Wir sind Weltmeister! Gedanken zum Wir-Gefühl und Gruppenzwang

Im dritten Anlauf seit der WM im eigenen Land hat es unsere Nationalmannschaft geschafft, sie haben den Titel in Brasilien geholt. Am Ende hochverdient und ein guter Grund, um stolz auf unsere Jungs zu sein. Das Wir-Gefühl beflügelt und erfüllt uns mit Glück. Es gibt aber auch die dunkle Seite der Zugehörigkeit.

Deutschland ist Weltmeister

Photo Credit: Flickr @himanisdas

Während der Fußball Weltmeisterschaft in Brasilien hat das deutsche Team nach einigen guten, einigen mäßigen und einem grandiosen Auftritt gegen den Gastgeber am Ende verdient den Pokal geholt. Verdient auch deshalb, weil sie in den letzten 10 Jahren ein großartiges Mannschaftsgefühl entwickelt haben.

Nach dem Sieg betonte unser Welttorhüter Neuer, dass “ganz Deutschland Weltmeister ist”. Ich bin stolz auf unsere Mannschaft und stolz auf meine Herkunft, aber als Weltmeister fühle ich mich nicht. Weltmeister sind die 11+ Spieler, die in Brasilien bis zum Umfallen gekämpft haben.

Ich möchte hier gar nicht das Wir-Gefühl anprangern. Es ist wichtig. Laut einem Artikel in der Welt sogar wichtig aus ökonomischer und gesellschaftlicher Sicht. Es ist großartig, sich zugehörig zu fühlen und ganz offen stolz auf unser tolles Land sein zu dürfen. Nur gehört meiner Meinung nach der Ruhm deren, die es wirklich verdient haben.

Das “Wir-Gefühl” als Basis für Zugehörigkeit

Das Wir-Gefühl sorgt für Zugehörigkeit, es macht uns euphorisch und verbindet uns über kulturelle und soziale Unterschiede hinweg. Besonders nach so einem Erlebnis wie dem Gewinn des WM-Titels ist es ein großartiges Gefühl.

Aber auch im alltäglichen Leben hat das Thema Zugehörigkeit einen großen Stellenwert. Niemand kann allein durchs Leben gehen, ganz ohne Rückhalt und Bestätigung. Deshalb ist es wichtig, sich mit Menschen zu umgeben, die ähnliche Werte vertreten und uns in unserem Tun unterstützen.

Das “Wir-Gefühl” als Zwang zur Konformität

Die Schattenseite des Wir-Gefühls besteht darin, dass wir uns einengen lassen. Wir wollen zu einer Gruppe dazugehören und lassen uns dann ganz automatisch von dieser beeinflussen. Ich denke da zum Beispiel an Freundeskreise, Sportmannschaften, Lerngruppen in Unis, Kollegen und vieles mehr.

Etwas abstrakter gedacht kann dieses Wir-Gefühl auch durch die Gesellschaft oder Traditionen geprägt werden. Wer will schon gerne als Außenseiter dastehen und sagen, dass er entgegen den Erwartungen von Familie und Freunden keine Kinder haben möchte, keine Lust hat, in einem großen Unternehmen zu arbeiten, oder lieber alternative Bildungswege einschlagen möchte?

Diejenigen, die etwas anders denken, werden schnell als Außenseiter oder Geeks abgestempelt. Sie sind nicht konform, denken etwas anders und haben deshalb zu Schulzeiten meist alleine gesessen. Es gehört Mut dazu, anders zu sein.

Es ist einfach, sich bestehenden Bewegungen oder Gruppen anzuschließen. Wer nicht aus der Reihe tanzt, der hält sich Probleme vom Hals – das haben uns Lehrer, Eltern und später unser Boss immer wieder eingeredet. Den Weg des geringsten Widerstands zu gehen, verursacht wenig Reibung und ist damit die vermeintlich bequemere Lösung.

Aber haben am Ende nicht diejenigen Erfolg, die etwas anders sind? Die Querdenker, die, die auch mal anecken und ganz eigene Sichtweisen mitbringen?

Meine kleine Welt baue ich um mich herum auf, anstatt sie zu sehr anderen Menschen beeinflussen zu lassen.

Das war nicht immer so. Als Teenager wollte ich immer zu den coolen Jungs gehören. Dabei ist meine eigene Meinung oft auf der Strecke geblieben. Heute bin ich selbstbewusst genug, um meinen eigenen Bedürfnissen und Vorstellungen zu folgen, anstatt mich lediglich anderen anzuschließen.

Meine Familie versteht bis heute noch nicht so genau, wie ich eigentlich meinen Lebensunterhalt verdiene. Auch die Enttäuschung über den bisher noch nicht vorhandenen Enkelsohn kommt manchmal durch. Und auch warum ich denn derzeit in China lebe, wo es uns doch in Deutschland so gut geht, dass stößt bei so einigen Leuten in der Heimat auf Unverständnis.

Ich schätze die Meinung meiner guten Freunde und natürlich nehme ich auch die Worte meiner Familie ernst. Am Ende entscheide ich jedoch darüber, welchen Trends ich folge, welche Werte für mich wichtig sind und wie ich mein Leben lebe.

So schön und wichtig das Gefühl der Zugehörigkeit auch ist, so ersetzt es nicht das Gefühl der Selbstverwirklichung.

Es ist okay egoistisch zu sein, seinen Gefühlen und Träumen zu folgen und dabei auch mal gegen den Strom zu schwimmen. Wenn du auf Widerstand stößt, dann weißt du, dass du auf dem richtigen Weg bist.

Lebe rastlos, zeitlos und grenzenlos


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