, Seiner Schwester, der alten Prinzess Amalie – die Er oft das ganze Jahr nicht sah – Seinen regelmäßigen Herbstbesuch machte:

‘Ich seh’ Ihn vor mir, wie heut’, Er trug einen dreieckigen Montierungshut, die weiße Generalsfeder war zerrissen und schmutzig, der Rock alt und bestaubt, die Weste voll Tabak, die schwarzen Sammethosen abgetragen und rot verschossen. Hinter Ihm Generale und Adjutanten.
So ritt Er auf Seinem Schimmel, dem Condé, durch das Hallesche Tor über das Rondell, in die Wilhelmsstraße ein, die gedrückt voller Menschen stand, alle Häupter entblößt, überall das tiefste Schweigen.
Er grüßte fortwährend, vom Tor bis zur Kochstraße wohl zweihundert Mal. Dann bog Er in den Hof des Palais ein und wurde von der alten Prinzessin an den Stufen der Vortreppe empfangen. Er begrüßte sie, bot ihr den Arm, und die großen Flügeltüren schlossen sich wieder.
Alles wie eine Erscheinung.
Nur die Menge stand noch entblößten Hauptes da, die Augen auf das Portal gerichtet.
Und doch war nichts geschehen: keine Pracht, keine Kanonenschüsse, kein Trommeln und Pfeifen; nur ein dreiundsiebzigjähriger Mann, schlecht gekleidet, staubbedeckt, kehrte von seinem mühsamen Tagewerk zurück.
Aber jeder wusste, dass dieses Tagewerk seit fünfundvierzig Jahren keinen Tag versäumt worden war, Bewunderung, Ehrfurcht, Stolz, Vertrauen regte sich in jedes einzelnen Brust, sobald sie dieses Mannes der Pflicht und der Arbeit ansichtig wurden.’

Und hier sehen wir den viel zitierten “deutschen” Geist:

Einen Geist, welcher Bewunderung statt Neid empfindet, Stolz auf seine Leistungen ist, Vertrauen in seine Führer hat und Ehrfurcht vor den Werken anderer besitzt.
Einen Geist, welcher Neid empfinden sollte auf das, was ihm genommen wurde.
Einen Geist, welcher für den Stolz auf seine Leistungen gedemütigt wird.
Einen Geist, dessen Vertrauen in seine Vorangänger Tag für Tag enttäuscht wird.

Einen Geist, vor dessen Werken niemand mehr Ehrfurcht besitzt.

“Gegen den Strom der Zeit kann zwar der einzelne nicht schwimmen, aber wer Kraft hat, hält sich und läßt sich von demselben nicht mit fortreißen.”

Johann Gottfried Seume


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