Worauf wollen wir verzichten?


„…Es geht nicht darum, dass wir ein bisschen weniger die Umwelt belasten, ein bisschen weniger Auto fahren, ein bisschen weniger fliegen sollen.

Wollen wir einen katastrophalen Klimawandel abwenden (von den anderen Umweltproblemen ganz zu schweigen), müssen wir die Nutzung von Erdöl, Gas und Kohle mittelfristig reduzieren – nicht um 20 oder 30, sondern um 80, 90, 100 Prozent.

Öl, Gas und Kohle aber sind die Treiber unserer Wachstumswirtschaft. Seit es nennenswertes Wirtschaftswachstum gibt, basiert es auf dem zunehmenden Verbrauch fossiler Energieträger.

Wachsen wir also qualitativ: besser statt mehr konsumieren. Schön und gut. Nur kann nicht alles immer besser werden. Wie könnte Kopfsalat (bei zweiprozentigem Wachstum) in 35 Jahren doppelt, in 70 Jahren viermal so gut sein? Anderes, etwa Pflegearbeit, würde besser, wenn Pflegende mehr Zeit hätten – aber das würde die Arbeitsproduktivität senken und wäre damit das Gegenteil von Wachstum, wie es die meisten Ökonomen verstehen.

Man kommt also nicht drum herum: Eine Politik, die den ökologischen Herausforderungen gerecht werden soll, muss das Weniger thematisieren. Was wir brauchen, ist nicht mehr Energieeffizienz, sind nicht mehr Solarpanels und Windräder, mehr “umweltfreundliche Autos”. Sondern weniger Verbrauch. Das bedingt eine Politik der sogenannten Suffizienz.

Doch dem steht ein Totschlagargument entgegen: “Niemand will verzichten.” Und Verzicht erzwingen, das gehe in einer liberalen Gesellschaft schon gar nicht.

Mit Verlaub, das ist Unsinn! Die Gleichsetzung von Suffizienz mit Verzicht und von Wachstum mit Wohlstand ist falsch. “Wirtschaftswachstum” meint eine Steigerung des Bruttoinlandsprodukts (BIP). Das BIP misst, was gegen Geld umgesetzt wird, aber es ignoriert, was dabei verloren geht. Das ist, als würde ein Unternehmer einen Rekordgewinn verkünden, ohne in seiner Buchhaltung auszuweisen, dass er das Familiensilber verkauft hat.

Die Wachstumsgesellschaft kennt viele solcher Zwänge, die suffizientes Verhalten erschweren. Eine intelligente Politik will Suffizienz nicht erzwingen, sondern ermöglichen. Sie will nicht die Effizienz der Automotoren steigern, um mehr Verkehr aus weniger Erdöl herauszupressen, sondern sie erhöht die Effizienz des Systems, indem sie mehr Mobilität mit weniger Verkehr ermöglicht. Was in diesem Fall bedeutet: Sie bringt die Läden zurück zum Wohnort der Kunden, sie befreit den öffentlichen Raum vom Auto und überlässt ihn wieder den Menschen. Auch eine freiheitliche Politik muss Freiheiten einschränken, wenn die Freiheit des einen die des anderen vernichtet.

Eine progressive Wachstumsdebatte müsste also fragen: Worauf können wir verzichten, worauf wollen wir verzichten – und worauf gerade nicht? Sie stellte die politische Urfrage schlechthin: Wie wollen wir leben?..)

Quelle und gesamter Text: http://www.zeit.de/2014/15/schweiz-wirtschaft-wachstum-umwelt-verzicht


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