Wow. Welch ein Rennen! Ich dachte ja nach der Cross-Triathlon WM in Zittau 2014, dass es nicht schlimmer kommen könnte, was Regen, Matsch und schwierige MTB-Strecken betrifft. Wie ich mich doch irren sollte! Es war für mich das härteste, nasseste und matschigste Rennen, das ich je erleben durfte. Eine einzige Wahnsinns-Sauerei.
Aber zurück: Die ETU hatte die Europameisterschaft für dieses Jahr ins beschauliche Vallée de Joux vergeben, einem ländlichen Kleinod im schweizerisch-französischen Grenzgebiet nahe Genf. In sanfte Jura-Hänge eingebettet auf 1000 Meter über NN liegen die zwei wunderschönen Bergseen Lac Brenet und Lac de Joux, welche die Wettkampfarena am Renntag bieten sollten.
Da ich – wie so oft dieses Jahr – beruflich noch viel um die Ohren hatte, konnte ich erst am Vortag anreisen und es reichte gerade noch, um mit dem Xterra Hall-of-Famer Nicolas Lebrun als Guide die MTB-Strecke abzufahren. Leichte Strecke? Irgendjemand hatte die Strecke als besonders leicht tituliert. Ich denke, das gehört momentan zum guten Ton innerhalb der Xterra-Familie, dass man jede Strecke, die leichter als eine XC-Weltcup-Strecke ist, als leicht bezeichnet. Meine Einschätzung: Schöne Strecke! Äußerst abwechslungsreich, ein ständiges Auf und Ab, andauernd wechselnder Untergrund, sehr hoher Singletrail-Anteil. Klar, es fehlten die Monster-Anstiege und -Abfahrten, aber sonst: Tip Top! Und so staubtrocken, wie sie sich präsentierte, sollte sie recht schnell sein.
Es reichte gerade noch zu einem Dip im eiskalten Lac Brenet (14°C), bevor die Wettkampfbesprechung begann und wir die Startunterlagen abholen durften. Damit war die Neo-Frage auch beantwortet. Ich war in einer Sportler-WG mit Christina, Marcelo, Tom & Freundin, Marco & Susanne. Unweit des Wettkampf-Zentrums mit tollem Blick von der Terasse auf den See und die umliegenden Berge. Gemeinsam gingen wir dann auch abendessen und da kam sie auch schon, die fette Gewitter-Zelle (siehe Bilder oben und unten). Es sollte noch ein ausgewachsener Gewitter-Sturm mitten in der Nacht kommen und das war es dann mit trockenen und schnellen Rad- und Laufstrecken. Nachdem dann am Renntag morgens die Junioren und die Xterra Light-Starter schon mal ordentlich die Strecke umgegraben hatten, war das Chaos perfekt. Das Rennen war mit 750 Startern ausgebucht und so durften wir uns dann später durch den knöcheltiefen Matsch graben.
Da der Xterra Switzerland teil der Xterra European Tour ist und dazu noch ein sogenanntes „Gold Level Race“ (15.000 $++ Preisgeld), war die ganze europäische Elite versammelt. Außerdem starteten einige Overseas Competitors wie Sam Osborne (NZ), Ben Allen (AUS), Bradley Weiss (RSA) und weitere. Das Feld war also insgesamt eines der best-besetzten, das ich je auf europäischem Boden gesehen habe. Allein über 60 Profis hatten gemeldet, dabei auch ein paar „Fachfremde“ wie die schweizer Langdistanz-Maschinen Ronnie Schildknecht (später 26.) und Ruedi Wild (DNF). Man sieht, dass sich die Xterra-Szene dermaßen emanzipiert hat, dass auch die Weltklasse der Straßen-Triathleten einfach überhaupt kein Land sieht – speziell natürlich in solch harten Bedingungen.
Bei uns M45ern war außer mir vor allem Marcelo zu nennen, der mir im vergangenen Jahr zum ersten Mal den deutschen Meistertitel streitig machte und dann auch in Maui Xterra Vizeweltmeister wurde. Toller Typ! Stark in allen drei Disziplinen – ohne eine Schwäche. Und dazu noch ein total sympathischer Kerl und WG-Mitbewohner. Es sollte also hoch hergehen.
Einer der Rennfavoriten, Roger Serrano aus Spanien, fuhr noch am Vortag die Strecke mit uns ab, meldete jedoch schon an, dass er vielleicht verletzungsbedingt das Rennen nicht zu Ende führen kann. So sollte es dann auch kommen.
Und dann war dieses Rennen der erste gemeinsame Auftritt unseres kleinen Triathlon-Team 4G, bestehend aus unserem Oldie Peter Naegeli (M60-64), meiner Wenigkeit (M45-49) und Martin Schädle (M30-34). Alle Drei sollten wir ein starkes Rennen abliefern und es auf’s jeweilige Podium schaffen, aber dazu weiter unten mehr.
Nachdem der Morgen des Renntages für den Xterra Light (0,5k – 13,5k – 5k) noch sonnig und perfekt war, sollten die Wolken pünktlich zum Start des Xterra Classic (1,5k – 36k – 10k) zumachen und kurz nach dem Schwimmstart im Lac Brenet fing es dann auch noch zu regnen an.
Der Seezugang war seitlich begrenzt und dank Meisterschaft hatten es alle mega-wichtig und es war ein wildes Gedrängel. Da ich mal wieder diesen Tick zu höflich war, stand ich ergo nur in der dritten Reihe und kam entsprechend schlecht beim Start weg. Das Schwimmen war in Ordnung, aber schon auf der langsamen Seite für meine Verhältnisse. So kassierte ich schon fast 3 Minuten auf Marcelo und Pete. Der See war klasse und der leicht zu navigierende Einrunden-Kurs machte Spaß.
Nach ordentlichem Wechsel auf mein geliebtes Scott Spark RC und ab die Post auf die tiefen, matschigen Kuhwiesen, die die ersten Kilometer ausmachten. Ein Wort zur Wahl der Ausrüstung: Beim Bike lag ich genau richtig: Was war ich froh, ein vollgefedertes Rad fahren zu dürfen – auf dieser Strecke (und dann noch dazu diesen Bedingungen) die definitiv beste Wahl. Überdies freute ich mich, dass ich neue Rocket Ron vorn und hinten aufgezogen hatte – natürlich Tubeless mit 1,8 bar gefahren. Die setzten sich nur ganz selten richtig mit Matsch zu und waren auch gleich wieder frei, sobald es etwas schneller dahin ging oder die nächste Pfütze die Reifen säuberte. Über ein weiteres Ausrüstungsdetail war ich sehr froh: Das wirklich hervorragende Ketten-Gleitmittel Dry Fluids, dass trotz der extremen Beanspruchung die Kette am Laufen hielt. Bei den Laufschuhen war es dagegen ein Griff ins Klo. Ich hätte die stärkste Waffe im Arsenal wählen sollen (Salming Elements), hatte dagegen aber leichtfertigerweise nur die Salming Race 3 eingepackt. So wurde der Laufpart zu einer einzigen Rutschpartie.
Trotz meiner wichtigsten Grundregel, zuerst einmal sicher zu fahren und sturzfrei das Ziel zu erreichen, gab ich ordentlich Gas und konnte insbesondere in der zweiten Runde noch einige Athleten überholen. Der extrem tiefe, kräftezehrende Kurs hinterliess bei den meisten Athleten früher oder später Spuren – insbesondere die Frauen litten offenbar überdurchschnittlich. Denn nach und nach überholte ich sie alle (bis auf die spätere Siegerin, Michelle Flipo aus Frankreich). Das ist eher unüblich bei der versammelten Weltelite (Jackie Slack (GBR), Renata Bucher (SUI), Brigitta Poor (HUN), Catina Wasle (AUT) – um nur einige zu nennen).
Schließlich folgte noch ein schöner Zweirunden-Laufkurs um den Lac Brenet mit einem eingebauten steilen Hardcore-Up-und-Downhill durch den Wald. Wieder abwechslungsreich, wieder hart. Trotz der wenigen Laufkilometer in diesem Jahr (350 km in 2016) lief es wider erwarten ganz ordentlich. In der ersten Runde war ich noch etwas allein, in der zweiten Runde konnte ich dann natürlich jede Menge hinter mir liegende Athleten auf deren erster Laufrunde überholen und zusätzlich noch ein paar direkte Konkurrenten. Das machte Spaß. Dummerweise setzte sich das Problem vom Biken fort: Ich konnte kaum noch aus den Augen gucken und die Augelider ließen sich dank getrockneter Schlammpackung auch nicht mehr bewegen. Selbst „Spülen“ an den Verpflegungsstellen schaffte keine Abhilfe. Und irgendwann befand ich mich dann auch auf den letzten Metern durch das Ried, entlang der Wechselzone auf dem Weg ins Ziel. Ich hatte alles gegeben, was an diesem Tag mit dem Training drin war und war zufrieden.
Das Bild gibt einen Eindruck der Bedingungen. Nur die Harten kommen in den Garten.
Im Ziel dann erstmal ein Wiedersehen mit meinem Dauerrivalen Guy Evans (GBR), der direkt vor mir die Ziellinie überquerte, aber seit diesem Jahr in der M50 startet. Wir freuten uns wieder wie die Kinder, einmal mehr unter harten Bedingungen so nah beineinander zu finishen. Danach ein erstes grobes Säubern im nahe gelegenen Bach. Bei der Zielverpflegung informiert mich Marcelo über Tom’s Missgeschick: Er hat irgendetwas so übel ins Auge gekriegt, dass er wohl seine Pupille gerissen hat und sofort in die Augenklinik nach Lausanne muss. Ich lasse also alles stehen und liegen und gehe hoch zum Haus, um Tom so schnell wie möglich auf den Weg zu kriegen. Außerdem bin ich froh über eine möglichst schnelle, möglichst heiße Dusche. Kaum ist Tom mit seiner Freundin unterwegs, kommt auch schon der Rettungshubschrauber. Neben den vielen Platten und Achtern in Laufrädern, konnten einige Athleten das Ziel nicht erreichen und es gab auch zahllose Stürze. Auch mich erwischte es in der zweiten Runde auf der steilen Grasabfahrt. Aber da war alles weich und rutschig und man kam im Grunde schneller ins Tal als im Sattel sitzend. Bis auf die Augen, die Tage später noch schmerzen und rot sind, ging bei mir nichts kaputt. Toi, toi, toi!
Ja und wir Drei vom Triathlon-Team 4G schafften es alle auf’s Podium. Pete & Martin jeweils auf Platz 1, ich dagegen nur auf Platz 3. Aber das kann sich bei einer Europameisterschaft ja alles sehen lassen. Ich war jedenfalls angesichts des Trainingsrückstands sehr überrascht und bin sehr dankbar, dass meine Beine auch bei so wenig Training noch keine Mucken machen.
Fazit: Ein wunderschönes Rennen in sensationell schöner Umgebung im schweizer Jura. Katastrophale Wetterbedingungen – aber dafür kann ja niemand etwas. Toller See, tolle Rad- und Laufstrecke. Schön, die ganze Cross-Triathlon-Familie wiederzusehen. Super Unterkunft nahe des Starts. Liebevoll organisiert, wenn man auch nicht vermuten würde, dass es sich um einen schweizer Wettkampf handelt. Der französische Einfluss scheint stark zu sein (schwache Website mit unzureichenden Informationen – nicht mal in Deutsch trotz multilingualer Schweiz, etwas lieblose Siegerehrung). Warum unser gesamtes M45-Siegerpodest ohne ETU-Medaillen nach Hause gehen muss und die ETU ihre Medaillen wieder mit nach Hause nehmen darf…dazu mehr in einem speziellen, brisanten Blogpost morgen mehr…😉
Race Stats:
- Wetter: Regen bei 19°C, Wasser 16°C
- Strecken: 1,5k Open Water Swim mit Neo – 36k Bike – 10k Trailrun
- Zeiten: 25:17 (Swim, 89.) – 1:12 (T1, 83.) – 2:00:53 (Bike, 78.) – 0:52 (T2, 44.) – 52:41 (Run, 59.) = 3:20:57 Gesamt
- Platzierung: 68. Platz overall (3. M45)
- Equipment: Zone3 Vanquish Wetsuit mit Zone3 Goggles, Scott Spark 700 RC Mountain Bike mit Scott Arx Plus Helm, Scott Radhandschuhen und Scott RC MTB-Schuhen, Salming Race 3 Laufschuhe, DTU Nationalmannschafts-Anzug
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