Das Buch kann nichts dafür. Ob ein aufgeklärter Christ wie der McDonalds-Angestellte Jens Warnecke die Bibel als ästhetische Offenbarung würdigt oder ob Hassprediger wie Andres Breivik sie als Aufruf zum Vernichtungskrieg gegen die „ungläubigen Hunde“ deuten – der Text bleibt immer derselbe.
Das erfordert sorgfältiges Argumentieren von denen, die gegen die Ramschtische in den Fußgängerzonen deutscher Städte sind, an denen zurzeit die Bibel unters Volk geworfen wird. Weder die Verteilung ist das Problem noch die kostenlose Weitergabe – diese Praxis kennen viele Hotelgäste aus ihren Nachttischschubladen. Und erst recht ist der Inhalt nicht per se dazu angetan, den Verfassungsschutz auf den Plan zu rufen. Da gerät in der schlagwortartigen Verkürzung schnell etwas durcheinander.
Gefährlich sind vielmehr die Christen, die hinter der scheinbar harmlosen Aktion stecken: Unter „Mission“ versteht diese radikal-christliche Strömung letztlich die Abschaffung von Demokratie und säkularem Rechtsstaat, das Ende von Meinungs- und Religionsfreiheit. Grundlage ihrer Ideologie ist tatsächlich die Bibel, aber in einer einseitigen, stumpfsinnigen, vernagelten Lesart. Sie gibt vor, die Bibel authentisch, weil wörtlich zu verstehen. Aber gerade das verfälscht und tut einem übersetzungsbedürftigen, historisch bedingten Text die größte Gewalt an. Das zeigt ein kurzer vergleichender Blick in den Koran: auch dort Unsinn und menschenfeindlicher Ungeist zuhauf, nimmt man alles buchstäblich.
Spätestens seit dem heiligen Augustinus (354 bis 430 nach Christus), der auf himmlisches Geheiß zur Bibel gegriffen haben und durch die Lektüre bekehrt worden sein soll, gibt es in der christlichen Tradition eine sehr ursprünglich-persönliche Beziehung zur heiligen Schrift: Der einzelne Gläubige lässt sich von Gottes Wort ansprechen und betreffen. Mag sein, dass sich die mitteldeutsche Christegruppe Kirche Jesu Christi listig an das berühmte augustinische „tolle, legge!“ – „nimm, lies!“ anhängen wollte, als sie der Verteilung von Einladungen zur Erlösung begann. Die Parallelität der Formulierungen legt zumindest eine ideelle Verwandtschaft nahe. Nur würde kein ernstzunehmender Theologe oder Seelsorger sagen, was die Christen von ihrem „Projekt“ behaupten: dass es Vorurteile abbaut und das allgemeine Verständnis des Christentums verbessert. Das kann bei einer so fremden, literarisch disparaten und voraussetzungsreichen Textsammlung wie dem Bibel nicht funktionieren.
Bester Beweis dafür sind Gegner des Christentums, die mit der Verteilung von Koranen gegenhalten. Methodisch gleichen sie sich denen an, die sie zu bekämpfen vorgeben.
Hier wie da gebärden sich die Missionare als wohlmeinende Multiplikatoren einer heiligen Schrift, folgen aber nur ihrer höchst unheilvollen Ideologie. Das macht ihre Aktionen so gefährlich. "Wie kann ich herausfinden, was Gott mit meinem Leben vorhat", fragt ein Flyer der christlichen Erlöser, als habe nicht jeder Mensch in unserer aufgeklärten Zeit selbst die Wahl, etwas aus seinem Leben zu machen.
Doch diese Taktik ist übrigens durch die christliche Glaubenspraxis selbst leicht zu entlarven. Galt in früheren Zeiten schon die bloße Übertragung des lateinischen Urtextes in andere Sprachen als Sakrileg, so behandeln Christen seit Luther auch Bibeln in anderen Sprachen mit größter Ehrfurcht. Sie gilt ihnen nicht nur als „heilige Schrift“, sondern liegt auch in jedem Hotelnachttisch.
Vor diesem Hintergrund verwundert es nicht, dass es viele Christen auch nicht stört, dass ihr heiliges Buch zur wertlosen Massenware wird, dass es achtlos in Einkaufstaschen verschwindet und daheim im Altpapier zu landen droht. Es ist wie immer bei Extremisten und Fundamentalisten, auch wenn sie sich auf Jesus beziehen: Ihnen ist in Wahrheit überhaupt nichts heilig – außer die eigene Verblendung und Verbohrtheit. Wenn die Verteilung von Einladungen zu christlichen Erweckungsgottesdiensten auch an Un- und Andersgläubige dafür den Blick der Gesellschaft schärft, hat sie wenigstens einen – ungewollten – Erfolg.
Das erfordert sorgfältiges Argumentieren von denen, die gegen die Ramschtische in den Fußgängerzonen deutscher Städte sind, an denen zurzeit die Bibel unters Volk geworfen wird. Weder die Verteilung ist das Problem noch die kostenlose Weitergabe – diese Praxis kennen viele Hotelgäste aus ihren Nachttischschubladen. Und erst recht ist der Inhalt nicht per se dazu angetan, den Verfassungsschutz auf den Plan zu rufen. Da gerät in der schlagwortartigen Verkürzung schnell etwas durcheinander.
Gefährlich sind vielmehr die Christen, die hinter der scheinbar harmlosen Aktion stecken: Unter „Mission“ versteht diese radikal-christliche Strömung letztlich die Abschaffung von Demokratie und säkularem Rechtsstaat, das Ende von Meinungs- und Religionsfreiheit. Grundlage ihrer Ideologie ist tatsächlich die Bibel, aber in einer einseitigen, stumpfsinnigen, vernagelten Lesart. Sie gibt vor, die Bibel authentisch, weil wörtlich zu verstehen. Aber gerade das verfälscht und tut einem übersetzungsbedürftigen, historisch bedingten Text die größte Gewalt an. Das zeigt ein kurzer vergleichender Blick in den Koran: auch dort Unsinn und menschenfeindlicher Ungeist zuhauf, nimmt man alles buchstäblich.
Spätestens seit dem heiligen Augustinus (354 bis 430 nach Christus), der auf himmlisches Geheiß zur Bibel gegriffen haben und durch die Lektüre bekehrt worden sein soll, gibt es in der christlichen Tradition eine sehr ursprünglich-persönliche Beziehung zur heiligen Schrift: Der einzelne Gläubige lässt sich von Gottes Wort ansprechen und betreffen. Mag sein, dass sich die mitteldeutsche Christegruppe Kirche Jesu Christi listig an das berühmte augustinische „tolle, legge!“ – „nimm, lies!“ anhängen wollte, als sie der Verteilung von Einladungen zur Erlösung begann. Die Parallelität der Formulierungen legt zumindest eine ideelle Verwandtschaft nahe. Nur würde kein ernstzunehmender Theologe oder Seelsorger sagen, was die Christen von ihrem „Projekt“ behaupten: dass es Vorurteile abbaut und das allgemeine Verständnis des Christentums verbessert. Das kann bei einer so fremden, literarisch disparaten und voraussetzungsreichen Textsammlung wie dem Bibel nicht funktionieren.
Bester Beweis dafür sind Gegner des Christentums, die mit der Verteilung von Koranen gegenhalten. Methodisch gleichen sie sich denen an, die sie zu bekämpfen vorgeben.
Hier wie da gebärden sich die Missionare als wohlmeinende Multiplikatoren einer heiligen Schrift, folgen aber nur ihrer höchst unheilvollen Ideologie. Das macht ihre Aktionen so gefährlich. "Wie kann ich herausfinden, was Gott mit meinem Leben vorhat", fragt ein Flyer der christlichen Erlöser, als habe nicht jeder Mensch in unserer aufgeklärten Zeit selbst die Wahl, etwas aus seinem Leben zu machen.
Doch diese Taktik ist übrigens durch die christliche Glaubenspraxis selbst leicht zu entlarven. Galt in früheren Zeiten schon die bloße Übertragung des lateinischen Urtextes in andere Sprachen als Sakrileg, so behandeln Christen seit Luther auch Bibeln in anderen Sprachen mit größter Ehrfurcht. Sie gilt ihnen nicht nur als „heilige Schrift“, sondern liegt auch in jedem Hotelnachttisch.
Vor diesem Hintergrund verwundert es nicht, dass es viele Christen auch nicht stört, dass ihr heiliges Buch zur wertlosen Massenware wird, dass es achtlos in Einkaufstaschen verschwindet und daheim im Altpapier zu landen droht. Es ist wie immer bei Extremisten und Fundamentalisten, auch wenn sie sich auf Jesus beziehen: Ihnen ist in Wahrheit überhaupt nichts heilig – außer die eigene Verblendung und Verbohrtheit. Wenn die Verteilung von Einladungen zu christlichen Erweckungsgottesdiensten auch an Un- und Andersgläubige dafür den Blick der Gesellschaft schärft, hat sie wenigstens einen – ungewollten – Erfolg.