Dass ein Leben ohne Angststörung nie vollkommen ohne Angst abläuft, wurde mir heute mal wieder gezeigt. Warum ich einen Anflug einer Panikattacke hatte, weshalb das jedoch nichts mit einer Angststörung zu tun hat und warum Du aus diesem Erlebnis einiges für Dich mitnehmen kannst. Das wollen wir nun besprechen.
Lies den Artikel bis zum Ende. Er wird Dir hoffentlich wichtige Erkenntnisse und Inspiration für Deinen Weg aus der Angststörung geben.
Der Kletterwald
Ich war heute im Kletterwald bzw. einem Hochseilgarten verabredet. Ich habe das vor einigen Jahren schon einmal gemacht und ich habe mich darauf gefreut. Letztlich sollte alles anders kommen als erwartet.
Im Kletterwald gibt es mehrere Parcours unterschiedlicher Schwierigkeitsgerade bei denen man sich von Plattform zu Plattform hangeln und dabei verschiedene Hindernisse überwinden muss und das in teils schwindelerregender Höhe.
Natürlich ist man dabei anständig gesichert und es sollte nichts schlimmeres dabei passieren. Wenn man abrutscht wird man sich dennoch einige Blessuren dabei holen. Ich wäre sicher nicht der erste gewesen, der sich einen Finger gebrochen, Schürfwunden oder fette Blutergüsse geholt hätte. Lebensgefährliche Verletzungen sind jedoch so gut wie ausgeschlossen.
Wir haben zunächst einen leichteren Parcours in etwa 4 Metern Höhe gewählt. Die Hindernisse waren nicht wirklich schwer zu bewältigen. Niemand tat sich ernsthaft weh und wir hatten Spaß.
Dann trauten wir uns an einen schwereren Parcours, auf dem es bis auf etwa 10 Meter hoch ging und da passierte es.
Höhenangst?
Ich habe die Höhe noch nie geliebt, würde jedoch keinesfalls von extremer Höhenangst sprechen. Vielmehr halte ich mich nur sehr sehr selten in großen Höhen auf und ungewohnte Situationen bereiten den meisten Menschen zumindest ein gewisses Unbehagen. Man könnte auch von gesundem Respekt vor nicht alltäglichen Aufgaben sprechen.
Es gibt viele Menschen, die weitaus mehr Angst vor Höhe haben als ich, aber sicher auch viele, denen das deutlich weniger ausmacht. Und doch war es nicht die Höhe allein, die mich zum Anflug einer Panikattacke trieb.
Selbst wenn man etwas Höhenangst hat, hat das übrigens wenig mit einer Angststörung zu tun. Eine Angststörung ist unter anderem dadurch gekennzeichnet, dass diese einen in seinem Leben einschränkt. Da ich kein Dachdecker oder Zimmermann bin und auch nicht bei der Bergwacht arbeite, trifft das auf mich nicht zu.
Und ich traue mich schließlich dennoch auf eine Seilbahn, eine Brücke oder den Eifelturm. Also überhaupt kein Problem.
Ein unüberwindbares Hindernis
Auf der vierten Plattform dieses Parcours kam ich plötzlich nicht mehr weiter. Ich war der erste unserer Truppe und ich wusste nicht, wie ich dieses Hindernis bewältigen konnte. Ein schlaffes Seil unter mir, ein strammes Seil über mir und etwa in Kniehöhe eine Stange, die über ein weiteres Seil am oberen, straffen Seil befestigt war.
Ich wusste einfach nicht, was zu tun war und zögerte. Ich schaute nach unten: Verdammt ist das hoch!
Die Höhe allein war es aber nicht, was mir den Angstschweiß auf die Stirn trieb. Plötzlich wurde mir bewusst, dass ich den Verkehr aufhielt. Die Leute auf den Plattformen hinter mir, warteten darauf, dass es weiter geht.
Was soll ich tun?
Ich konnte die anderen nicht einfach vorbeilassen. Das war durch die Sicherung unmöglich. Zurück konnte ich ebenfalls nicht und runter schon gar nicht.
Wie viele Plattformen habe ich noch vor mir? 5? 10? Und wie sollte ich dieses Hindernis bewältigen?
Ich konnte weder vor noch zurück. Die Situation war mir unangenehm. Ich war wie erstarrt. Der Blick nach unten machte mich schwindlig. Der Blick nach hinten auf die wartenden Menschen erzeugte Druck und doch wusste ich nicht, was zu tun ist und mittlerweile konzentrierte ich mich auch nicht mehr auf die vor mir liegende Aufgabe.
Ich wollte nur noch weg und spürte wie eine Panikattacke herankroch. Da sah ich eine Mitarbeiterin des Kletterwaldes, die am Boden entlangschlenderte.
„Hallo!“, rief ich. „Ich komme nicht weiter.“
„Soll ich Sie runterholen?“ fragte sie mich.
Ich zögerte und versuchte mich auf das Hindernis vor mir zu konzentrieren. Stattdessen sah ich die wartenden Blicke der anderen Leute vor meinem geistigen Auge.
„Wenn das möglich ist…“ antwortete ich.
Und so kam es, dass die Dame mich abseilen musste.
Ich schämte mich anschließend und war mit mir selbst unzufrieden. Ich beobachtete wie die anderen das Hindernis überwanden und ärgerte mich dabei maßlos.
Aufgeben war keine Option
Ich hätte schlecht gelaunt nach Hause fahren können. Ich wusste, dass es mein Leben nicht einschränken würde, wenn ich den Kletterwald fortan meiden würde. Ich wusste aber auch, dass ich es bereuen würde, es nicht noch einmal zu versuchen.
Zunächst meldeten sich Zweifel. Was, wenn ich wieder Hilfe rufen musste? Das wäre doch oberpeinlich!
Doch dann erinnerte ich mich an all die Dinge, dir ich Dir und den anderen auf meinem Blog, in meinen E-Mails und im persönlichen Coaching immer rate.
Wenn das so sein sollte, okay. Was gehen mich die anderen Leute an? Mir egal, was sie denken!
Und ich wollte mir nicht vorwerfen müssen, es nicht noch einmal versucht zu haben. Und ich fasste den Plan, mich immer nur auf das nächste Hindernis zu konzentrieren, statt auf den gesamten Weg, der vor mir lag.
Also offenbarte ich meinen Begleitern, dass ich es nochmal versuchen wollte und so nahm ich den Aufstieg erneut in Angriff.
Ich überwand ein Hindernis nach dem anderen. Zwischendurch überkam mich ein mulmiges Gefühl, doch ich sprach mir Mut zu.
„Du schaffst das! Du kannst das! Ein Schritt nach dem anderen!“
Und ich nahm das triumphierende Gefühl vorweg, es trotz Angst geschafft zu haben. Ich hatte vor Augen wie ich triumphierend die Arme in die Luft warf, nachdem ich diesen Parcours überwunden hatte.
Und so überwand ich Hindernis um Hindernis, ehe ich wieder festen Boden betrat.
Ich war unglaublich stolz auf mich und das möchte ich Dir mit auf den Weg geben.
Es spielt keine Rolle, wovor wir Angst haben. Selbst wenn Du vor einer alltäglichen Situation wie einem Supermarkt-, Kino oder Marktbesuch Angst hast, ob Du Dich vor dem Bahnfahren, einer Flugreise oder dem Autofahren fürchtest.
Wir alle beweisen Mut, wenn wir uns unserer Angst stellen. Es ist egal, ob Dich dabei Angstzustände oder Panikattacken plagen – Du beweist Mut, wenn Du Dich dazu durchringst. Wir können überhaupt nur dann mutig sein, wenn die Angst mit im Spiel ist.
Einer meiner Leser hat mir mal gesagt: „Der Felix Baumgartner springt aus der Stratosphäre und ich habe schon Angst, wenn ich das Haus nur verlasse.“
Ich entgegnete: „Und woher willst Du wissen, dass Du nicht mutiger bist, wenn Du bis zur nächsten Straßenecke gehst, als wenn der Baumgartner tausende von Metern in die Tiefe springt? Vielleicht fürchtest Du Dich davor viel mehr.“
Es ist keine Schande zu scheitern
Es ist keine Schande zu scheitern. Überhaupt nicht. Ganz und gar nicht.
Es ist nur dann ein Problem, wenn wir es nicht wieder versuchen, selbst wenn wir Angst davor haben, es wieder nicht zu schaffen.
Dann eben beim nächsten Mal. Oder übernächsten Mal. Oder beim 1.423. Versuch.
Egal, ob es für andere Leute unverständlich ist, sich vor einem Supermarktbesuch oder einer Bahnfahrt zu fürchten.Es spielt keine Rolle, ob andere Menschen das für mutig halten oder nicht.
Jedes Mal, wenn Du es wieder versuchst, jedes Mal, wenn Du Dich Deiner Angst stellst, beweist Du Mut.
Jedes einzelne verdammte Mal.
Das ist nicht angenehm. Das ist nicht einfach. Und doch ist es ein so ungemein befreiendes Gefühl, wenn wir es letztlich schaffen.
Und das wirst Du, solange Du nicht aufgibst. 1.000 Prozentig. Es muss so sein.
Und auch, wenn es nicht der einzige Faktor ist, um eine Angststörung hinter sich zu lassen. Es ist ein wichtiger Baustein, sich seinen Ängsten zu stellen, um diese schließlich zu überwinden.
Und ich? Ich bin müde und gleichzeitig stolz und glücklich.
Ein guter Tag.
Was meinst Du dazu? Nutze die Kommentarfunktion und vergiss nicht, Dich für mein E-Mail-Coaching anzumelden, wenn das nicht schon passiert ist. Klicke dazu hier.