Wird bald unsere Politik fiktional? Oder: Whistleblower als Garant der Fakten

Wird bald unsere Politik fiktional?  Oder: Whistleblower als Garant der Fakten
Unsere Dienste verwendeten die Software von der #NSA. Soweit, so gut. Oder schlecht. Jedenfalls bislang verheimlicht. Bestritten. Nun zähneknirschend zugegeben im Sinne eines Testens. Also einer vorübergehenden Implementierung ohne jede Gewähr auf Dauereinsatz. Ich warte nun auf den Moment, wo sie bestätigen müssen, dass sie sich sogar Mitarbeiter teilen. Oder sowas in der Art.
Mal ganz ehrlich: Wundern würde mich sowas wirklich nicht mehr.
Und wo ich es gerade niederschreibe: Ist der Zeitpunkt schon soweit, dass man seinen eigenen Phantasien geneigt ist, Glauben zu schenken? Wie kommt es dazu?
Das Vertrauen unseren Politikern gegenüber wandelt sich in Zutrauen - nichts würde mich noch wundern. Aber wie kommt es dazu? Der Zeitpunkt zu Ehrlichkeit, zu Offenheit, wurde verspielt. Im Kontext von Geheimdiensten passiert es schnell. Leicht. Das liegt in der Natur des Themas. Sie heißen nicht umsonst so. Sie sind das Gegenteil von Öffentlichkeitsarbeit. Denn sie waren und sind schon immer der Ort für Spionage, Täuschung und Heimlichkeit. Aber was, wenn nun genau das in die Politik überschwappt? Wird die Politik trügerisch? Oder war sie es nicht immer schon? Dann wäre erst recht ein Korrektiv nötig.
So betrachtet ist Friedrichs Haltung fast schon ehrlicher als die der Kanzlerin, auch wenn es aus Sicht der Bevölkerung eine fatalistische Haltung ist. Jeder Bürger soll für seine Sicherheit selber sorgen - auch wenn es teilweise unmöglich ist. Oder er macht sich durch dieses Handeln selbst wieder verdächtig, weil er verschlüsselt und es die falsche Ansicht gibt, dass jeder, der verschlüsselt, etwas zu verbergen hat. Darauf wiederum geht auch Friedrich nicht ein. Dass seine Antwort also gleichermaßen ein _Perpetuum mobile_ ist. Die berühmte Zwickmühle. Eine Falle: Verhindert sie vielleicht ein Ausspähen eines Dienstes, so wird der Bürger durch seinen Schutz verdächtig. Aber gegen die Tatsache generell, belauscht zu werden, kann niemand etwas ausrichten - so die Lehre, die wir aus Friedrichs Worten ziehen müssen. Das ist des Bürgers Schicksal. Fatalismus eben.
Bleibt uns - also der Demokratie - nur Fatalismus? Nein, nicht solange es Whistleblower gibt. Wobei ich Verrat - die Bedeutung steckt übrigens ebenfalls im lateinischen _traditio_ - nicht zum Grundsatz der Demokratie erheben möchte. Soweit nur ein kurzer Hinweis, dass der Whistleblower weder an sich links noch rechts zu verorten ist auf einer politischen Landkarte. Der Whistleblower als Verteiler von verheimlichten Fakten wird zum moralischen Aufklärer. Er hat die Funktion, den politischen Diskurs wieder auf die Ebene der Tatsachen zu heben, wenn die Politik zu stark ins Fiktionale abtaucht.
Gibt es also einen guten und einen bösen Verrat? Solange es Whistleblower sind, die anhand der Fakten Geschichten erzählen, die glaubwürdiger sind als alles andere, was uns die Politik vorstellt und vorführt bleiben sie diejenigen mit höherer Glaubwürdigkeit. Die Politik wird zu rein reaktivem Kasperletheater, weil sie nicht sagen wollte, wie böse sie zu ihrer Bevölkerung ist. Dabei beruht all ihr Handeln auf der paradoxen Forderung: Glaubt uns, zweifelt nicht - aber wir misstrauen Euch allen! Die Kanzlerin _spielt_ sogar - soviel Interpretation ihres Handelns mag man mir zugestehen - die Advokatin des Volkes. Aber wenn sie soviel Staat im Staate ohne ihr Wissen zuließe: sie müsste ebenso abdanken wie als Kanzlerin, die sich für all das verantwortlich zeichnet. Letzteres wäre aber eine Haltung, die wenigstens ehrlich wäre.
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