Zensur – IGFM verleiht Medienpreis Menschenrechte im Iran

Zensur – IGFM verleiht Medienpreis Menschenrechte im Iran

14.12.2009Politik & Gesellschaft 

Laudator Gunars Reichenbachs hob den guten Draht von Stefan Buchen zu den Menschen im Iran hervor und lobte auch den leisen Humor mit dem das Thema zur Sprache gebracht wurde.

Zensur – IGFM verleiht Medienpreis Menschenrechte im Iran

Hanif Masrooie trägt ein grünes Armband als Ausdruck für seine Hoffnung auf freie Meinungsäußerung im Iran

Der Redakteur des Norddeutschen Rundfunks (NDR) erhielt am Donnesrtag den ersten Platz für seinen Film «Zensur im Iran - heimliche Sat-Schüsseln», wie die Internationale Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM) mitteilte. Iraner versuchen nicht erst seit den mutmaßlich gefälschten Wahlen im Juni 2009 die staatliche Zensur zu umgehen. Dabei gehen sie ungewöhnliche Wege – aus Kochtöpfen kann man auch Satelliten-Schüsseln bauen - und riskieren Kopf und Kragen von den Sicherheitskräften erwischt zu werden.

Mit dem Preis will die IGFM nach eigenen Angaben Journalisten und Autoren ehren, die sich in hervorragender Weise mit dem Thema Menschenrechte auseinandergesetzt haben. Um den mit 5000 Euro dotierten Preis hatten sich 112 Autoren und Filmemacher beworben. Die Beiträge wurden von einer Jury aus Medienexperten und Menschenrechtsaktivisten beurteilt.

Weitere Preisträger sind Oliver Ernst von der Konrad-Adenauer-Stiftung und Martin Zöller von der «Welt». Ein Sonderpreis für farsisprachige Medien ging an den iranischen Menschenrechtsaktivisten Hanif Mazrooie. Die Presse konnte sich ein Bild von ihm machen, da er sich vor kurzem dem Zugriff der Sicherheitsdienste entziehen konnte. Hanif Mazrooie ist die Flucht aus dem Iran gelungen, wo seine Kollegen von der verbotenen Zeitung Noruuz(Neujahr) alle inhaftiert wurden. Seine schwangere Frau musste er im Untergrund zurücklassen. Mazrooie ist ein bekannter Menschenrechtsjournalist. Er hat mit seinem Team die Anzahl der bei den Demonstrationen getöteten Iraner recherchiert und veröffentlicht. Dabei stellte sich heraus, dass die Zahl fünf mal so hoch war, wie die 20 offiziell zugegebenen Toten. 

Die Belastungen der Flucht und der gesamten Situation war ihm deutlich anzusehen als er den Preis entgegennahm. Mazrooie betonte, dass er den Preis für alle verhafteten Kollegen stellvertretend entgegen nehmen wolle.

Nach der Verleihung des Medienpreises, war die Presse eingeladen Vertretern von Gruppierungen, die im Iran Verfolgung und Vernichtung ausgesetzt sind, Gehör zu leihen. Christen (Pfarrerin Mahin Mousapour), Bahai (Peter Amsler) und Sufis(M. Azmayesh)machten auf die Gefahren, die von der Ideologie des Regimes im Iran ausgeht, aufmerksam. Dr.Mostafa Azmayesh, Vertreter des Nematollah Gonabadi Ordens, berichtete von den Angriffen gegen die Derwische im Iran. Derwische verstehen sich als Mystiker. Azmayesh hob hervor, dass es Derwische waren, die die erste Massendemonstration gegen ihre Verfolgung in Teheran abhielten. Schon am 21. Februar 2009 marschierten 60.000 Derwische auf das Parlament zu und brachen dadurch die Stimmung der Angst vor Repressionen, wenn man öffentlich für seine Rechte einsteht. Er wies darauf hin, dass radikale Gruppierungen im Hintergrund die nächsten Vorbereitungen treffen ein weiteres Sufi-Versammlungshaus zu zerstören und bat die Vertreter der Presse ihr Augenmerk auch auf die Angriffe des Regimes gegen Menschen, die keine Lobby haben, zu richten und dadurch den Druck auf die Machthaber im Iran zu verstärken. Nach seinen Aussagen bewegt die Aufmerksamkeit des Westens für Vorgänge im Iran das Regime dazu zurückhaltender mit ideologischen Säuberungen zu sein: “Die Vertreter dunkler Pläne mögen es nicht, wenn ihre absichten ans Licht der Öffentlichkeit gezerrt werden. Noch mehr fürchten sie ihre taten im Licht der Öffentlichkeit benannt zu sehen.” Im Iran herrscht eine Clique von Prinzipalisten, die eine politisierte Form eines engstirnig interpretierten schiitischen Islams als Weltrevolution exportieren will und um die absolute Macht im eignen Land kämpft.

Hanif Mazrooie bezog mit einem ins Deutsche übersetzten Statement Stellung zu den letzten Vorgängen im Iran. Wir veröffentlichen hier einen Auszug:

“Nach 170 Tagen, die ich im Untergrund gelebt habe, 170 Tagen in denen ich meine Identität verheimlicht habe, 170 Tagen, die die besten und zugleich schwierigsten Tage meines 30 jährigen Lebens waren, fällt es mir schwer mich in Gesellschaft so vieler Menschen aufzuhalten. Vor ca 170 Tagen habe ich mich mit einer Gruppe von Landsleuten getroffen, um eine bessere Zukunft für unser Land zu gestalten. Es war eine Gruppe entschlossener Jugendlicher, Männer und Frauen – doch wußte ich nicht, dass es meine letzte Begegnung mit ihnen sein würde. Wenn ich die Namen meiner Freunde, die jetzt in Gefängnissen sitzen aufzählen würde, müsste ich die gesamte Zeit hier in Anspruch nehmen. Ich schäme mich dafür, dass sie jetzt in Gefängnissen sind, weil sie sich friedlich für ihre freiheitlich demokratischen Forderungen eingesetzt haben und ich hier sitze. Für mich ist es eine Ehre Teil dieser Gruppe gewesen zu sein, die etwas bewegen wollte.

Noruuz ist eine reformorientierte Webseite. Meine Arbeit stellt einen kleinen Teil einer großen Gesamtheit dar. Ich habe versucht die Stimme des Volkes, das friedlich auf die Straßen gegangen ist und seine Meinung ausgedrückt hat, wiederzugeben. Mit unserer Arbeit haben wir auch versucht, das Verbrechen gegen unser Volk zu entlarven und die Vorgänge in Gefängnissen wie Khazirak, das als iranisches Guantanamo bekannt ist, auf zu zeigen. Wir haben versucht die blutigen Hände derjenigen, die unsere Jugendlichen auf der Straße und in den Gefängnissen ermordet und nachts heimlich begraben haben, auf zu zeigen. Wir haben versucht diejenigen zu benennen, die gegen die Stimme des Volkes sind und Menschen ohne Reue ermorden. Wir haben die Erinnerung an die Märtyrer der Freiheit, die man heimlich verscharrt hat, wach gehalten. Wir wollten nicht erlauben, dass die Mörder glauben, sie könnten freiheitsliebende Menschen heimlich erschießen. 

Wir haben versucht zu vermeiden, dass die Namen der mehr als 100 Märtyrer, die auf den Straßen Teherans und anderer Städte, unter Folter oder durch Erschiessungskommandos umgekommen sind, vergessen werden. Wir haben die Söhne und Töchter unseres Landes, die sich für Freiheit eingesetzt haben, gesucht, ihre Namen aufgeschrieben und wir haben das alles veröffentlicht.

Den Mördern und Putschisten haben wir gezeigt, dass wir noch da sind und weiter für unsere Ideale kämpfen. Wir sind noch da! Obwohl sie die Ermordeten zum Schweigen gebarcht haben, haben wir das Banner der Freiheit mit der grünen Bewegung hoch gehalten.

Aber ich bin hier nur ein kleiner Teil der Bewegung. Mein Name ist bekannt, weil ich als Chefredakteur Verantwortung für die Veröffentlichung dieser Vorgänge trage. Aber in Wirklichkeit ist das mit Hilfe aller meiner Mitarbeiter von Noruuz in einer äusserst schwierigen Zeit gelungen. Ich bin sehr traurig, dass meine Mitarbeiter jetzt im Gefängnis sitzen und ich will als ihr Vertreter diesen Preis entgegennehmen. In Wirklichkeit ist dieser Preis für diejenigen, die jetzt in Einzelhaft sitzen und auf eine Zeit der freien Meinungsäußerung im Iran hoffen.”

Sara Dekhordi, Vertreterin des Netzwerks junger Iraner aus Berlin und Saba Farzan, Soziologin und freie Autorin ergänzten am Nachmittag die Runde derer, die sich für Menschenrechte im Iran engagieren und wiesen auf die Kraft der Zivilgesellschaft im Iran hin.

Freilich stellt sich die Frage, was denn kommen wird, wenn das Regime stürzen sollte. Die Antwort auf diese Frage wird sicherlich noch einige Symposien brauchen, denn unter einem Dach – womöglich unter dem Dach der IGFM, wie Professor Menno Aden, Vorsitzender der IGFM, sich das wünscht - agieren die Protagonisten noch nicht. Zu groß die Gefahr vereinnahmt zu werden für ein unsichtbare Agenda anderer. Als Ayatollah Khomeini vor 30 Jahren an die Macht gehievt wurde, kam seine wahre Agenda auch erst ans Tageslicht, als er die Zügel in seinen Händen hatte.

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