Wutbürger vor dem Rathaus

Eigentlich will ich nur einen Brief abgeben. Doch eine Frau, eine hübsche übrigens, stellt sich mir in den Weg.

“Darf ich Sie was fragen?!”

Sie darf. Es wäre etwas völlig anderes, wenn sie nicht so hübsch wäre. Dann schöbe ich sie beiseite. So aber, so hübsch optisch, lasse ich sie reden.

“Nicht die Fracht braucht die Nacht, sondern wir und unsere Kinder!”

Es gehe ihr um ein Nachtflugverbot, erfahre ich, und werde auch gleich mit dem zugehörigen Agitationsmaterial versorgt. Demnach werte das Umweltbundesamt den derzeitigen wissenschaftlichen Erkenntnisstand wie folgt:

“Für Herz- und Kreislauferkrankungen ist nachgewiesen: Im Vergleich zu Personen, die keinem Fluglärm ausgesetzt sind, steigt das Erkrankungsrisiko betroffener Personen mit zunehmender Fluglärmbelastung. Auch bei psychischen Erkrankungen findet sich ein relevanter Befund: Bei Frauen sind die Erkrankungsrisiken für Depressionen signifikant erhöht.”

Ich scanne den BUM-Text rasch, überlege kurz und finde sonderbar, dass ich immer wieder Flugzeuge fliegen sehe, die ich nicht höre. Wahrscheinlich fliegen ausgerechnet diese Flieger zu hoch für mein Empfinden.

Andererseits nerven mich – sicher auch “uns” und “unsere Kinder” – die bekloppten Leute aus dem Nachbarhaus. Wohl weil sie trunksüchtig sind und in den frühen Morgenstunde unseren Hof mit Bässen (soll wohl Musik sein) belärmen. Wie auch der Lärm der von-der-Disko-Kommer uns und unsere Kinder nervt, weil Heimgänger sich nun einmal früh auf der Straße noch anschreien. Immerhin sind sie es von der vorangegangenen Tanzveranstaltung so gewohnt. Und: Jedes startende Auto, jede vorbeifahrende Tram, jeder Bus macht deutlich mehr Lärm als die fliegenden Flieger, die ich im Übrigen nur bei schönem Wetter sehe.

“Lassen Sie bei der Gelegenheit auch Bässe mitverbieten?”, frage ich die Hübsche, “den Alkohol? Die schrillen Stimmen?”

Ein “Skypeverbot für Russinnen” denke ich mir heimlich aus, grinse dabei, und werde auch schon von der engagierten Wutbürgerin unterbrochen:

“Es geht doch um Demokratie!”

Ach so? Um Demokratie?

Offensichtlich geht mir ihre Wendung der Argumentationsstrategie zu schnell. Gucke daher fragend und – schwupps! – sehe ich mich auch schon von zahlreichen neuen Begrifflichkeiten umzingelt. Volksbegehren, Mitbestimmung, … , …

“Man kann sich doch nicht alles gefallen lassen!”

Ich sollte sie zurückholen, denke ich nun. Zurück, auf den Boden der Tatsachen.

“Im konkreten Fall geht es doch um Lärm, den ich nicht höre?”

Worauf sie so prompt gegenfragt:

“Sie interessieren sich wohl nicht für Politik?”

Klar interessiere ich mich für Politik.

Ich weiß zum Beispiel, wer und welche Partei die Wahlen am 28. Oktober 2012 in der geografischen Mitte Europas gewann. Kenne darüber hinaus verschiedene Modelle, die sich allesamt “demokratisch” nennen und bin GEGEN plebiszitäre Elemente, sollten diese sich in einer Gesellschaftsformation institutionalisieren wollen ~ komme aber leider nicht dazu, meine Meinung auszuführen. Der schrille Lärm einer weiblichen Stimme durchdringt unsere Ohren:

“Klara, lass den doch! Bei dem hat’s keinen Sinn! – Das-sieht-mor-doch.”

Ein solides Volksbegehren – finde ich jedenfalls – sollte meine Meinung aushalten können.


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