Kurz vor meinem Urlaub bekam ich freundlicherweise und unabhängig voneinander Rezensionsexemplare zweier Bücher zugesandt. Beide haben etwas mit dem Leben von alten Menschen zu tun.
Das erste mit dem Titel: ‚Wir geben Opa nicht ins Heim' möchte ich euch heute vorstellen (das zweite liest sich sehr langsam, die Rezension wird wohl etwas warten müssen)
Als Kind war der Opa ihr Vaterersatz, ihre große Liebe und ihr bester Kumpel.
Nun ist er durch eine Erkrankung an Parkinson und eine beginnende Demenz ans Bett gefesselt. Die geliebte Oma pflegt ihren Mann hingebungsvoll und Jessica unterstützt ihre Großeltern, so gut es geht und macht sich große Sorgen.
Denn auch der Oma geht es nicht gut, auch sie braucht Ruhe und ärztliche Unterstützung. Und obwohl die ganze Familie sich geschworen hat, Opa nicht ins Heim zu bringen, muss dieses Credo neu überdacht werden.
Jessica Wagener
Jessica Wagener, Jahrgang 1977 arbeitet als freie Journalistin und Autorin.
Mit ihrem Erstlingswerk Narbenherz, in dem sie ihre Krebserkrankung verarbeitete, gelang ihr ein erster Erfolg. Das vorliegende Buch ist ihre zweite Veröffentlichung. Ihr nächter Roman mit dem Tite Süßer die Böller nie klingen wird am 21. Oktober erscheinen.
Jessica Wagener kann man auf ihrem sehr lesenswertem Blog Jessyfromtheblog besuchen.
Wir geben Opa nicht ins Heim - Meine Meinung
Die wichtigste, alle Probleme irgendwie auflösende Aussage kommt erst am Ende des Buches:
Ich wünschte nur, wir hätten früher den Mut gehabt, uns ernsthaft und ausführlich mit den Themen Alter, Krankheit und Pflege zu befassen und ehrlich darüber zu sprechen, in Ruhe zu planen."
Ich weiß, dass es Menschen gibt, die ihr Leben im Alter auf eine gewisse Weise planen. Aber wahrscheinlich sind auch diese vor (bösen) Überraschungen niemals sicher. Denn wer plant denn schon seine Demenz, seinen Blasenkatheter, Schmerzen und Einsamkeit? Oder den Verlust der Selbstbestimmung, den man in einem Pflegeheim erlebt.
Niemand.
Und niemand wird seine Eltern oder Großeltern darauf ansprechen, noch bevor eine gewisse Pflegebedürftigkeit erreicht ist. Ein solches Thema vorzeitig zu diskutieren ist lieblos und unsensibel oder wie es Jessica Wagener so schön und kraftvoll formuliert:
Opa „ins Heim stecken", das klngt so kalt und lieblos, das machen doch nur abgebrühte Schweine-Enkel, die nicht wissen, was wirklich zählt im Leben, die Pipi eklig finden und keinen Bock auf Alte haben. Im-Stich-Lasser. Egoisten. Arschlöcher. Oder?"
Über ein ganzes Jahr lang (von Weihnachten bis Weihnachten) lässt uns Jessica Wagener am Leben ihrer Großeltern teilhaben. Das ist für die Autorin, die Großeltern, aber auch für den Leser sehr mutig. Denn bei aller Liebe zum Voyeurismus möchte man manchmal kaum über das Elend der Hinfälligkeit eines alternden Menschen weiterlesen. Und wahrscheinlich würde man dieses Buch nur schwer aushalten, wären da nicht immer wieder humorige Episoden und die Momente der Liebe der Autorin zu ihren Großeltern.
Nach den ersten Seiten war ich mir nicht sicher, ob mir das Buch gefallen wird, ob es mir nicht zu sehr aus einer melodramatischen Sicht von Wagener selbst erzählt wird.
Zum Schluss habe ich ihre Energie und ihre Zärtlichkeit bewundert.
Es wäre bestimmt leichter gewesen, wenn sie sich im Vorfeld mit dem Thema Alter, Krankheit und Pflege auseinandergesetzt hätten. Aber alle Beteiligten haben diesen Erkenntnisweg gehen müssen um herauszufinden, wie sie die Betreuung eines so pflegebedürftigen Menschen am besten organisieren können.
Von „abgebrühten Schweine-Enkeln" kann hier also keine Rede sein.
Bibliografisches
- Titel: Wir geben Opa nicht ins Heim
- Autor: Jessica Wagener
- Taschenbuch: 224 Seiten
- Verlag: Rowohlt Taschenbuch Verlag; Auflage: 1 (22. Juli 2016)
- Sprache: Deutsch
- ISBN-10: 3499631407
- Preis: 9,99 € (Kindle), 10,99 € (Taschenbuch)
Mit dieser Rezension beteilige ich mich an Daggis Buchchallenge, Aufgabe 6: Lese ein Buch, das Dich traurig oder nachdenklich gemacht hat