Zeit, die Seele taumeln zu lassen
Wie ein VW-Käfer, der läuft und läuft und läuft, schafft es der amerikanische Songwriter Ryan Adams einem Uhrwerk gleich fast jedes Jahr, ein neues Album zu veröffentlichen – egal ob als Solokünstler oder mit einer seiner beiden Bands Whiskeytown oder The Cardinals. Der hohe Output der vergangenen Jahre machte die anfangs großartigen Rock-, Country- und Folksongs schnell ein wenig beliebig und austauschbar. Das Phänomen kennt man von all den Dingen, die man liebt und die es plötzlich im Überdruss gibt: Sie können noch so gut sein, sie verlieren einfach an Reiz.
Mit Ashes & Fire aber knüpft Ryan Adams an seine beiden besten Solowerke (Gold und Demolition) an, hatte er doch im vergangenen Jahr sogar einen Ausflug Richtung Heavy Metal (Orion) gemacht. Jetzt ist Adams wieder ganz bei sich und beeindruckt dabei vor allem mit stillen Songs wie Dirty Rain, Kindness, Come Home und Do I Wait. Neben Gitarre, Klavier, Orgel und Schlagzeug verlässt sich der 36-Jährige dabei vor allem auf seine Stimme und die Geschichten, die er wie vielleicht derzeit kein zweiter US-Folk-Rocker zu erzählen vermag.
Darin geht es noch immer um gebrochene Herzen, Einsamkeit, verlorene Sicherheiten und wiedergefunden Glauben. Das alles besingt Adams mit Inbrunst, Zartheit und Raffinesse. Beim Hören der elf Titel wird klar, dass hier einer der letzten Rockstars unserer Zeit Musik geschaffen hat, die bleiben wird.
Interpret: Ryan Adams
Album: Ashes & Fire
Plattenfirma: Smi Col (Sony Music)
Erscheinungsdatum: 7. Oktober 2011
Es gibt wenig gute Beispiele für genreübergreifende Musik, die House, Rave, Pop, Rap und Dubstep in sich vereint. Vor vier Jahren hat der britische Rapper Elliot John Gleave genau damit begonnen. Seitdem schafft er es, sich unter dem Künstlernamen Example einen immer größer werdenden Fankreis aufzubauen. Mit seinem neuen Album Playing In The Shadows hat Gleave in Großbritannien längst Platz Eins der Charts erreicht.
Das kommt nicht von Ungefähr: Mitunter erinnert er an Daft Punk, beweist dabei aber bessere Songwriterfähigkeiten und schreckt nicht davor zurück, den Zuhörer auf Albumlänge mit allem, was elektronische Musik ausmacht, überzeugen zu wollen. Das kann schnell überfordern – zumal sich die deutlich stärkeren Stücke (zum Beispiel The Way und Changed The Way You Kissed Me) auf der ersten Hälfte des Albums befinden. Schon der Opener Skies Don’t Lie überrascht mit sphärischem Glockenspiel, Bass, bedrohlicher Soundkulisse und Gleaves Rap-Part, bis irgendwann elektronische Gitarren einsetzen, die die Stimmung des Titels mit einem Mal in eine komplett andere Richtung drehen. Schon da zeigt sich: Example machen Musik für die tanzende Masse, die in Lichtgeflatter und Schattenspiel bis in die frühen Morgenstunden groovt und den Alltag hinter sich zu lassen versucht.
Der Example-Sound ist gewaltig, macht süchtig und ist – momentan zumindest – einzigartig. Der Kopf hinter dem Projekt, Elliot John Gleave, ist erst 29 Jahre alt, und wenn er es nicht übertreibt mit seinen nächtlichen Feiereskapaden, dann darf wohl davon ausgegangen werden: Da kommt noch viel Gutes.
Interpret: Example
Album: Playing In The Shadows
Plattenfirma: Vertigo Berlin (Universal)
Erscheinungsdatum: 7. Oktober 2011
Es gab schon einige alternative Pop- und Rockmusiker, die es gewagten haben, sich mit Klassik auseinanderzusetzen. Zuletzt der The Police-Übriggebliebene Sting, dem jetzt die amerikanische Songwriterin Tori Amos folgt. In einem schwarz-weißen Kleid und mit rotem, wallenden Haar leitet sie die Nacht der Jäger ein. Auf Night Of Hunters, ihrem neuen Album, wagt sei ein spannendes Experiment.
In den 14 traumwandlerisch-psychedelischen Stücken, die Amos hier unter anderem mit den Berliner Philharmonikern aufgenommen hat, wurde auch auf Musik von Johann Sebastian Bach, Franz Schubert und Claude Debussy zurückgegriffen. Das klingt nicht nur seltsam, das ist es auch. Und zwar seltsam schön, wie zum Beispiel Fearlessness beweist. Liebeslyrik beherrscht das Album – Herzschmerz, Fabelwesen und allerlei Geister kommen dabei nicht zu kurz. Tori Amos verwandelt sich dabei zur dunklen Zauberfee, spielt mit den Gefühlen der Zuhörer und reizt die Idee von Musik als Allheilmittel bis zum Gehtnichtmehr aus.
Das Geld für das Couchgespräch beim Psychologen kann man sich somit auch gleich sparen. Immerhin, von Tori Amos’ spannender Reise durch skurrile Traumlandschaften hat man nicht nur mehr, sondern auch bedeutend länger etwas. Und bezaubernder als jeder Hornbrillenträger ist sie außerdem.
Interpret: Tori Amos
Album: Night Of Hunters
Plattenfirma: Deutsche Grammophon (Universal)
Erscheinungsdatum: bereits erschienen
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Durchgehört – Zeit, die Seele taumeln zu lassen
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