Wohlfahrtsstaat: Frauen sind zu teuer

Im Zusammenhang mit dem Lamento über die fehlenden deutschen Kinder ist mir aufgefallen, dass derzeit auch auffällig viel über den ach so teuren Wohlfahrtsstaat gejammert wird, beispielsweise hier oder dort.

Die eiserne Bundeskanzelerine Ihro Austerität Merkel wird dabei gern mit einem absurden Vergleich zitiert: Europa stehe heute nur noch für sieben Prozent der Weltbevölkerung und 25 Prozent der globalen Wirtschaftsleistung – gleichzeitig entfielen 50 Prozent der weltweiten Sozialausgaben auf den Kontinent. Angesichts dieser Zahlen sei es „offensichtlich, dass Europa sehr hart arbeiten müsse um seinen Wohlstand und seine Lebensstil zu bewahren.“

Alte Frauen entdecken, dass sie um ihre Rente betrogen wurden.

Alte Frauen entdecken, dass sie um ihre Rente betrogen wurden.
(Vigelandsparken, Oslo)

Das klingt ein bisschen so, als müssten die armen Europäer für die Sozialleistungen der halben Welt aufkommen – was natürlich Unsinn ist. Tatsächlich bedeutet das, dass es in vielen Ländern erst gar keine Sozialleistungen gibt. Und das ist angesichts der Tatsache, dass die Welt einen globalisierten Kapitalismus erleidet, durchaus kein Fortschritt, sondern ein Elend. So müssen die Eltern ausgerechnet in sehr armen Ländern den Schulbesuch ihrer Kinder bezahlen – was natürlich dazu führt, dass viele arme Kinder keine Schulbildung erhalten. Auch die medizinische Versorgung muss ausgerechnet dort, wo viele Leute eh kein Geld haben, selbst bezahlt werden – entsprechend sterben arme Leute an Krankheiten, die man eigentlich heilen könnte. Wer keine Familie hat, die sich um ihn kümmern kann, wird besser nicht alt. Und wer sich nicht von internationalen Konzernen für einen Billigstlohn ausbeuten lassen will, der verhungert halt.

Offenbar halten unsere Bankenretter vom Dienst derartige Zustände für einen Fortschritt, weil kein Sozialstaat natürlich sehr viel billiger ist, als sich um kleine, arme, alte oder sonstwie nicht arbeitsfähige Menschen kümmern zu müssen. Wohlfahrtsstaat war eine Schnapsidee aus Wirtschaftswunderzeiten, als man den Sozialisten noch zeigen musste, wie nett der Kapitalismus doch sein kann, wenn er will. Jetzt haben sich die sozialistischen Staaten alle in Grund und Boden konkurrieren lassen und der Kapitalismus muss nicht mehr nett tun. Nur ein paar Ewiggestrige, die sich in sämtlichen Parteien finden, haben das noch nicht kapieren wollen.

Die allzeit bereite Propagandamaschine von der freien Medienfront hat das natürlich längst verstanden: Focus titelte bereits “Sparen oder Sterben – Merkel hat’s kapiert“. Das Gegenteil ist genauso richtig bzw. falsch: Wer spart, stirbt am Ende auch.

Aber der Punkt, auf den ich eigentlich hinaus wollte, ist ein anderer: Das derzeit als “Rundumbeglückungsstaat” denunzierte Sozialwesen wurde von den Regierenden ja nur deshalb eingerichtet, weil alles irgendwie am Geld hängt. Wenn man die Menschen zwingt, für ihren Lebensunterhalt gefälligst zu arbeiten, weil alles, was der Mensch zum Leben braucht, für Geld gekauft werden muss, dann muss man auch denen, die zwar arbeiten, aber kein Geld für ihre Arbeit kriegen, ein paar Almosen zustecken. Und das sind traditionell die Frauen: Die ziehen Kinder groß, kümmern sich um Kranke und Alte, schmeißen den Haushalt, stehen früher auf und gehen später ins Bett und bekommen unter Umständen nicht einmal Dank und Anerkennung, sondern Prügel dafür. Angesichts dieser Zustände sagen immer mehr Frauen “nein Danke” zu Kind und Familie und suchen sich lieber einen richtigen Job.

Deshalb hat ausgerechnet diese Regierung ein paar neue Almosen eingeführt, weil die Frauen ja eigentlich lieber daheim für lau arbeiten sollen. Etwa ein bisschen mehr Rente für Frauen, die Kinder bekommen und erzogen haben – davon können diese Frauen im Alter zwar keineswegs leben, aber dafür gibt es ja ergänzend eine mickrige Grundsicherung. Oder die Pflegeversicherung, die zwar auch nicht für den Pflegefall reicht, aber immerhin andeutet, dass erkannt wird, was Frauen bisher unentgeltlich geleistet haben – was sie bitte schön auch weiterhin tun sollen, nur dann halt für ein Taschengeld. Über die fatale Symbolkraft der Herdprämie muss ich mich nicht noch einmal auslassen.

Insgesamt mokieren die Wohlfahrtskritiker, die sich auch noch anmaßen, im Namen der jungen Generation zu sprechen, die ohnehin nach Strich und Faden verarscht wird, weil sie ja nicht nur die Renten der Alten, sondern auch deren Schulden und bitte schön auch noch die eigene Absicherung privat bezahlen soll, dass diese eher symbolischen Wohltaten, die vor allem ja den bisher extrem vernachlässigten (Haus-)Frauen zugute kommen sollen, ja irgendwie nett gemeint aber überflüssig sind. Es findet also mal wieder ein institutionalisiertes Frauen-Bashing statt, weil die Frauen einfach nicht mehr wie früher funktionieren wollen, als die Welt noch in Ordnung war. Die “Wohltaten” für die Frauen, die sich jetzt auch noch für Hausarbeit und das Kinderkriegen bezahlen lassen wollen, werden einfach zu teuer! Statt im Kindbett zu sterben wollen die auch noch Rente! Und dann leben die auch noch so unvernünftig gesund, dass sie viel länger Rente brauchen als die Männer! Da ist es ja nur fair, wenn die nicht zum Überleben reicht.

Je nach Rechnung wird am Ende mit dreistelligen Milliardenbeträgen operiert, die das wen auch immer am Ende koste, als ob sie einer von den Arschlöchern am Ende selbst bezahlen müsse. Wenn die Kosten tatsächlich so ein Problem sind, warum lassen die Politiker sich denn Banken- und Eurorettungen dermaßen viel kosten? Kosten scheinen in solchen Fällen überhaupt keine Rolle zu spielen! Ist doch bloß Geld. Wenn ihr wollt, dass die Frauen den Karren aus dem Dreck ziehen, dann müsst ihr sie halt dafür bezahlen – ihr habt die Welt so eingerichtet.

Natürlich könnte man das auch anders einrichten: Wenn die Menschen einfach ein Recht auf Wohnung, Nahrung, Bildung, Kleidung, Pflege und so weiter hätten, könnte man das auch ohne Geld organisieren. Dann würde das alles überhaupt nichts mehr kosten und alle hätten etwas davon. Ihr müsst bloß aufhören, irgendwelche Währungen oder Banken zu retten. Es ginge schon anders. Ganz ohne Geld.



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