Als Kind hatte ich einen Hund, einen Zwergschnauzer. Chipsy war nicht nur höllisch intelligent und sehr gelehrig, nein, er war auch ein Gourmand. Wir verstanden uns ohne große Worte. Stand das Essen auf dem Tisch, tauschten wir einen kurzen Blick aus, und ich konnte gut abschätzen, ob ihm ähnlich der Zahn tropfte wie mir. Er war wählerisch und verstand es, sich auf’s Wesentliche zu konzentrieren. Er fraß den Käse lieber ohne Stulle und auch beim Fleisch zeigte sich seine wahre kulinarische Kompetenz. Eine ganz Reihe frugale Geschichten haben wir zusammen erlebt, eine davon ist die von den gefüllten Eiern.
Gefüllte Eier gehörten zu unseren Wochenenden. Eine Schar legefreudiger Mistkratzer bescherte uns in guter Regelmäßigkeit Eier und so gab es das, was unter œufs mimosa, deviled eggs oder russische Eier bekannt ist. Hartgekochte Eier werden halbiert, der Dotter zusammen mit Butter, Senf und Gewürzen vermengt und zurück in die Eierhälften gegeben. Schnöde, köstlich! Ich liebte diese Eier!
An einem Samstagabend standen ca. 40 Eierhälften in einer Schüssel auf dem Küchentisch bereit, um mit einer cremigen Füllung ihrer Vollendung zugeführt zu werden. Die Dotter-Masse wollte noch bewegt werden und die Kinder nebenbei unterhalten. Mutter ging mit der Dotter-Massen-Schüssel im Arm in die Wohnstube – einzig der Hund blieb unbemerkt in der Küche zurück. Der Schlawiner, der! Nun war er wirklich wohlerzogen, der Chipsy, da war ihm nichts vorzuwerfen. Aber als wir keine 15 Minuten später zurück in die Küche kamen, befand sich außer gähnender Leere nichts in der Schüssel. Nicht eine Spur wies auf den Übeltäter hin, blitzblank der Tisch und das Maul (wohlerzogen!).
Der Hund stellte sich schlafend und trotzdem, wir tauschten ein kleines, vertrautes Augenzwinkern aus. Keiner wollte den Hund wirklich schimpfen und kurzzeitig war die Sorge groß, ob er’s wohl vertragen kann. Ich überlegte, ob ihm ein Verdauerli aus der Hausbar bekommen könnte, doch die Mutter wehrte ab. Zum Abendessen gab es gefüllte Eier ohne Eier. Für Chipsy blieb es beim Amuse bouche.
Irgendwie sind mir trotzdem über die Jahre die gefüllten Eier abhanden gekommen. Wieder entdeckt habe ich sie durch Françoise, meine Freundin in Mazamet, die eine begnadete Köchin ist. Zu einem ihrer legendären Apéritifs servierte sie neben verführerischen Gougères, œufs mimosa, die Dotter-Masse gefüllt mit Wildkräutern aus dem Garten, Estragon Senf und anstatt Butter, nahm sie Olivenöl. Ein wahrgewordener Traum, der mich sofort in meine Kindheit zurück katapultierte. Ich sah mich Chipsy gegenüber, der in sich rein grinste und ich sah die Samstage mit gefüllten Eiern auf dem Abendbrottisch.
Wieder einmal bemerke ich, wie stark unser Geschmacksgedächtnis mit Kindheitserinnerungen verknüpft ist und wie intensiv die Erinnerung ist. Komplexe Bilder entstehen und assoziierte Emotionen lassen sich sofort wieder abrufen. Diese Eier waren gustatorischer Balsam, in einem weniger positiven Kindheitsumfeld und gehören zu meinem kulinarischen Erbe. Essen ist für uns alle eine Möglichkeit, Zugang zur eigenen Identität zu bekommen und sich weniger kognitiv geplant, sondern emotional-intuitiv und spielerisch mit seiner Herkunft zu beschäftigen.
Als Idee schon länger verfolgt, werden meine geschätzte Freundin und Kollegin Anni und ich, die „Mehr Herz und Bauch“ Workshops im Rahmen der Foodblog Days geben. Auf kulinarischer Entdeckungsreise werden wir entdecken, was Herz und Bauch gut tut und die eigene Intuition stärkt.
Voilà und zum nächsten Apéritif serviere ich die œufs mimosa, ein Stück neu interpretiert oder wie die Franzosen sagen revisitée – gepickelt mit roter Bete und gefüllt mit einer Wasabi Crème fraîche.
Dazu gibt es eine Wein-Empfehlung. Mein derzeitiges Highlight – Oracular von Marc Castan, Domaine Mamaruta aus La Palme – Pétillant naturel, ein leichter Prickler, spontan vergoren, absolut trocken, mit zarten Aromen von Birne und Akazienblüten – ein Wagnis für alle, die gern einen tollen Naturwein probieren wollen.
Bon appétit!
Dieser Beitrag erscheint anlässlich des ZEIT Kochtags 2016, einem bundesweiten Aktionstag am 22. April, der Menschen dazu anregen soll, selbst zu kochen und sich mit ihrem Essen bewusst auseinanderzusetzen.
zum Apéritif - œufs mimosa mit Wasabi Crème fraîche 2016-04-05 17:07:07 Yields 6 Write a review Save Recipe Print Prep Time 24 hr Cook Time 20 min Prep Time 24 hr Cook Time 20 min für die gepickelten Eier- 6 Eier, hartgekocht, geschält
- 2 rote Bete
- 250 ml Weißwein-Essig
- 250 ml Wasser
- 2 EL Zucker
- Salz
- 20 Senfkörner, 3 Piment, 1 Sternanis, 1 TL Fenchelsaat
- das Eigelb der hartgekochten Eier
- Wasabi Paste - nach Bedarf, Vorsicht!
- 100 g Creme fraîche
- Salz
- Brunnenkresse, Bockshornkleesprossen oder alternativ Schnittlauch, Petersilie etc.
- Zunächst die Rote Bete mit Schale für ca. 20 min köcheln lassen. Im Anschluss schälen und in feine Scheiben schneiden. Beiseite stellen.
- In einem Topf Senfkörner, Piment, Sternanis und Fenchelsaat anrösten. Dann beiseite stellen.
- Im Topf Weißwein-Essig, Wasser und Zucker zum kochen bringen, die Gewürze hinzufügen und salzen.
- Die Rote Bete in ein verschließbares Glas einfüllen und den Sud dazu geben. Für 30 min offen ziehen lassen.
- Nun die Eier einlegen, das Glas verschließen und über Nacht im Kühlschrank stehen lassen. Für ein noch intensiveres Farb- und Geschmacksergebnis nach Wunsch weitere Zeit im Sud liegen lassen.
- Die Eier aus dem Sud entnehmen, kurz abtropfen lassen, danach halbieren. Die Eigelbe entnehmen und in eine Schüssel geben.
- Zusammen mit der Creme fraîche, der Wasabi Paste und Salz vermengen, bis eine glatte Masse entsteht.
- Nun mit einem Löffel oder einem Spritzbeutel mit Tülle, in die Eier-Hälften bringen. Zum Schluss mit Sprossen oder alternativ Schnittlauch und Petersilie garnieren und anrichten.
- Eventuell Haushaltshandschuhe tragen, die Rote Bete färbt die Hände kräftig.