Letzte Woche berichtete wieder irgendeine Radioanstalt von der »islamkritischen Bewegung«. Gemeint war diese Veranstaltung, die unter dieser lächerlichen Abkürzung durch Dresdens Straßen stiefelt. Islamkritisch? Es war schon immer ärgerlich, als man die verbitterten alten Männer und ihre Bücher dem Label der Islamkritik unterstellte. Ich werde an dieser Stelle keine Namen nennen. Man weiß wohl eh, wer hier gemeint ist. Ist jemand Islamkritiker, wenn er den islamischen Kulturkreis, dessen historische Interpunktionen, grundsätzlich Moslems und alles, was so damit zu tun hat, als dumm, gewaltbereit und rückständig bezeichnet, ohne die Gesamtheit und Komplexität dieser Religion berücksichtigt zu haben?
Das Wort »Kritik« ist dem Griechischen entlehnt. Es bedeutet in seiner Urform so viel wie »unterscheiden« oder »trennen«. Diese beiden Verben meinen in diesem Falle aber mehr als ein bloßes Zerteilen. Sie lassen erahnen, dass jemand, der dem ursprünglichen Wortsinn nach Kritik übt, einen gewissen Gegenstand gründlich aus seiner Umwelt heraus löst, ihn von der Gesamtheit trennt, um ihn beleuchten zu können. Kritik ist also ein umfassender Prozess. Ein Beleuchten von allen Seiten. Für und Wider. Etwas, was man mit Akkuratesse macht, um den Gegenstand gerecht zu werden. Im alltäglichen Gebrauch haftet dem Wort »Kritik« mittlerweile etwas Negatives an. Allumfassende Beleuchtung nennt man heute eher »Check«. Die »Kritik« wird aber nach wie vor in der Philosophie benutzt und meint dort die »Fähigkeit der Beurteilung«. Wer aber etwas beurteilt, der muss vollumfänglich betrachten. Gutes von Schlechtem scheiden. Einzelne Komponenten des zu betrachtenden Gegenstandes voneinander abheben. Wer das nicht tut, kann gar nicht zu einer Beurteilung gelangen.
Islamkritisch also. Eine Wahrnehmung, die den Islam in seiner ganzen Komplexität aufgreift, pflegen die patriotischen Bürger des Abendlandes ganz sicher nicht. So wie die alten Herren in ihren neuen Büchern ja auch nicht in Gänze bei der Sache waren. Sie pickten sich nur das heraus, was das vorherige Bauchgefühl, mit dem sie vor dem Schreiben schwanger gingen, nochmals bestätigte. Vorurteile, die sie aufgrund begrenzter Wahrnehmung schon pflegten, vertieften sie, indem sie nicht den Islam nochmals begutachteten, sondern die Vorurteile, die sie über den Islam hatten. Sie waren also nie Islamkritiker sondern Vorurteile-gegenüber-dem-Islam-Kritiker.
Islamkritik bedeutet sicher auch, die negativen Erscheinungen, die es in jeder Religion gibt, zu erwähnen. Aber eben auch Vorzüge und Ideale. Man muss begreifen, wie der Islam wurde, was er ist. Woher kommt er? Und dann ist da noch ein Problem: Islam ist nicht Islam. Vielehe? In Nigeria haben auch Christen mehrere Frauen. Türkische Moslems nicht. So islamspezifisch scheint dieser Aspekt also nicht zu sein. Die Sharia macht Leute zu Steinewerfern und erteilt Zins- und Spekulationsverbote für Geldhäuser. Frauen haben in vielen islamischen Ländern keine Lobby. Die Sharia regelt aber immerhin das Erbrecht im Sinne der Frauen. Gutes, Schlechtes, Durchwachsenes. Mit einigen Worten kann man diesem Gegenstand doch gar nicht gerecht werden. Sich einige Aspekte aus der Masse zu stochern, hat nichts mit Kritik zu tun. Man kann natürlich einen jeweiligen Aspekt der Kritik unterziehen. Aber dann ist es keine Islamkritik mehr, sondern zum Beispiel eine Kritik an der Verschleierung.
Literaturkritik bedeutet ja auch nicht, dass man seine persönliche Abneigung gegenüber einem Autoren walten lässt, wenn man sein Buch vor sich liegen hat. Man muss das Werk für sich sehen. Dazu die Rahmenbedingungen. Ich weiß, viele machen Literaturkritik aber genau so. Sie üben Rache und nicht Kritik. Und so ist es bei den Demonstranten zu Dresden. Sie kritisieren nicht im eigentlichen Sinne - sie üben sich in der Verkürzung des gesamten Phänomens. So hielten es ebenfalls diese Sachbuchautoren. Wer nicht ergebnisoffen an die Sache herangeht, ist kein Kritiker. Er ist Trommler, Propagandist und Ideologe. Jemand eben, der mit einem kurzsichtigen Auge erklären will, was Dreidimensionalität ist.
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Das Wort »Kritik« ist dem Griechischen entlehnt. Es bedeutet in seiner Urform so viel wie »unterscheiden« oder »trennen«. Diese beiden Verben meinen in diesem Falle aber mehr als ein bloßes Zerteilen. Sie lassen erahnen, dass jemand, der dem ursprünglichen Wortsinn nach Kritik übt, einen gewissen Gegenstand gründlich aus seiner Umwelt heraus löst, ihn von der Gesamtheit trennt, um ihn beleuchten zu können. Kritik ist also ein umfassender Prozess. Ein Beleuchten von allen Seiten. Für und Wider. Etwas, was man mit Akkuratesse macht, um den Gegenstand gerecht zu werden. Im alltäglichen Gebrauch haftet dem Wort »Kritik« mittlerweile etwas Negatives an. Allumfassende Beleuchtung nennt man heute eher »Check«. Die »Kritik« wird aber nach wie vor in der Philosophie benutzt und meint dort die »Fähigkeit der Beurteilung«. Wer aber etwas beurteilt, der muss vollumfänglich betrachten. Gutes von Schlechtem scheiden. Einzelne Komponenten des zu betrachtenden Gegenstandes voneinander abheben. Wer das nicht tut, kann gar nicht zu einer Beurteilung gelangen.
Islamkritisch also. Eine Wahrnehmung, die den Islam in seiner ganzen Komplexität aufgreift, pflegen die patriotischen Bürger des Abendlandes ganz sicher nicht. So wie die alten Herren in ihren neuen Büchern ja auch nicht in Gänze bei der Sache waren. Sie pickten sich nur das heraus, was das vorherige Bauchgefühl, mit dem sie vor dem Schreiben schwanger gingen, nochmals bestätigte. Vorurteile, die sie aufgrund begrenzter Wahrnehmung schon pflegten, vertieften sie, indem sie nicht den Islam nochmals begutachteten, sondern die Vorurteile, die sie über den Islam hatten. Sie waren also nie Islamkritiker sondern Vorurteile-gegenüber-dem-Islam-Kritiker.
Islamkritik bedeutet sicher auch, die negativen Erscheinungen, die es in jeder Religion gibt, zu erwähnen. Aber eben auch Vorzüge und Ideale. Man muss begreifen, wie der Islam wurde, was er ist. Woher kommt er? Und dann ist da noch ein Problem: Islam ist nicht Islam. Vielehe? In Nigeria haben auch Christen mehrere Frauen. Türkische Moslems nicht. So islamspezifisch scheint dieser Aspekt also nicht zu sein. Die Sharia macht Leute zu Steinewerfern und erteilt Zins- und Spekulationsverbote für Geldhäuser. Frauen haben in vielen islamischen Ländern keine Lobby. Die Sharia regelt aber immerhin das Erbrecht im Sinne der Frauen. Gutes, Schlechtes, Durchwachsenes. Mit einigen Worten kann man diesem Gegenstand doch gar nicht gerecht werden. Sich einige Aspekte aus der Masse zu stochern, hat nichts mit Kritik zu tun. Man kann natürlich einen jeweiligen Aspekt der Kritik unterziehen. Aber dann ist es keine Islamkritik mehr, sondern zum Beispiel eine Kritik an der Verschleierung.
Literaturkritik bedeutet ja auch nicht, dass man seine persönliche Abneigung gegenüber einem Autoren walten lässt, wenn man sein Buch vor sich liegen hat. Man muss das Werk für sich sehen. Dazu die Rahmenbedingungen. Ich weiß, viele machen Literaturkritik aber genau so. Sie üben Rache und nicht Kritik. Und so ist es bei den Demonstranten zu Dresden. Sie kritisieren nicht im eigentlichen Sinne - sie üben sich in der Verkürzung des gesamten Phänomens. So hielten es ebenfalls diese Sachbuchautoren. Wer nicht ergebnisoffen an die Sache herangeht, ist kein Kritiker. Er ist Trommler, Propagandist und Ideologe. Jemand eben, der mit einem kurzsichtigen Auge erklären will, was Dreidimensionalität ist.
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