Sabrina und Tammo fahren zu einem Biologie-Kongress in die Camargue. Hier entdecken sie ihre Liebe zueinander, haben aber ein abgrundtief schlechtes Gewissen ihren zu Hause gebliebenen Partnern gegenüber …
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Sabrina schloss die Tür auf und ging ins Bad, um den Regenschirm in die Dusche zu stellen. Das kühle, windige Regenwetter deprimierte sie. Fast vergass man, dass Sommer war. Vor dem Spiegel schüttelte sie die dunklen Locken zurecht. Mit ihren 28 Jahren sah Sabrina Eckert immer noch aus wie eine Studentin in den Anfangssemestern, dabei hatte sie vor kurzem als Biologin promoviert.
Sie öffnete die Tür zum Wohnzimmer. Hendrik sass in seinem Lieblingssessel und war in eine Fachzeitschrift vertieft. Der Abendbrottisch in der gemütlichen Sitzecke war gedeckt, und in der Vase auf dem Büffet stand ein Strauss rosa Nelken. Hendrik hatte sich ein für alle Mal, was Blumen betraf, für rosa Nelken und den Freitag entschieden. Etwas einfallslos, aber besser als gar keine Blumen, sagte sich Sabrina.
Er liess die Zeitschrift sinken und lächelte ihr zu: “Da bist du ja. Wie war der Tag im Institut?”
”Eine Woche für nichts”, seufzte sie. “Die Versuchsreihe ist endgültig schiefgelaufen.”
”Das kommt vor. Nächstes Mal wird’s besser klappen”, tröstete er sie etwas mechanisch.
”Und wie war’s bei dir?” erkundigte sie sich.
”Ach, das Übliche.” Hendrik war kein sehr mitteilsamer Mensch und schon gar nicht, wenn es um seine Arbeit als Mathematiker ging. Er stand auf und sagte: “Wir können essen. Ich muss nur noch den Aufschnitt aus der Küche holen.”
”Danke für die Blumen”, rief sie ihm nach und dachte wieder einmal, dass Hendrik zwar kleine Fehler, aber auch viele Qualitäten hatte. Er war intelligent, treu, verantwortungsbewusst, hilfsbereit. Und so ruhig, dass es fast unmöglich war, mit ihm zu streiten. Darüber hinaus war er gross, schlank, elegant und blond. Genau der Typ Mann, für den sie immer geschwärmt hatte. Zu Anfang hatte sie es nicht fassen können, dass er sich für sie interessierte. Er sprach jetzt auch von Heirat, und sie hatten sich einige Grundstücke angesehen, weil Hendrik so schnell wie möglich bauen wollte. Ein Haus, hatte er Sabrina erklärt, war die beste Geldanlage.
Nun kam er mit der Aufschnittplatte zurück, stellte sie auf den Tisch und sagte: “Du glaubst nicht, wie ich mich auf ein ruhiges Wochenende freue! Diesmal haben wir nichts Besonderes vor, oder?”
Sie lächelte ihm beruhigend zu: “Nein, nichts.” Das letzte Wochenende hatten sie Besuch gehabt, es war nur recht und billig, dass er diesmal zu seinem geliebten ruhigen Wochenende kam.
Nach dem Abendessen räumten sie zusammen die Küche auf und hatten es sich gerade bei einem Glas Wein gemütlich gemacht, als es klingelte.
”Wer ist denn das schon wieder?” seufzte Hendrik.
Sabrina ging in die Diele und drückte auf den Knopf der Sprechanlage: “Ja bitte?” fragte sie.
”Wir sind’s, Alice und Tammo”, war Tammos Stimme zu hören. “Ich habe eine wichtige Nachricht für dich, Sabrina. Mach’ auf!”
Spontan kam Sabrina seinem Wunsch nach. Kurz darauf standen die beiden vor ihr. Tammo war Agraringenieur, und Sabrina und er arbeiteten seit drei Monaten gemeinsam an einem Forschungsprojekt. Er war etwas kleiner als Hendrik, aber von kräftigerem Körperbau. Mit beiden Händen glättete er sein dichtes, vom Wind durcheinander gewehtes dunkles Haar. Seine Freundin Alice war sehr schlank und fast so gross wie er, trug aus diesem Grund fast immer flache Schuhe. Sie hatte ein feingeschnittenes, ovales Gesicht.
”Hoffentlich stören wir euch nicht”, entschuldigte sie sich sofort. “Ich habe Tammo gesagt, dass er lieber anrufen soll, aber er wollte nicht auf mich hören.”
”Natürlich stört ihr nicht”, erwiderte Sabrina und führte sie etwas beklommen ins Wohnzimmer.
”Es ist einfach zu schön und wichtig”, strahlte Tammo.
Hendrik war schon aufgestanden, begrüsste sie und schlug mit einer Selbstüberwindung, von der nur Sabrina wusste, was sie ihn kostete, vor: “Trinkt ihr ein Glas Wein mit uns?”
”Wirklich nur, wenn es euch nichts ausmacht”, sagte Alice unsicher.
”Nun setzt euch doch schon”, forderte Sabrina die beiden auf und holte zwei neue Gläser aus dem Schrank, die Hendrik mit einem tiefen, aber unhörbaren Seufzer und einem leidenden Blick in Sabrinas Richtung füllte.
Tammo prostete in die Runde und trank einen Schluck: “Hm, ausgezeichneter Wein!” Dann kam er zur Sache: “Ich bin gespannt, was du dazu sagst. Du warst gerade gegangen, da kam Professor Wegener ins Labor. Sabrina, wir beide sollen an einem Kongress teilnehmen, der in zwei Wochen in Arles in Südfrankreich stattfindet. Es geht um Naturschutzgebiete im Allgemeinen und die Camargue im Besonderen. Ist das nicht eine tolle Sache?”
Jetzt strahlte Sabrina: “Die Camargue? Das ist ja fabelhaft! Wie lange soll der Kongress denn dauern?”
”Vier Tage, von Dienstag bis Freitag, aber wir können das Wochenende dranhängen, um eigene Entdeckungsfahrten zu machen. Wir brauchen erst am Dienstag nach Kongressende wieder im Institut zu sein. Ich schlage vor, dass wir im eigenen Wagen fahren, um an Ort und Stelle beweglicher zu sein.”
Sabrina wandte sich erwartungsvoll an Hendrik und Alice: “Könntet ihr nicht mitkommen?”
Alice, die in einem Reisebüro arbeitete, schüttelte den Kopf: “Tammo und ich haben gerade Urlaub gemacht. So schnell bekomme ich keinen neuen.”
”Du weisst doch, dass ich keine Hitze vertrage”, wandte Hendrik seinerseits mit leisem Vorwurf in in der Stimme ein. “Ausserdem gibt’s eine Menge Mücken in der Camargue, und ich bin allergisch gegen Mückenstiche. Du hast doch meinen Arm neulich gesehen, ich musste sogar zum Arzt! Und was sollen wir denn machen, während ihr am Kongress teilnehmt? Ganz zu schweigen von meiner Arbeit hier.”
”In dem Fall kommen wir natürlich schon am Wochenende zurück, nicht wahr, Tammo?” Sabrina hoffte, dass es nicht zu enttäuscht klang.
”Aber warum denn?” erwiderte Hendrik. “Du brauchst dir keine Sorgen zu machen, ich komme gut allein zurecht.”
”Ich finde auch, dass ihr die Gelegenheit nutzen solltet”, meinte Alice in ihrer besonnenen Art. Es lohnt wirklich, die Camargue besser kennenzulernen.” Sie stellte ihr leeres Weinglas auf den Tisch zurück, stand auf und drängte zum Aufbruch: “Komm, Tammo, wir sollten die beiden jetzt allein lassen.”
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In Arles war es tatsächlich sehr heiss, aber Sabrina und Tammo, die in einem alten, schmalbrüstigen Hotel ganz in der Nähe der antiken Arena untergebracht waren, fühlten sich pudelwohl. Vier Tage wechselten Vorträge und Besichtigungsfahrten miteinander ab, und zum Abschluss gab es einen Cocktail mit einer Rede des Bürgermeisters.
Am nächsten Morgen, dem Samstag, waren Sabrina und Tammo in aller Frühe wach. Sie frühstückten ausgiebig, kauften Proviant für den Tag ein und fuhren zum ersten Mal auf eigene Faust in die Camargue. Sie fühlten sich herrlich frei wie Kinder, die die Schule schwänzten, und sangen laut ein französisches Lied, das sie von den Kindern des Hotelbesitzers gelernt hatten. Hendrik, dachte Sabrina flüchtig, würde missbilligend den Kopf schütteln.
Bald lag der Vaccarès-See wie ein kleines Meer vor ihnen. Sie hielten an und stiegen aus. Eine Gruppe Stockenten schwamm durch das Schilf am Ufer, und ein wenig weiter stakten einige Purpurreiher durch das flache Wasser. Sabrina und Tammo sahen sich lächelnd an. Was die Natur betraf, verstanden sie sich ohne Worte.
Eine Stunde später, nachdem sie noch Schnepfen und Wasserrallen beobachtet hatten, fuhren sie langsam weiter. Sie sangen nicht mehr. Der fruchtbare, landwirtschaftlich genutzte nördliche Teil des Rhône-Deltas hatte der herben Landschaft der Salzsümpfe Platz gemacht. Hier wuchsen Tamarisken, die kugeligen Büsche des Quellers, Binsen und hartes Gras. Irgendwo am dunstigen Horizont trafen Wasser und Land mit dem Himmel zusammen.
”Sieh mal, Stiere”, sagte Sabrina plötzlich mit angehaltenem Atem.
Sie fuhren so nah wie möglich an die Herde heran, dann stiegen sie aus, um im Schutz des Windschattens die mächtigen schwarzen Tiere mit den lyraförmigen Hörnern zu beobachten. Eine paar weisse, stämmige Camarguepferde grasten mit ihnen. Kein Mensch, kein Haus.
”Das Paradies auf Erden”, flüsterte Sabrina andächtig.
”Ein Paradies mit vielen Mücken und Fliegen”, gab Tammo grinsend zurück, aber man sah ihm an, dass auch er beeindruckt war.
Sie wussten nicht, wie lange sie dort in ihre Betrachtung versunken dagestanden hatten. Ab und zu drang das Schnaufen eines Stiers zu ihnen hinüber, oder eines der Pferde setzte zu einem kurzen, übermütigen Galopp durch das flache Wasser an, wobei die hoch aufstiebenden Tropfen wie Diamanten in der Sonne funkelten.
Schliesslich merkten sie, dass sie Hunger hatten, setzten sich in den Schatten einer Tamariske und liessen sich das knusprige Baguette mit luftgetrocknetem Schinken und Käse schmecken. Dazu tranken sie Mineralwasser aus der Flasche, weil sie vergessen hatten, Becher einzupacken. Das Wasser war warm, aber das machte ihnen nichts aus.
Tammo schlug nach einer Mücke.
”Hier, reib’ dich noch mit ein bisschen Zitronenöl ein”, empfahl er Sabrina und reichte ihr das Fläschchen, das sie auf Anraten ihrer französischen Kollegen gleich zu Anfang ihres Aufenthaltes in Arles erstanden hatten. Aber selbst der durchdringende Zitronengeruch, den sie beide verbreiteten, schien die ausgehungerten Mücken nicht allzu sehr abzuschrecken.
Sie machten dann einen langen Spaziergang, indem sie einen vorsichtigen Bogen um die Stiere und Pferde machten. Als sie schliesslich am Wagen zurück waren, war es Abend geworden, und der Himmel begann zu glühen. Wie ein orangefarbener Feuerball ging die Sonne unter.
”Es wird wohl Zeit, dass wir nach Arles zurückfahren”, meinte Tammo mit leisem Bedauern in der Stimme.
Diesmal setzte Sabrina sich ans Steuer. Nachdem sie gewendet hatte und eine kleine Strecke gefahren war, kam sie an eine Gabelung. Sie merkte erst, dass sie die falsche Richtung eingeschlagen hatte, als die ohnehin schon schmale Strasse zu einem noch schmaleren Damm wurde. Sie war sicher, dass sie auf der Hinfahrt nicht hier vorbeigekommen waren. Es war dunkel geworden, und die Scheinwerfer des Wagens spiegelten sich rechts und links im Wasser wider.
”Wie sind falsch”, teilte sie Tammo etwas kleinlaut mit, “aber ich muss weiterfahren, bis ich Platz genug zum Wenden habe.”
Schliesslich kamen sie wieder auf festes Land, aber plötzlich hörte die Strasse auf.
Tammo stieg aus und untersuchte den Boden: “Es ist trocken hier”, sagte er. “Wir befinden uns auf einer kleinen Erhebung.” Er sah Sabrina an und fuhr fort: “Im Wagen liegen zwei Decken. Was meinst du, wollen wir hier übernachten, um morgen früh die Vögel zu beobachten?”
”Gute Idee”, stimmte sie sofort begeistert zu.
Nachdem sie im Licht der Scheinwerfer zu Abend gegessen und sich noch einmal gründlich mit Zitronenöl eingerieben hatten, wickelten sie sich fest in ihre Decken ein. Keiner von ihnen wollte im Wagen schlafen.
”Hoffentlich geht es Alice und Hendrik gut”, meinte Sabrina schläfrig und fügte mit schlechtem Gewissen hinzu: “Wie hätten vielleicht noch mal von uns hören lassen sollen?” Sie hatten nur einmal telefoniert, um Bescheid zu sagen, dass sie gut angekommen waren.
”Hier würde es ihnen auf alle Fälle schlechter gehen”, grinste Tammo. “Und sie hätten ja auch mal anrufen können.” Er versuchte sich vorzustellen, wie Alice hier unter freiem Himmel schlief. Undenkbar. Für Alice gab es nur eine Möglichkeit, Urlaub zu machen: im Hotel. Mit allem Komfort.
Sabrina gähnte herzhaft, und einige Augenblicke später war sie fest eingeschlafen …
Als sie aufwachte, dämmerte schon der Morgen. Sie brauchte einen Augenblick, ehe ihr einfiel, wo sie sich befand. Sie drehte sich nach Tammo um. Er sass nicht weit von ihr da und sah über das Wasser. Sie schälte sich nun ebenfalls aus ihrer Decke, setzte sich stumm neben ihn und umschlang ihre Knie mit den Armen.
Ganz langsam wurde im Osten der Himmel immer heller. Noch lag ein Dunstschleier über Land und Wasser, aber plötzlich brach die Sonne durch. Sie wurde von einem vielstimmigen Vogelkonzert begrüsst, und in einem Rauschen von Hunderten von Flügeln erhob sich eine rosarote Wolke über dem See. Die legendären Flamingos der Camargue. Sie flogen der Sonne entgegen, bis sie eins zu werden schienen mit ihr.
Sabrina und Tammo verfolgten mit angehaltenem Atem das unsagbar schöne Naturschauspiel. In ihrem Bedürfnis, dieses Erlebnis miteinander zu teilen, rückten sie immer dichter aneinander, bis sie sich schliesslich berührten. Immer noch stumm wandte Tammo ihr sein Gesicht zu. Ihre Blicke versanken ineinander, und Sabrina fühlte plötzlich einen heftigen, süssen Stich. Da umschlossen Tammos Hände schon ihr Gesicht, und sein Mund näherte sich dem ihren. Sein Kuss war voll Verlangen und doch unglaublich zart. Sie liessen sich ins taufeuchte Gras gleiten, und dort liebten sie sich, eins mit der Natur, den Vogelrufen, dem Höhenflug der Flamingos, den Stieren und den weissen Pferden, die auf ihren Weiden erwachten. Nie zuvor hatte Sabrina einen solchen Sinnesrausch erlebt, und nicht eine Sekunde stellte sich die Frage nach Gut und Böse. Nicht in diesem Augenblick.
Erst später, als Tammo gewendet hatte und sie sich diesmal auf der richtigen Strasse nach Arles befanden, stöhnte sie: “Oh, Tammo, was haben wir bloss getan?”
Er sah angestrengt nach vorn und fragte leise: “Bereust du es?”
Sie rang die Hände auf ihrem Schoss: “Nein. Ja. Ich habe ein wahnsinnig schlechtes Gewissen Hendrik und Alice gegenüber.”
”Ich auch.” Sie schwiegen lange, dann fragte er dumpf: “Liebst du Hendrik?”
”Ich glaube, ich langweile mich mit ihm”, gab sie endlich zu. “Ich schäme mich, weil er es doch immer so gut meint. Siehst du, er bringt mit jede Woche einen Blumenstrauss mit, aber immer am Freitag Abend, und immer sind’s rosa Nelken. Alles mit ihm ist so vorausschaubar. Wir kennen uns erst seit einem Jahr, vor sechs Monaten sind wir zusammengezogen, aber wir leben schon wie ein altes Ehepaar. Wir sind auch so verschieden: Ich mag Gäste und Geselligkeit, für ihn gibt’s nichts Schöneres als ein ruhiges Wochenende zu Hause. Für die Ferien zieht er den Norden vor, ich mag den Süden lieber. Aber natürlich kann er nichts dazu. Er ist wirklich empfindlich gegen die Hitze. Ach Tammo, warum sag’ ich dir das alles? Ich komme mir so gemein vor!”
”Du bist nicht glücklich mit ihm”, fasste Tammo lakonisch zusammen, und nachdenklich fügte er hinzu: “Und ich glaube, ich bin es auch nicht mit Alice. Mit ihr hätte ich nie eine solche Nacht unter dem Sternenhimmel verbringen können.”
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Mittags waren sie wieder im Hotel zurück. Sie duschten und zogen sich um, dann assen sie zusammen zu Mittag, wobei sie sich nicht in die Augen sehen mochten.
Danach zogen sie sich zu einer Siesta in ihre Zimmer zurück. Sie hatten beschlossen, jeder für sich nachzudenken, aber kaum hatte Sabrina sich auf ihrem Bett ausgestreckt, fehlte Tammo ihr schon auf geradezu verzweifelte Weise. Als es etwas später leise an ihrer Tür kratzte, öffnete sie mit klopfendem Herzen.
”Verzeih”, sagte Tammo unglücklich, “aber ich musste dich einfach sehen. Darf ich hereinkommen?”
Sie nickte stumm, und er hob sie in seinen kräftigen Armen hoch und trug sie zum Bett zurück. Als er in sie eindrang, war ihr ganzer Körper nur noch ein Ruf, damit er ihn von der qualvollen und unendlich süssen Folter des Verlangens erlöste …
”Tammo, ach Tammo!” Tränen liefen ihr über die Wangen, die er jede einzelne fortküsste. “Ich wusste doch gar nicht, wie Liebe sein kann. Mit Hendrik … es ist so wie mit den Blumen. An einem bestimmten Tag in der Woche. Und das von Anfang an.”
”Alice macht sich auch nicht viel draus.”
”Bis jetzt dachte ich, dass das nebensächlich ist und dass man damit leben kann”, sagte sie kaum hörbar.
”Denkst du das immer noch?”
”Nein.”
”Ich kann auch nicht mehr so leben, Sabrina. Ich weiss jetzt, dass du die Frau meines Lebens bist. Sobald wir zurück sind, werden wir mit ihnen sprechen.”
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Als sie nach der langen Rückfahrt, auf der sie sich am Steuer abwechselten, vor Sabrinas Appartementhaus hielten, half Tammo der jungen Frau, ihre Reisetasche bis zum Fahrstuhl zu tragen: “Soll ich nicht doch mit hinaufkommen?” fragte er.
Sie schüttelte den Kopf: “Nein, Tammo, ich möchte lieber allein mit Hendrik sprechen.”
”Gut”, meinte er, “ich werde meinerseits mit Alice sprechen.” Bang sahen sie sich an. Sie wagten nicht, sich einen Kuss zu geben.
Sabrina schloss die Wohnungstür auf und stellte ihre Tasche ab. Sofort ging die Wohnzimmertür auf. “Da bist du ja”, sagte Hendrick. “War die Reise schön?”
Sie nickte. “Und hier? Ist alles gutgegangen?”
Er räusperte sich und sagte: “Ich war krank.”
”Du warst krank? Schlimm?” fragte sie erschrocken.
”Einen Tag, nachdem du fortgefahren warst, bekam ich eine ziemlich üble Sommergrippe. Ich fühlte mich schon ziemlich schlapp, als du anriefst, aber ich wollte dich nicht beunruhigen. Ich hatte dann mehrere Tage hohes Fieber, aber jetzt geht es schon besser.”
Sie folgte ihm ins Wohnzimmer. Beunruhigt stellte sie fest, dass er tatsächlich blass und mitgenommen aussah, und hatte ein doppelt schlechtes Gewissen.
”Wie bist du denn zurechtgekommen?” wollte sie wissen.
”Alice ist gekommen, um mich zu pflegen.” Er seufzte, fuhr sich ratlos durchs blonde Haar, was er sonst nie tat, und stiess gequält hervor: “Ich weiss wirklich nicht, wie ich es dir sagen soll, aber sie war da und brachte mir zu trinken und zu essen und kümmerte sich um mich. Vielleicht lag es auch daran, dass ich starkes Fieber hatte. Jedenfalls … es ist passiert, Sabrina. Vor zwei Tagen, und das Schlimmste ist, dass ich glücklich bin.”
”Ich glaube, ich habe ganz richtig verstanden”, unterbrach sie ihn rasch. Und dann erzählte sie ihm, wie es Tammo und ihr ergangen war.
Als sie geendet hatte, meinte er nachdenklich: “Wie beide passen wohl wirklich nicht so gut zusammen.”
”Weisst du, es ist ja besser, wenn wir es jetzt merken und die Konsequenzen ziehen.”
Sein Gesicht erhellte sich plötzlich: “Was meinst du, sollen wir die beiden anrufen? Dann könnten wir zu viert darüber sprechen.”
Sie ging ins Bad, während er telefonierte. Als sie zurückkam, machte er ein unglückliches Gesicht: “Jetzt hat Alice die Grippe”, meinte er bekümmert. “Ich habe sie angesteckt. Ich werde sofort hinfahren und nach ihr sehen.”
”Vielleich ist es besser, wenn Tammo und ich uns um sie kümmern? Du bist noch so schwach.”
Aber davon wollte er nichts wissen. Er packte erstaunlich rasch ein paar Sachen zusammen und verliess die Wohnung. Dabei sah er gleichzeitig besorgt und glücklich aus. Er hatte es so eilig, zu Alice zu kommen, dass Sabrinas Herz sich nun doch ein wenig zusammenzog. So verliebt hatte sie ihn selbst nie erlebt.
Aber eine halbe Stunde später stand Tammo in der Tür, und als er sie in die Arme nahm, gab es nur noch sie beide auf der Welt …
ENDE