Wenn über eine Generation in Deutschland gesprochen wird und es handelt sich nicht gerade um die braune Zeit von 1932 – 1945, reden wir von der 68er Bewegung, die zwar eigentlich 67 war, aber was solls. Diese Generation sind Töchter und Söhne von eben jenen Mitläufern, Dummstellern, Nazis und eben den Opfern der damaligen Periode von Gewalt, Hetze, Antisimitismus, Rassismus und blinder Wut auf alles, was dem eigenen (auch nur gefühltem) Wohlergehen entgegen stand. Diese jungen Menschen hatten noch die Auswirkungen des Krieges, die anschließende Verlogenheit der Altnazis im Ohr, welche sich jetzt brav um ihre Pöstchen kümmerten, da es sonst sonst keiner mehr konnte, denn die Soldaten waren gefallen oder in Kriegsgefangenschaft umgekommen oder einfach nicht mehr arbeitsfähig. So wurde ebenfalls das Thema um Schuld und Sühne der Nazis nie zufriedenstellend behandelt, weder für die 68er noch für mich, als Kind der geburtenstarken Jahrgänge von 1960 bis 70. Wäre ich nicht lange Zeit von meinen Großeltern erzogen worden, gäbe es für mich nur Konsum in jeglicher Form, ob Nutella im Supermarkt, zwei Fahrzeuge in den Garagen, Urlaube, schicke Einrichtung, Farb-TV und was noch alles. Natürlich lebten wir über dem Schnitt aller Bundesbürger, nur bewußt war mir dies lange nicht.
Meine Eltern, 39 und 41 geboren, wußten noch was Krieg bedeutet, wollten jedoch nicht an ihre Kindheit erinnert werden, sondern gönnten sich alles was machbar war und so auch wir, als nächste Generation. Autofreie Sonntage waren längst vergessen, als ich meinen Führerschein machte und an jedem Wochenende mindestens einmal den Tank meines Wagens leer fuhr. Bei 90 Pfennig für den Liter Super, war das kein Ding und Umweltaspekte waren uns einfach wurscht. Wir übernahmen den Lifestyle unserer Eltern nahtlos, jedoch nicht ohne den Ehrgeiz, auf alles noch mal etwas draufzupacken, schließlich sollte es uns einmal besser gehen, als unseren Eltern und Großeltern. Das meine Geschwister und ich nicht komplett sozial verwahllosten lag zum einen an unseren geizigen Eltern, die nicht im mindesten gewillt waren etwas vom millionenschweren Reichtum an uns abzutreten und zum anderen an unserer Sturheit, irgendwelchen Leuten in den Arsch zu kriechen. Nicht mal, wenn es sich dabei um die eigenen Eltern oder Großeltern handeln sollte. So blieb es bis zu meinem 16. Lebensjahr bei 3 DM Taschengeld pro Woche, natürlich quittiert und wer es nicht am Samstag abholte, bekam es einfach nicht mehr. Daraus lernt man etwas fürs Leben. Was das allerdings im Einzelnen war, entzieht sich meiner Kenntnis, ich bin jedoch in der Lage kaum Geld auszugeben, egal wie verlockend etwas auch sein mag, jedenfalls inzwischen.
Nachdem man sich selber Führerschein, Auto, Wohnung und Einrichtung erarbeitet hatte, wurde auf den Putz gehauen und ab dem 18 Lebensjahr war ich 5 lange Jahre kein einziges Wochenende mehr zu Hause, selbst nicht bei 41 Grad Fieber. Erst meine Frau beendete diese zügellose Zeit und schenkte mir mit 24 Jahren einen richtigen Sohn, mit allem drum und dran. Wieder hatten wir etwas, für das es sich lohnte Geld zu verprassen, als ob morgen die Welt untergehen würde. Designer Babyklamotten, familientaugliche Karossen, Reisen, Spielzeug bis der Arzt kommt, Disneyland (logo, musste hin). Also egal wieviel wir verdienten, und wir waren immer Doppelverdiener, wir gaben es aus! Umwelt? Nachhaltigkeit? Vorsorge? Das war bei meinen Großeltern noch Usus, aber bei meiner Generation fielen alle moralischen Schranken. Wir kauften Saisonmöbel bei IKEA, welche man nach 3-4 Jahren entsorgen durfte/ musste, fraßen uns durch jede Mc Donalds-Filiale, egal wo wir hinkamen, kauften in manchen Jahren 3-4 Fahrzeuge und gingen immer „All in“, wie man in der Pokersprache sagt. Und die Industrie? Banken? Gewerbe? Die wurden aufgrund unseres Konsumverhaltens gierig. So gierig, dass wir in Deutschland ganze Wirtschaftszweige ins Ausland verlegten, um noch mehr, noch billiger und noch sorgenloser produzieren zu können. Die Händler betrogen uns und wir selbst uns schließlich ebenfalls, denn wir machten die Augen zu vor abgeholzten Urwäldern, Palmölplantagen, ausgestorbenen oder zumindest gefährdeten Tierpopulationen, absaufenden Inseln, verseuchten Landstrichen, Armut, Krieg (ja, mehr als zu unseren Lebzeiten gab es nie auf der Erde), oder Bausünden. Egal was wir anfassten, wenn es am Ende nicht mindestens ein bisschen Katastrophal war, wurde nicht mehr darüber gesprochen.
Wir lechzen nach billigen Produkten aus dem Supermarkt, wir kaufen uns gerne Autos mit viel PS und noch mehr Schnick.Schnack, die mindestens zwei Tonnen wiegen müssen, damit es als Statussymbol überhaupt herhalten kann. Uhren? Klar! Schmuck? Sowieso! AIDA? Ein muss, denn wer noch nie eine Kreuzfahrt gemacht hat, ist ein alter Hund und wer will schon zu den Alten zählen? Eben, niemand, denn wer alt ist, wird von der Gesellschaft abgehängt, sitzt vor der Glotze, guckt ARD und ZDF und zuckt mit den Schultern, wenn der Sprecher darauf aufmerksam macht, dass es noch mehr Informationen auf der Internetseite des Nachrichtensenders gibt. Wen juckts? Schließlich gibt es ja noch das „Social Media“ und das reicht als Faktenspender! Es wäre kein Problem stundenlang fortzufahren, um unsere Sorglosigkeit zu zementieren, unsere Verachtung für jedes Leben zu demonstrieren, nicht zu vergessen, den Selbsthass, welcher notwendig ist, um den Ast abzusägen, auf dem man selber sitzt.
Nein, ich werfe der jungen Generation, welche sich über uns Alte aufregt, nichts vor. Nicht denen, die auf die Straße gehen, um uns mit der Nase auf unsere beklagenswerten Versäumnisse hinzuweisen, nicht denen, die keine Jobs mehr bekommen, weil im Ausland billiger hergestellt werden kann, nicht denen, welche nicht mehr wählen gehen oder die nur noch wählen, was eigentlich nicht wählbar ist oder sein sollte. Damit es nicht so endet wie damals, als man meinen Vorvätern das tausendjährige Reich versprach oder meinen Brüdern und Schwestern den Schutzwall vor dem kapitalistischen Westen, der IMMER mindestens genauso geheim, verlogen oder undemokratisch war und ist, wie es damals im Osten unserer Republik war, müssten wir aber unseren Arsch heben, um diese Missstände zu beseitigen und nicht nur zu verwalten. Nein, wir taugen nicht als Kläger oder gar Opfer. Wir sind Täter, Mittäter, stille Teilhaber und zwar an allem, was in unserem Land schief läuft. Ich meine dies nicht ironisch, denn wir haben die Macht dies alles zu beenden, um doch noch einen Fußabdruck zu hinterlassen, für den wir uns nicht tausend Jahre schämen müssen, ob ökonomisch oder ökologisch. Freilich, jeder wird etwas abgeben müssen. Das könnte eine Kleinigkeit sein, wie nicht jedes Jahr ein neues Mobiltelefon besitzen zu müssen oder sich alle drei Jahre ein neues Fahrzeug zuzulegen, jedes Jahr in den Urlaub zu fliegen, jeden Trend mitzumachen und durch Werbung zu entdecken, was uns soooo dringend fehlt, wovon wir vorher noch nicht einmal wußten, dass es so etwas überhaupt gibt.
Dabei würden wird dann noch nicht einmal wirklich verzichten, sondern nur verzögern, aber wir müssten uns Gedanken machen, was nachhaltig ist und ob ich wirklich jede Woche neue Klamotten benötige, neue Schuhe, neue Möbel, Flüge, Technik etc. Dann müssten Konzerne darüber nachdenken wieder Qualität für mehr Geld zu erschaffen, weil der Trend dann Langlebigkeit heißen würde und nicht mehr Wegwerfgesellschaft. Sortenunreinen Kunststoff zu verbieten, unsere Meere zu schützen und zu erforschen, anstatt auf einen Mars zu fliegen, wo nie jemand wohnen wird, nur um mit eigenen Augen zu sehen, dass dort Eis unter der Oberfläche steckt und keine Atmosphäre aufgebaut werden kann, weil ein kalter Planet keinen flüssigen Kern hat, somit keinen Magnetismus besitzt und damit nie eine Atmosphäre halten können wird, aber wen juckts schon?
Mir ist inzwischen egal, ob jemand mitmacht oder nicht, denn ich möchte weder meinem Sohn, noch Goldstück oder irgendjemand anderes auf der Welt ein kaputtes System hinterlassen, also boykottiere ich Unternehmen, kaufe nicht alles um jeden Preis, gebe mein Geld gerne für Lebensmittel aus, kaufe mir kein Auto mehr (kann natürlich nicht jeder), muss nicht im Saisonstyle gekleidet sein. Klar, ich verstehe, wenn jetzt jemand denkt, „Der hat gut reden! Erst alles machen, was den Planeten zerstört und am Ende seiner Tage den anderen Mitmenschen den Spaß versauen wollen!“ Da hätte jeder recht, selbst wenn ich bereits ab 2001 meine Spur gewechselt habe, aber meine Generation hat das Recht sich über die Verschwender unseres Planeten aufzuregen, schon lange verwirkt. Wir müssten alle so radikal gegen das System arbeiten, wie wir auch radikal dafür gearbeitet haben. Die 60er sind klug und informiert, aber will eben auf nichts verzichten, selbst, wenn wir es nicht einmal brauchen. Lieber ist etwas kaputt, als das es noch dem Nächsten nützt. Schade eigentlich, wo wir in einem Paradies leben könnten, uns aber lieber täglich über die Schwachköpfe aufregen, welche unsere Heimat (die aller Menschen) zerstören, während wir uns noch das Essen aus den Zähnen pulen, um dann wieder etwas Gefälligeres einzuschalten, denn Wahrheit tut weh, außer man lässt anderen den Vortritt. Doch wen juckt das schon?
Es grüßt Sie Ihr Arno von Rosen. Kann alles, weiß alles, macht aber nicht mal die Häfte von dem was möglich wäre. Ich gelobe Besserung, mich nur noch mit einer Hand am Hintern zu kratzen, während die andere mal etwas sinnvolles tut. Das Zitat des Tages verkneife ich mir, denn die meisten Menschen, die ich damit Ehre oder in Erinnerung bringe, würden mir wahrscheinlich lieber den Hals zudrehen, als an mir ihre Philosophie zu verschwenden. Sie sehen, Kritik sollte immer bei einem selber anfangen, denn es ist viel zu einfach, mit dem Finger auf andere zu zeigen. Selbst ein Mann namens Jesus hat das schon gesagt, nur mit gesalbteren Worten, doch recht hatte er trotzdem. Allen einen schönen Herbst!