Zivilcourage als Handlungstypus kann trainiert werden

WEIMAR. (fgw) Zivilcourage – die­sen Begriff füh­ren Politiker und auch Journalisten immer wie­der im Munde und for­dern bei Konflikten in der Gesellschaft gerne den „Normalbürger“ auf, Zivilcourage zu zei­gen. Aber was bedeu­tet eigent­lich die­ser Begriff? Zivilcourage heißt oft auch zu wider­spre­chen, sich gegen bestimmte, zum Teil gesell­schaft­lich akzep­tierte Werte und Handlungsmuster auf­zu­leh­nen.

von Isabel Zahn

theater der unterdrueckten 178x300 Zivilcourage als Handlungstypus kann trainiert werdenDoch wie kann das gesche­hen? Kritisch den­kende Menschen, egal wie jung oder wie alt, soll­ten des­halb gestärkt und ermu­tigt wer­den, sich ein­zu­mi­schen, zu han­deln und für huma­nis­ti­sche Wertvorstellungen ein­zu­tre­ten.

Zivilcourage ist hier­bei als Handlungstypus zu sehen, nicht als Persönlichkeitseigenschaft. Daher sollte bereits in der Schule die Fähigkeit zum Wahrnehmen und Eingreifen in Konfliktsituationen geför­dert wer­den und ent­spre­chende Verhaltensformen erprobt und reflek­tiert wer­den, abhän­gig vom situa­ti­ven Kontext, um die­ses Handeln auf spon­tane Situationen im Alltag zu über­tra­gen.

Es gilt, eine Kultur des Hinschauens und Einmischens zu ent­wi­ckeln, Denken und Handeln zu ver­knüp­fen und die­ses Handeln wie­derum zu reflek­tie­ren.

Eine kon­flikt­fä­hige Gesellschaft ist auch immer eine, die nicht ste­hen­bleibt, die zum Anspruch hat, sich wei­ter zu ver­bes­sern, darum strei­tet, wie wir zusam­men­le­ben wol­len und in der jeder an die­sem gesamt­ge­sell­schaft­li­chen Dialog teil­hat.

Wenn wir Strategien und Möglichkeiten ent­de­cken, Konflikte im klei­nen, im zwi­schen­mensch­li­chen Bereich fried­lich zu lösen, befä­higt uns das auch, diese Lösungen in grö­ße­ren Zusammenhängen anzu­wen­den. Zivilcourage kann trai­niert wer­den, auch mit­tels eines „Theaters der Unterdrückten”.

Was ist Zivilcouragetraining?

Zivilcourage, auch sozia­ler Mut genannt, bezeich­net ein öffent­li­ches Handeln, wel­ches sich an ide­el­len, huma­nen und demo­kra­ti­schen Werten ori­en­tiert und in Situationen gezeigt wird, in denen die Interessen oder die Integrität einer Person bedroht sind: Situationen wie rechte Gewalt, Rassismus aber auch Formen nicht-körperlicher Gewalt.

Es geht darum, die Meinungsfreiheit zu ver­tei­di­gen, Widersprüche zu akzep­tie­ren und andere nicht zu dis­kri­mi­nie­ren. Zivilcourage oder auch sozia­ler Mut sollte in allen Lebensbereichen geför­dert und gelernt wer­den, ob in Schule, Berufsleben, öffent­li­chen Verkehrsmitteln oder in gro­ßen Organisationen oder Institutionen. Die Ohnmacht und Hilflosigkeit in man­chen Situationen hin­dert uns steu­ernd ein­zu­grei­fen, aber man kann Motivation und Qualifikation zum Eingreifen för­dern..

Was ist das “Theater der Unterdrückten”?

Die Technik des Theaters der Unterdrückten stammt von Augusto Boal, der in Brasilien in den 1950/60er Jahren ein päd­ago­gi­sches Theater ent­wi­ckelte.

Sein Ansatz ist es, dass Menschen sich selbst befä­hi­gen, gemein­sam ihre Gegenwart mit Bezug auf ihre Vergangenheit zu ana­ly­sie­ren und ihre Zukunft selbst zu erfin­den.

Unterdrücken ist nach Boal, Menschen das Recht auf die Teilnahme am gesamt­ge­sell­schaft­li­chen Dialog über unser Zusammenleben vor­zu­ent­hal­ten.

Ausgangspunkt sol­len die Erfahrungen des Individuums sein, das sich sei­ner Rolle inner­halb der Gesellschaft und des poli­ti­schen Systems bewusst wird. Es fin­det dabei ein stän­di­ger Wechsel zwi­schen Perspektiven, Reflexion und Aktion statt. Unterdrückungssitutionen wer­den dar­ge­stellt, unter­bro­chen, neue Handlungsalternativen wer­den erprobt.

Klassisches Theater wird umge­wan­delt in ein gemein­sa­mes Lernen auf glei­cher Augenhöhe. Die Subjekt-Objekt-Beziehung zwi­schen Schauspieler und Zuschauer, genauso wie die zwi­schen Lehrer und Belehrtem, soll in einen gemein­sa­men Dialog und in das gegen­sei­tige Lernen von­ein­an­der auf­ge­löst wer­den.

Um die aller­seits gefor­derte Zivilcourage zu zei­gen, lohnt es sich einen Ausflug in die Theaterpädagogik zu machen. Nicht vor­ge­fer­tigte Handlungsschemen zu über­neh­men, son­dern aus­zu­pro­bie­ren, Zivilcourage von und mit­ein­an­der zu ler­nen, Handlungsalternativen zu erfin­den, um selbst­be­wusst am Dialog der Gesellschaft teil­zu­neh­men und gewalt­freie, kon­struk­tive Lösungen von Konflikten zu fin­den.

Studenten haben an der Friedrich-Schiller-Universität Jena dazu einen Methodenordner für das Konflikttraining im Schulunterricht ent­wi­ckelt.

[Erstveröffentlichung: Freigeist Weimar]


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