Wresłau – Self-Guided Tour im Schnellverfahren

Mein Herz ist noch in Breslau... Und diesem Gnom scheint das zu gefallen...

Mein Herz ist noch in Breslau... Und diesem Gnom scheint das zu gefallen...

Ein sonniger Tag

Ein sonniger Tag

Fast schon befürchtete ich, dass meine Gastgeber auch an meinem letzten Tag länger brauchten als ich Zeit hatte. Doch diesmal sollte sich der Vortag ironischerweise mit umgekehrten Vorzeichen wiederholen.

Schon früh wurde ich geweckt, es war gerade einmal kurz vor 9:00. Man sagte mir, ich müsse mich beeilen, sie hätten etwas vor. Den Wunsch nach einer Dusche genehmigte man mir – jedoch, nicht ohne anzufügen, dass sie wirklich nicht viel Zeit hätten und ich schnell machen müsse. Gegen Ende meines Säuberungsprozesses begann man, fast die Tür einzuschlagen. Dies sollte die Forderung von vorhin untermauern – nämlich die, dass ich mich verdammt nochmal zu beeilen habe, schließlich hätte man nicht den ganzen Tag Zeit.

Der Salzmarkt

Der Salzmarkt

Da ich Gast und somit dankbar für die Unterkunft war sparte ich mir den Kommentar, dass es doch irgendwie ironisch sei, dass ich gestern warten musste (3h) und sie heute (~1/2h) – beides Mal, wegen Duschen. Ich bedankte mich für alles und stieg bei der von ihnen genannten Station aus, die für mich irgendwie nach Jan-Pawla klang. Irgendwie bekannt, jedoch auch nicht zuordenbar. Als sich mein Blick auf die Tafel richtete begriff ich. Nicht Jan-Pawla-irgendwas – die Station hieß „Jana Paweła“ (Jan Paweł dekliniert) und war somit nach einem der „Lieblingspolen“ – Papst Johannes Paul II benannt.

Zweigeschossige Stiftskirche z. Hl. Kreuz u. St. Bartholomäus

Zweigeschossige Stiftskirche z. Hl. Kreuz u. St. Bartholomäus

Die Gassen am Rynek

Die Gassen am Rynek

Der Tag war sonnig und mild. Geradezu ideal für eine Stadtbesichtigung. Zuerst war der Hauptplatz (Rynek) dran, dessen farbige Häuserfassaden mehr als gestern leuchteten. Die Seitengassen in der Mitte des Platzes „versteckten“ fast eine eigene kleine Welt vor dem Betrachter und ich fragte mich, wie oft man wohl durchgehen müsse, um die rasterartigen Gässlein alle zu sehen. Mir war bewusst, dass ich nicht ewig Zeit habe und so beschloss ich einem Rat zu folgen, den mir ein Freund und Kollege gegeben hatte.

Wresłau – Self-Guided Tour im Schnellverfahren

Johannes Tiefenthaler, der derzeit seinen Gedenkdienst in Krakau leistet stand plötzlich neben mir. Auch er machte zu diesem Zeitpunkt gerade Urlaub – wir tauschten uns kurz aus und mit einem interessanten Tipp ging ich meines neuen Weges weiter. Fast alle Kirchtürme der Stadt sind zu besichtigen – und einen besonders interessanten sollte ich gleich betreten. Er befand sich südlich des Stadtzentrums und bot einen grandiosen Ausblick.

Ausblick auf den Hauptplatz

Ausblick auf den HauptplatzAusblick auf der anderen Seite

Trotz des Sonnenscheins war die Luft noch etwas kühl, was durch den starken Wind verstärkt wurde. Der Frühling sollte also noch ein bisserl Zeit brauchen.

Eine der vielen Möglichkeiten, die Oder zu übersetzen

Eine der vielen Möglichkeiten, die Oder zu übersetzen

Als nächstes wollte ich noch die Inseln sehen. Zumindest mehr als eine davon. Alle 12 wird man innerhalb eines halben Tages wahrscheinlich genausowenig durchbringen wie die 112 Brücken, die sie verbinden.

Die bekanntesten Inseln sind die Sand- und die Dominsel und diese erforschte ich zuerst.

Der Weg zur Brücke mit den Schlössern...

Der Weg zur Brücke mit den Schlössern...

Schlösser an der Brücke

Schlösser an der Brücke

Die Kirchen waren zwar für das sonst sehr katholische Polen recht wenig überladen, aber trotzdem recht interessant, ebenso wie die Brücken – eine dient wie es aussieht Liebenden, die sich hier mit einem Schloss verewigen konnten.

Ebenfalls verewigt wurden bestimmte Polen – hier allerdings nicht verliebte, sondern siegreiche im so genannten Panorama von Racławice. Dabei handelt es sich um ein Panorama-Gemälde, das die Schlacht von Racławice zeigt – einer Schlacht, in der sich die Polen gegen die potentiellen neuen Herrscher – das zaristische Russland aufgelehnt hatten und sogar siegreich daraus hervorgegangen sind. Nach der Schlacht war es zwar nur eine Frage der Zeit, bis die Russen die Polen unterwarfen, aber im kollektiven Gedächtnis war ein Sieg gegen den mehr als nur übermächtigen Gegner eingraviert. Das war mitunter ein Grund, warum dieses Kunstwerk während der Zeit des Kommunismus versteckt wurde… bzw. versteckt werden musste. Die Kunst sollte an diesem Tag noch eine weitere Rolle spielen, denn inzwischen war es schon fast 15:00 und um diese Zeit herum, sollte die Ausstellung von Béla Faragó stattfinden – die mein eigentlicher Grund für die Reise hierher war…

Wresłau – Self-Guided Tour im Schnellverfahren

Häuser vor der Synagoge "Zum Weißen Storch"

Wresłau – Self-Guided Tour im Schnellverfahren

Synagoge zum "Weißen Storch"

Die Ausstellung selbst möchte ich hier gar nicht zu sehr dokumentieren, dies sei kunstaffineren Menschen vorbehalten. Dennoch sollen auch Freunde meiner Artikel in den Genuss einer Art „Kunstkritik“ kommen.

An diesem Tag habe ich die Werke zum ersten Mal in echt gesehen und konnte mir aufgrund ihrer Aufstellung auch ein besseres Bild davon machen, wie die Zeichnungen des „kollektiven Todes“ „interagierten“. Es ist nicht die Kunst, die ich bei mir im Wohnzimmer aufhängen würde, aber dazu ist sie wahrscheinlich auch gar nicht geschaffen worden. Die Bilder dokumentieren nicht historisch sondern viel mehr… mir ist nicht bekannt, dass es ein passendes (/verständliches) Wort gibt, um dies zu beschreiben, daher versuche ich eine Umschreibung (speziell in den Künsten existieren Wörter, die für einen Laien zwar interessant klingen, aber im Endeffekt nutzlos sind): Die Bilder zeigen einen Schnappschuss der Geschichte in seiner zukünftigen -also noch nicht bestehenden- Form. Skelette, die wie Menschen handeln. Jede dieser „Aufnahmen“ ist umgeben von zwei Kriegsschauplätzen.

Belá Faragó mit dem deutschen Generalkonsul vor einem meiner

Belá Faragó mit dem deutschen Generalkonsul vor einem meiner "Lieblingsbilder"

Die Stimmung wird durch den getönten Hintergrund düster, was allem einen gewissen Reiz gibt. Unter Umständen könnte man die Werke nach einem Ursache-und-Wirkungs-Zeiger auffassen – aber dies ist – wie gesagt – nur die Interpretation eines Laien.

Appendix:

Warum sollten Österreicher auch Deutsche sein... und umgekehrt?

Warum sollten Österreicher auch Deutsche sein... und umgekehrt?

Aufgrund meiner Verantwortung im jüdischen Zentrum beschäftige ich mich auch immer wieder mit verschiedenen Themen, um auf etwaige Fragen vorbereitet zu sein. So habe ich mich vor einiger Zeit über den großdeutschen Nationalismus informiert und mir meine Gedanken dazu gemacht. Deutschnationale gehen ja davon aus, dass es sich bei Österreich um einen Sonderfall handelt – lt. ihnen sollte es den Staat Österreich gar nicht geben, sondern nur ein Deutschland.

Tatsächlich ist, wenn man die Situation rein von der Sprache vergleicht, Österreich das einzige Land Eurasiens, dessen Sprache mit der eines anderen Landes ident ist (auf Afrika, Amerika und Australien möchte ich hier nicht eingehen, da Staaten hier weniger aufgrund von Nationalität als wegen kolonialer oder politischer Gründe gebildet wurden – mit Singapur und Korea verhält es sich ähnlich wie mit Schweiz und Liechtenstein).

Dass Sprachverwandtschaft auch eine Art von Verwandtschaft ist, bemerke ich in meinem Alltag hier in Oswiecim und begann darüber zu philosophieren, was wirklich dran ist an der Deutsch-Österreichischen Nationalität. Sollte ich vielleicht im Ausland künftig auch deutsche Konsulate aufsuchen – um des Heimatgefühlswillen?

Als ich die Ausstellung in der Synagoge betrat, war gerade der deutsche Generalkonsul zugegen und Belá Faragó führte ihn durch die Galerie.

Spätestens jetzt kam die „Enttäuschung“ und der Verwurf meiner vorigen Gedanken. Der deutsche Konsul hatte überhaupt nichts „österreichisches“ an sich, wie ich es aus meinem Herkunftsland kannte.

„Er ist halt Diplomat“ – mag man einwerfen – doch habe ich im österreichischen Konsulat in Krakau und Budapest vorbeigeschaut und hatte auch Kontakt mit dortigen Persönlichkeiten. Das waren auch Diplomaten, aber sie vermittelten einem Auslandsösterreicher (wie mir) in den Wänden des Konsulats eine Art „Heimatgefühl“.

Man kann von Grenzlinien, die von Menschenhand gezogen wurden halten, was man will. Aber sie wirken.

Südtirol wird für kaum einen anderen Österreicher als für Tiroler etwas heimatartiges haben. Und Deutsche? Die sind zwar sprachverwandt, aber noch lange keine Österreicher. (Zudem: Wenn Österreicher Deutsche sind, sind dann auch slowenisch- oder ungarischsprachige Österreicher Deutsche?)

Hauptbahnhof von Breslau

Hauptbahnhof von Breslau

Polen war in der Geschichte öfter Hungersnöten ausgesetzt als Deutschland, daher kochte man im Notfall auch Kochutensilien - hier: Kochlöffel

Polen war in der Geschichte öfter Hungersnöten ausgesetzt als Deutschland, daher kochte man im Notfall auch Kochutensilien - hier: Kochlöffel


Filed under: Fotografien, Polska, Reiseinformation

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