Wonne aus der Tonne: Darling
Nachdem wir kürzlich Mal mit Raw einen Blick in Richtung Arthouse geworfen haben, geht es auch in der diesmaligen Ausgabe äußerst artifiziell zu. Oben drein auch noch in schwarzweiß. Was für ein Fest für Kunstsnobs mit schlechtem Geschmack! Aber auch ein wenig aufgeschlossene Zuseher dürften ihre Freude haben.
Darling
OT: Darling, USA, 2015, Regie und Drehbuch: Mickey Keating, Darsteller: Lauren Ashley Carter, Brian Morvant, Sean Young
Eine junge Frau (Lauren Ashley Carter) wird von einer Upper-Class-Lady (Sean Young) als Haus-Sitterin in einem großen New Yorker Stadthaus angestellt. Es ist eines der ältesten Gebäude der Stadt heißt es, und angeblich spukt es. Ihre Vorgängerin sei verrückt geworden und vom Balkon in den Tod gesprungen. Mit dieser frohen Botschaft wird die junge Frau allein gelassen. Bald entdeckt sie eine geheime Tür, die fest verschlossen ist. Übers Telefon erfährt sie von ihrer Arbeitgeberin, dass das auch unbedingt so bleiben soll. Am Ende einer Einkaufstour begegnet die junge Frau einem Mann, der unangenehme Erinnerungen in ihr weckt. Sie lädt ihn auf einen Drink in das Appartement.
Darling von Mickey Keating ist mehr Trip als Film, mehr Kunst als narratives Kino. Der Film arbeitet mit rasanten Tempi-Wechseln. Lange statische Einstellungen wechseln sich mit raschen kurzen Schnitten und Überblendungen ab, meist begleitet von einer hysterischen Soundkulisse. Überhaupt wird das Unheil lange nur akustisch angekündigt. Kann man doch in Wahrheit zu Beginn kaum was Unheimliches feststellen, suggeriert der Sound von Anfang an, das Gegenteil. Trotz seines relativ hohen „Kunstanteils“ versteht es der Film mit gerade mal 78 Minuten Laufzeit voll in seinen Bann zu ziehen. Es wird zwar sparsam mit Gewalt umgegangen. Aber wenn sie dann mal kommt, dann umso heftiger. Narrativ wird der Film in 6 Kapitel unterteilt. Deren Titel wirken etwas willkürlich gewählt, erzeugen aber Spannung.
Der 1990 geborene Autor und Regisseur Mickey Keating ist ein echter Schnell-Filmer. In seinen gerade mal 5 aktiven Jahren im Filmgeschäft hat er ebenso viele Filme gedreht. Diese sind wohl alle – mal mehr, mal weniger – im Randbereich des Horrorfilms angesiedelt. Aber dennoch ganz verschieden. Auch die öffentliche Rezeption der einzelnen Werke fällt höchst unterschiedlich aus. Darling sticht in dieser Hinsicht besonders positiv hervor.
Der Film erinnert dabei in erster Linie ans Frühwerk Roman Polanskis, insbesondere dessen Ekel – und kann auch als direkte Hommage darauf verstanden werden. Die Hauptdarstellerin (und fast alleinige Protagonistin) Lauren Ashley Carter gibt eine faszinierende Performance. Ihre Reise in den Wahnsinn fängt Mickey Keating in wunderschöne schwarzweiß-Bilder ein. Am Schluss dürfte manch Zuseher die Stirn runzeln und sich fragen, was nun eigentlich Sache war. Es gibt mindestens zwei Wege den Film zu lesen. Vorgekaut wird einem nichts.
Darling ist ein vielschichtiger, formal großartiger, stilsicherer, schlussendlich auch verwirrender Film geworden. An alle, für die diese Schlüsselworte Anreiz und kein Ausschlusskriterium darstellen ist der Streifen eine echte Entdeckung und eine klare Empfehlung. Und Keating ist ein Regisseur, bei dem es durchaus lohnen dürfte, ihn im Auge zu behalten.
Jetzt reicht’s aber erstmal wieder mit der schöngeistigen Seite von Wonne aus der Tonne! Fürs nächste Mal verspreche ich euch die Rückkehr zum Schund. Bis dahin könnt ihr ja mal wieder ins Museum gehen. Und bleibt um Himmels Willen seltsam!
Autor
Benedict ThillSchon als Kind sah er sich am liebsten heimlich Horrorfilme an und hat seitdem einen Schaden weg. Wenn er nicht gerade Schundfilme schaut, schreibt er Theaterstücke für Kinder und Jugendliche, die dann auch regelmäßig aufgeführt werden. Kein Scherz.