Zufall mit Methode

Normalerweise ist eine Panne etwas, das nicht passieren soll, aber trotzdem immer mal vorkommt. Pannen können passieren – wenn man viel mit dem Auto fährt, kann es schon sein, dass man tatsächlich irgendwann mal einen Platten hat. Weil das so selten vorkommt, kann natürlich auch sein, dass genau dann auch das nie benutzte Ersatzrad platt ist, klar.

Wenn aber genau die gleiche Panne immer und wieder passiert, fällt es schwer, an einen Zufall zu glauben. Insofern muss man beim Verfassungsschutz von Methode ausgehen, wenn immer wieder Akten zu recht(sterroristisch)en Vorfällen oder Verfahren geschreddert werden. Nicht nur, weil es, wenn tatsächlich Dummheit und Zufall am Werk wären, mindestens genauso häufig Akten zu link(terroristisch)en Fällen treffen müsste. Eigentlich noch häufiger, denn über Linke führen unsere Verfassungsschützer ja sehr viel eifriger Buch. Davon ist aber nichts zu hören. Es trifft immer nur Vorgänge, bei denen vermutlich unangenehme Dinge über die rechte Szene im Allgemeinen, die NSU im Speziellen und vor allem über die Verstrickungen von Informanten und Diensten bekannt würden.

Stasi-Akten im Archiv

Diese Akten werden garantiert nicht geschreddert: Aussschnitt aus einem Bild an der Außenwand der Behörde des Bundesbeauftragten für die Stasi-Akten.

Nebenbei: Gerade die Akten, die der Berliner Verfassungsschutz im vergangenen Sommer noch schnell schreddern ließ, waren eben keine, die routinegemäß zur Vernichtung freigegeben worden waren, wie immer wieder behauptet wird, sondern genau die, die nicht vernichtet werden sollten, weil das Landesarchiv sie zu Aufbewahrung angefordert hatte. Merkwürdigerweise haben die kompetenten Schredder-Mitarbeiter die anderen Akten, die ans Landesarchiv gehen sollten, in Ruhe gelassen – so viel selektive Dummheit kann es kaum zufällig geben.

Wie auch immer, jedenfalls hat es beim Verfassungsschutz Tradition, Terrorgruppen mit Material zu versorgen. Ende der 1960er Jahre belieferte der V-Mann Peter Urbach radikale Studenten mit Schusswaffen und Bomben – einer seiner “Kunden” war ein gewisser Andreas Baader, Gründungsmitglied der Rote Armee Fraktion. Insofern kann man durchaus behaupten, dass der militante Linksterrorismus, der später unter anderem als Ausrede für den Radikalenerlass und weitere Einschränkungen der Freiheitsrechte gut war, quasi vom Verfassungsschutz wenn schon nicht erfunden, so doch in seiner Entstehung entscheidend unterstützt wurde. Für die kalten Krieger speziell in Berlin waren die von ihnen selbst bewaffneten Gegner im Untergrund ein gefundenes Fressen, um auch nach der Adenauer-Ära gegen alles Linke hetzen zu können – selbst Politiker von SPD und FDP wurden von der West-Stasi bespitzelt, Journalisten sowieso.

Das Manipulieren von Spuren und Vernichten von Beweismaterial ist ebenfalls keine neue Methode des Verfassungsschutzes, sondern bewährte Praxis – so wurde der Tod des V-Manns Ulrich Schmücker nie aufgeklärt. Schmücker wurde als Mitglied der Anarchistengruppe “Bewegung 2. Juni” 1972 festgenommen und als Informant rekrutiert – auf diese Weise kam er um seine Strafe wegen Vorbereitung von Sprengstoffanschlägen herum. 1974 wurde Schmücker im Grunewald ermordet – der Verfassungsschutz hatte seinen Lockvogel ins Verderben laufen lassen. Auch die Linken verstanden keinen Spaß mit Verrätern.

Das Verfahren, das die Todesumstände klären soll, zieht sich zum längsten Strafverfahren in der Geschichte der BRD. 1991 wurde es schließlich eingestellt, die eigentlichen Täter kommen davon. Bemerkenswert ist die Begründung des Gerichts: Die Angeklagten seien durch die manipulierten Ermittlungen von Verfassungsschutz und Staatsanwaltschaft so in ihren Rechten eingeschränkt worden, dass kein rechtsstaatliches Verfahren mehr möglich sei. Das Berliner Landesgericht gibt dem Verfassungsschutz eine erhebliche Mitschuld an dem Mord.



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