Wunderheiler auf dem TV-Sofa

Neulich habe ich über eine Frau berichtet, der es widerstrebt, sich mit ihren inneren Dämonen von Gram und Melancholie selbst zu lieben. Seither piesackt mich mein innerer Kritiker unablässig. Hier eine kleine Chorprobe aus dem Geplapper in meinem Kopf: „Du lässt die Leute glauben, du könntest Selbstliebe gegen belastende Gefühle injizieren. Man könnte meinen, seine inneren Dämonen zu umarmen, sei bei dir auf die Schnelle lernbar. Möchtest du für einen Wunderheiler gehalten werden?“

Nun, zum Guru eigne ich mich nicht und meine Karriere wird mich wohl kaum auf das TV-Sofa von Kurt Aeschbacher führen. Aber, einmal angenommen der Aeschbi lüde mich tatsächlich ein (ich weiss, das klingt dreist) und er fragte mich: „Herr Eigenmann, wie heilen Sie?“ Es kann also nicht schaden, wenn ich das Interview in Gedanken einmal durchspiele.

„Herr Aeschbacher, zu Ihrer Frage fällt mir ein Sprichwort ein: ‚Besser Handschuhe anziehen als über die Kälte schimpfen.’ Wir können uns darüber beklagen, wie und was wir sind (oder nicht sind). Wir können die Welt für ungerecht erklären und uns als Opfer sehen, zum Beispiel unserer Eltern, der Umstände, des Schicksals oder der Gesellschaft. Das ist ein probates Mittel, um die Verantwortung für sein Leben oder sein Wirken zu leugnen. Das meine ich überhaupt nicht zynisch, denn ich sage auch: Wer sich mit seinen unliebsamen und dunklen Seiten bewusst auseinandersetzt, der begegnet existenziellen Fragen. Zum Beispiel: Was kann ich mit meiner Macht, meinen Ressourcen oder meinem Einfluss ändern? Oder: Womit muss ich leben lernen und was brauche ich dazu? Oder: Wie beziehungsweise woran hindere ich mich?“

Einmal in Fahrt gekommen rede ich immer weiter. Da bemerke ich, wie Aeschbi verstohlen auf die Uhr schaut. Das irritiert mich, weshalb ich unterbreche und leicht gereizt frage: „Was ist?“ Er, ganz Profi, antwortet charmant: „Herr Eigenmann, das klingt alles ganz interessant.“ Nach einem knappen Atemzug fragt er mich dann: „Aber, wie heilen Sie denn nun wirklich? Bitte drücken Sie sich etwas prägnanter aus?“ Natürlich gerate ich unter Druck und Schamesröte steigt mir ins Gesicht. Findet er mich etwa ein Plauderi? Zum Glück bin ich vorbereitet. Entschlossen antworte ich mit einer Gegenfrage: „Was vermuten Sie, was haben eintausend Spitzenmanager in einer repräsentativen Umfrage am häufigsten auf die Frage geantwortet, was für sie das Wichtigste im Leben sei.“ Aeschbi überlegt kurz und meint dann: „Ähm, sagen Sie es uns.“

Jetzt kommt mein Moment. Ich lehne mich zurück, schlage die Beine übereinander und falte die Hände in meinem Schoss zusammen, ganz locker und lässig. Den Blick in die Kamera gerichtet, sage ich nicht ohne Pathos: „Die Liebe!“ Nach einer rhetorischen Kunstpause füge ich noch hinzu: „Meine Aufgabe besteht darin, die Menschen daran zu erinnern, dass Liebe heilt, und das beginnt bei der Liebe zu sich selbst. Daran ist nichts wundersam.“ So endet dann das Interview.

Wer sich nach bedingungsloser Liebe sehnt, ist herausgefordert, sich selber auch lieben zu lernen. Was halten Sie also davon, sich den Satz „Und ich liebe mich, inklusive meiner Dämonen“ zu schenken. Jetzt! Und grüssen Sie Aeschbi von mir, wenn Sie ihn treffen.


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