Wonne aus der Tonne: Das Parfüm der Dame in Schwarz
Hallo und willkommen zurück in den Untiefen der fantastischen Filmlandschaft!
Ich gebe es ehrlich zu: Eigentlich sollte an dieser Stelle nun ein anderer Film stehen, verknüpft mit einem Gewinnspiel zu eben diesem Film. Widrige Umstände zwingen uns nun zur kurzfristigen Umdisponierung und so tauschen die Plätze 4 und 5 in unserer Top 10 der Gialli aus der 2. Reihe. So flexibel muss man halt bleiben. Aber ich sage euch: Die Reihenfolge bei diesen beiden Filmen festzulegen, war ohnehin ein willkürlicher Akt. Beides sind Spitzen-Filme und persönliche Lieblinge. Einer muss den Anfang machen. Also heißt unser Platz 5 jetzt:
Das Parfüm der Dame in Schwarz
OT: Il Profumo della signora in nero, Italien, 1974, Regie: Franceso Barilli, Drehbuch: Francesco Barilli, Massimo D‘Avack, Darsteller: Mimsy Farmer, Maurizio Bonuglia, Mario Scaccia u.a.
Die junge Silvia Hacherman (Mimsy Farmer), Chemikerin von Beruf, hat es in letzter Zeit nicht leicht. Immer wieder plagen sie Albträume, in Spiegeln sieht sie die Reflektion einer mondänen Dame in Schwarz, die Parfüm aufträgt. Von ihrem Freund Roberto (Maurizio Bonuglia) zieht sie sich immer mehr zurück, der sie daher zunehmend für verrückt hält. Sie sperrt sich öfter in ihrem Apartment ein, wo sie aber auch keine Sicherheit findet. Einen Vertrauten findet sie in dem älteren Nachbarn Signore Rosetti (Mario Scaccia). Haben die Halluzinationen etwas mit dem mysteriösen Tod ihrer Mutter vor etlichen Jahren zu tun? Sind es überhaupt Halluzinationen?
Das Parfum der Dame in Schwarz ist ein paranoider, mysteriöser Psycho-Thriller der gegen Ende in einem unerwarteten und surrealen Horrorfinale gipfelt. Die Spuren von Roman Polanski, insbesondere Rosemaries Baby sind hier stark zu spüren. Der Exorzist feierte im Vorjahr einen riesen Erfolg und hier wollte man definitiv auf einen erfolgreichen Zug aufspringen, was leider nicht gelang. Der Film spielte moderat ein, wurde z.B. im deutschsprachigen Raum gar nicht erst ausgewertet. Damalige Kritiken waren schlecht, der Film bald in Vergessenheit.
Dabei kann Das Parfum der Dame in Schwarz durchaus eigene Akzente setzen. Genreüblich verfügt der Film über schöne Bilder, tolle Kamerarbeit, wundervolle Musik und auch die Besetzung überzeugt. Über die Jahre erfuhr der Film in Kennerkreisen eine positive Neubewertung und avancierte zum Geheimtipp. Und Anfang 2016 haben uns die Spezialisten von X-Rated einmal mehr mit einer HD-Abtastung und einer eigens angefertigten deutschen Synchronisation erfreut. Der Film erstrahlt wortwörtlich in neuem Licht. Es ist ein sauspannender, atmosphärischer und immens gut gespielter Streifen. Mimsy Farmer spielt ihre Rolle mit so viel Zerbrechlichkeit, dass man sie eigentlich am liebsten in den Arm nehmen und trösten möchte. Nur langsam entwickelt sich hier die Geschichte und das Grauen, aber das Ende sitzt. Versprochen.
Gerade das Ende wird sicher geteilt aufgenommen. Viele mögen sich daran stoßen, dass es „keinen Sinn macht“. Ich möchte an dieser Stelle gern aus dem Booklet-Text zur X-Rated Veröffentlichung von Christian Keßler zitieren: „Ist der Hauptteil des Filmes nicht schwer nachzuvollziehen, zieht uns das Finale den Boden unter den Füßen weg. (…) Es stößt uns vom sicheren Ufer direkt in den Schlund des Wahnsinns. Dabei ergibt der Schluss des Films durchaus Sinn. Es ist nur kein Sinn, den man in seinem eigenen Leben willkommen heißen möchte. Es ist die Logik des Albtraums, die hier regiert.“
Wärmste Wieder- und Neuentdeckungsempfehlung! Und beim nächsten Mal dann hoffentlich wie geplant, ein weiteres Meisterwerk, eine ganz besondere Wonne. Wir lesen uns. Bis dann!
Autor
Benedict ThillSchon als Kind sah er sich am liebsten heimlich Horrorfilme an und hat seitdem einen Schaden weg. Wenn er nicht gerade Schundfilme schaut, schreibt er Theaterstücke für Kinder und Jugendliche, die dann auch regelmäßig aufgeführt werden. Kein Scherz.
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