Es ist an und für sich kaum zu glauben, was die Schmierenpresse den Bürgern seit Wochen und Monaten bezogen auf den HartzIV-Streit an Verlogenheit zumutet. Was damit gemeint ist, soll anhand eines ZEIT ONLINE – Artikels illustriert werden.
Da verbreitet ZEIT ONLINE am 08.01.2011 unter Anderem folgendes:
Schwarz-Gelb will das Arbeitslosengeld II rückwirkend ab Jahresanfang um fünf Euro auf 364 Euro erhöhen. Etwa 2,3 Millionen Kinder sollen zudem Zuschüsse zum Schulessen, für Nachhilfe und für Vereinsbeiträge bekommen. SPD und Grüne wollen unter anderem eine stärkere Anhebung des Arbeitslosengeldes II.
Die Dekadenz fängt schon damit an, dass es sich hier nicht um “Arbeitslosengeld” handelt, sondern vielmehr um die Grundsicherung für Arbeitssuchende nach dem zweiten Teil des Sozialgesetzbuches (SGB II). Es handelt sich, präziser ausgedrückt, um Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach § 20 Abs. 2 SGB II. Da geht es um den Regelsatz, auf den die Arbeitssuchenden nach dem Grundgesetz im Sinne des unabdingbar zu gewährenden EXISTENZMINIMUMS einen Anspruch haben. Oder anders ausgedrückt: Der Gesetzgeber ist aufgefordert und verpflichtet, das menschenwürdige Existenzminimum willkürfrei und transparent nach objektiven Kriterien zu berechnen und den Betroffenen zu gewähren!
Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil
BVerfG, 1 BvL 1/09 vom 9.2.2010, Absatz-Nr. (1 – 220)
im 1. Leitsatz folgendes ausgeführt:
Das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG sichert jedem Hilfebedürftigen diejenigen materiellen Voraussetzungen zu, die für seine physische Existenz und für ein Mindestmaß an Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben unerlässlich sind.
In den §§ 20 ff. SGB II sind die näheren Bestimmungen hierzu enthalten, um deren Fortschreibung es bei der derzeitigen Verhandlung im Vermittlungsausschuss des Bundestages geht.
Es geht also, wie ZEIT ONLINE es wiedergibt, nicht um Arbeitslosengeld, sondern es geht um das unabdingbar zu gewährende Existenzminimum zur Sicherung der physischen Existenz (Nahrung, Kleidung, Wohnen, medizinische Leistungen, …) und der Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben (=kulturelles Existenzminimum).
Was die JOURNAILLE weglässt, um die Bürger zu täuschen, ist, dass die eiskalte Ministerin von der Leyen (nach Sigmar Gabriel, SPD, in einer Bundestagsrede) das neu zu berechnende Existenzminimum mit allerlei Rechentricks grundgesetzwidrig (!!!) in der Gesetzesvorlage unterschritten hat.
Um einmal deutlich zu machen, mit welcher kriminellen Energie seitens UNION und FDP hier gearbeitet wurde, werden aus einer rechtsgutachtlichen Stellungnahme von Prof. Dr. jur. Münder (TU Berlin, Lehrstuhl für Sozialrecht und Zivilrecht) wesentliche Punkte (verkürzt aus Platzgründen; jeweils mit “Feststellung” hervorgehoben) wiedergegeben, die den vielfachen Verstoß gegen das Grundgesetz belegen bzw. nahelegen; nach Absicht UNION/FDP hebt der Autor dieses Artikels hervor, welche Konsequenzen sich daraus für den Regelsatz ergeben:
1. Unbegründete Veränderung der Referenzgruppe
Feststellung: In der Referenzgruppe sind jetzt nur die unteren 15 % der Einkommen berücksichtigt; vorher waren es die unteren 20 %. Fehlende Begründung.
Absicht UNION/FDP: Willkürliche Kürzung des Regelsatzes durch Manipulation der einbezogenen Haushalte.
2. BAFÖG-Empfänger und Asylanten-Haushalte
Feststellung: In der Referenzgruppe sind Personen / Haushalte von BAFÖG- Empfängern und Asylanten enthalten, die unterhalb der Sozialhilfeschwelle liegen. Enthalten sind auch Personen/Haushalte, die keine Anträge nach SGB II oder SGB XII oder nach dem WoGG gestellt haben (=verschämte Armut).
Absicht UNION/FDP: Durch die Einbeziehung von Personen / Haushalten unterhalb der Sozialhilfeschwelle wurde der Regelsatz grundgesetzwidrig ermittelt (vgl. Urteil vom 09.02.2010 unter Rn 169). Das BVerfG hatte auch aus diesen Gründen den bisherigen Regelsatz für grundgesetzwidrig erklärt! Mit anderen Worten: UNION und FDP haben sich geweigert, die Rechtsfortschreibung des BVerfG umzusetzen.
3. Ersatzlose Herausrechnung von Ausgaben
Feststellung: Nicht bedarfsrelevante Ausgaben für z. B. PKW und Mobiltelefone wurden herausgerechnet, ohne hierfür einen “bedarfsrelevanten” Ersatz, beispielsweise Fahrtkosten für den öffentlichen Nahverkehr, hereinzurechnen.
Absicht UNION/FDP: Willkürliche, völlig “systemfremde” Kürzung des Regelsatzes. Selbst dem “Statistik-Laien” hätte auffallen müssen, dass solch eine Vorgehensweise völlig falsch ist.
4. Nichtbegründung normativ vorgenommener Abschläge
Feststellung: Für eine Reihe von Ausgaben aus der EVS wurden Abschläge vorgenommen, weil aus Sicht der UNION und der FDP ein verbrauchsgünstigeres Verhalten möglich wäre. Allerdings wurde für dieses “verbrauchsgünstigere” Verhaltensweisen keine Beträge angesetzt! Beispiele für die Streichungen:
- Streichung “chemische Reinigung”, aber kein Ansatz für Waschen und Bügeln;
- Streichung “fremde Reparaturleistungen”, aber kein Ansatz für Neuausstattung mit Werkzeugen zur Selbsthilfe;
- Streichung Ausgaben für eigenen PKW, aber kein Ansatz für die Nutzung des öffentlichen Nahverkehrs;
- Streichung Ausgaben für Mobilfunk, aber kein Ansatz für das Festnetz;
- Streichung Leihgebühren für Fernseh- und Videogeräte, aber kein Ansatz für die Anschaffung eines Fernsehgerätes;
- Streichung von Ausgaben für Kantinen, aber kein Ansatz für erhöhten Energiebedarf und und den “häuslichen Warenwert;
- …
Absicht UNION/FDP: Willkürliche, völlig systemfremde Kürzung des Regelsatzes. Merke: Unbegründete Abschläge des Gesetzgebers sind klar grundgesetzwidrig (vgl. Urteil des BVerfG vom 09.02.2010 Rn 171). Ein weiterer wesentlicher Punkt ist, dass UNION/FDP für relativ kleine Gruppen aus der EVS-Gesamtheit “normative” Abzüge vorgenommen hat, z. B. Alkohol und Tabak, die (statistisch) systemfremd die Ausgaben für Lebensmittel der gesamten Gruppe herabdrücken. Auch diese Vorgehensweise ist klar “grundgesetzwidrig”, da bei der Ermittlung eines Pauschalansatz” (= durchschnittliches Verbrauchs-verhalten einer Gruppe) “Einzelkürzungen” völlig systemwidrig sind!
5. Regelstufe 2 und 3 (Ehegatten/Lebenspartner und Erwachsene ohne eigenen Haushalt, insbesondere “Kinder” zwischen 18 und 25 Jahren)
Feststellungen: Der Regelbedarf für Ehegatten / Lebenspartner wurde durch den Gesetzgeber auf 180 % festgelegt. Seit 1990 wurde nicht mehr überprüft, ob die Annahme überhaupt noch zutreffend ist.
Ob der Regelbedarf von 80 % des Regelsatzes für Erwachsene ohne eigenen Haushalt ausreichend ist, hat der Gesetzgeber nicht dargelegt. Er ist insofern seiner Pflicht zur Ermittlung, zur transparenten Darstellung und zur Begründung nicht nachgekommen.
Absicht UNION/FDP: Vermeidung der Überprüfung, damit weiterhin jeweils 10 % bzw. 20 % des Regelsatzes gekürzt werden können.
Anmerkungen: Vor dem Hintergrund, dass die “Regelsätze”, wie in den Punkten zuvor bereits erkennbar, viel zu niedrig angesetzt wurden, verschärft sich in der Realität der Trend zu “Single-Haushalten” in beiden Gruppen!
6. Regelbedarf für sonstige erwerbsfähige Angehörige der Bedarfsgemeinschaft (junge Erwachsene bis 25 Jahre)
Feststellungen: Der Regelsatz für junge Erwachsene wurde grundgesetzwidrig (287,00 Euro; siehe § 77 Abs. 4 Nr. 1 SGB II-E auch für “ungenehmigt” Ausgezogene unter 25 Jahren) festgelegt. “Grundgesetzwidrig” deshalb, weil der “junge Erwachsene” sein “Ausgabenverhalten” selbst steuern kann bzw. durch die Eltern nicht gesteuert werden kann.
Absicht UNIION/FDP: Den jungen Erwachsenen sollen ihre Rechte vorenthalten werden; sie sollen gezwungen werden, im Elternhaus zu verbleiben. “Junge Erwachsene” sollen nach Ansicht der UNION/FDP sich noch mehr einschränken können, als ihre Eltern. Der “junge Erwachsene” soll daran gehindert werden, aus dem Elternhaus auszuziehen und sein eigenes Leben zu gestalten.
Anmerkung: Das von Sigmar Gabriel (SPD) im Bundestag geprägte (zutreffende) Wort des eiskalten Engels = Ministerin von der Leyen (CDU) wird insbesondere auch bei der Behandlung junger Erwachsener und der Stigmatisierung der Kinder offenkundig.
7. Fehlende normative Entscheidung, welche Aufwendungen für ein menschenwürdiges Existenzminimum erforderlich sind
Feststellungen: Der Gesetzgeber hat kein schlüssiges Berechnungsverfahren vorgelegt, wie es das BVerfG in seiner Rechtsfortschreibung (siehe Urteil des BVerfG vom 09.02.2010 Rn 142, 173) fordert. In den Punkten 1. bis 6. wurden wesentliche Mängel und Bedenken genannt. Die Anwendung der Verbrauchsstichprobe (EVS) ist klar grundgesetzwidrig! Es fehlen insbesondere auch “nachvollziehbare” Begründungen für die Abschläge (vgl. Urteil des BVerfG vom 09.02.2010 Rn 171).
Absicht UNION/FDP: Die Regierungskoalition will die Rechtsfortschreibung des BVerfG ignorieren und hofft darauf, dass SPD und GRÜNE für faule Kompromisse beim Mindestlohn die klar grundgesetzwidrige Bemessung der Regelsätze akzeptieren, da beide Parteien in ihrer Regierungszeit selbst das Grundgesetz grob missachtet bzw. verletzt hatten. UNION/FDP setzen insoweit auf eine nach wie vor gespaltene SPD bezogen auf die HartzIV – Politik.
8. Leistungen für Kinder in den Altersstufe
Feststellungen: Die Festlegung des persönlichen Schulbedarfes ist nach wie vor grundgesetzwidrig. Bei dem persönlichen Schulbedarf handelt es sich aber nicht um „ergänzende“ Leistungen, wie es offensichtlich UNION/FDP sehen, sondern um substantiell notwendige Leistungen zur Sicherung des menschenwürdigen Existenzminimums.
Hinsichtlich der Freizeichnung des Sozialleistungsträgers für die Leistungserbringung und Gewährleistung bei den Bedarfen für Bildung und Teilhabe (3 29 ff. SGB II-E) bedarf es einer vertieften verfassungsrechtlichen Untersuchung, ob diese „Freizeichnung“ verfassungsrechtlich haltbar ist.
Absicht UNION/FDP: Die Leistungen grundsätzlich niedrig zu bemessen und “grundsätzlich” die Vorlage transparenter, nachvollziehbarer Berechnungen zu vermeiden.
9. Fortschreibung der Regelsätze
Feststellungen: Nach der bisherigen Regelung hätte die nächste Anpassung der Regelsätze am 01.07.2011 entsprechend der “Preissteigerungen” bzw. “Lohnveränderungen” stattfinden müssen. Jetzt will die Bundesregierung die Regelsätze erst am 01.01. des Jahres anpassen, so dass sich eine 6-monatige Verschiebung auf den 01.01.2012 einstellen würde. Die Absicht stößt bei Prof. Dr. Münder auf verfassungsrechtliche Bedenken!
Absicht UNION/FDP: Den Bedürftigen soll die längst überfällige Anpassung per 01.07.2011 verweigert werden.
Anmerkungen: Die Fortschreibung der Regelsätze soll mit 70 % auf der “Preisentwicklung” basieren und mit 30 % der “Lohnentwicklung” folgen.
Von dem Gutachter wird verkannt, dass es sich hier um die Ermittlung des unabdingbaren Existenzminimum handelt (= physisches Existenzminimum + kulturelles Existenzminimum). Eine Kopplung an die “Lohnentwicklung” ist mithin völlig wesensfremd. Das Existenzminimum ist bereits vom Wortsinn her eine absolute Untergrenze, die sich an dem Mindestbedarf orientiert. Läge beispielsweise die “Inflationsrate” für den relevanten “Warenkorb” bei 3 % und würde die “Nettolohnsumme” um 1 % sinken, weil beispielsweise der Niedriglohnsektor durch UNION und FDP gezielt ausgebaut wird, dann würde dadurch das Existenzminimum unterschritten, was klar grundgesetzwidrig wäre.
In Wirklichkeit soll die von UNION und FDP beabsichtige 30 %ige Kopplung an die Lohnentwicklung dazu führen, dass das Existenzminimum auf Sicht durch diese “statistische Methode” unterschritten wird. Denn durch beispielsweise höhere “Sozialabgaben” werden die “Nettolöhne” nur sehr niedrig ansteigen bzw. sogar sinken. Mit anderen Worten: Die Preissteigerungen werden nur teilweise berücksichtigt, so dass über diese Trickserei die Bedürftigen noch weiter verarmen sollen. Dabei soll verschleiert werden, dass immer mehr Arbeitnehmer in den Bereich der “Hungerlöhne” zukünftig gezwungen werden sollen.
Wer sich nach alldem die Berichterstattung der JOURNAILLE zu den HartzIV – Verhandlungen anschaut dem sollte klar geworden sein, wie falsch und sachfremd die Darstellungen sind.
Die JOURNAILLE setzt darauf, dass die BÜRGER die demokratiefeindlichen Absichten der UNION und der FDP und Teilen der SPD nicht bemerken.
Jeder Bürger sollte auch angesichts des fortgesetzten neoliberalen Wahnwitzes damit rechnen, dass einmal er selbst, seine Kinder oder seine Verwandten unter die HartzIV – Regelungen fallen.
Die Bundesregierung hat lediglich die Aufgabe, ein dem Grundgesetz und der Rechtsfortschreibung des BVerfG entsprechendes Existenzminimum willkürfrei und transparent zu berechnen. Dieser Aufgabenstellung ist UNION und FDP nicht nachgekommen. Beide Parteien haben sich geweigert, ein nach dem Grundgesetz gebotenenes, unabdingbares Existenzminimum zu berechnen!
Alleine deshalb sollte man die UNION und die FDP aus der Regierungsverantwortung in Bund und Ländern herauswählen!
Wer das Grundgesetz so grob missachtet, der gehört nicht in eine Regierung!
Jede andere Regierungskoalition wäre ein Segen für Deutschland und Europa und die Zukunft der Kinder.
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