Wir dürfen Familienpolitik nicht einfach als teuer und nutzlos abhaken

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Kein Foto aus Deutschland (Quelle: Greene County, Pennsylvania Photo Archives Project)

Ja, das gibt einem schon zu denken, dass wir jetzt die niedrigste Geburtenrate der Welt haben, oder?

Die Situation ist mittlerweile so ernst, dass unsere Frau Bundeskanzlerin uns hochoffiziell zum Einwanderungsland erklärt – ein begrüßenswerter Schritt, der dennoch einen Anklang einer heimlichen Kapitulation in der Familienpoltik hat. Es ist ja schon einiges dazu geschrieben worden über diese neue Bestleistung einer verfehlten Familienpolitik, die unglaublich viel Geld kostet und scheinbar doch nicht hilft. Das Problem bei der ganzen Sache ist, dass die Lösung eigentlich ganz einfach ist, aber niemals umgesetzt werden wird.

Der vielbeachtete, unterhaltsame und schlaue Beitrag von Juramama illustriert die Problematik sehr anschaulich. Ich konzentriere mich heute mal vorwiegend auf den Aspekt der Rente, der neben Themen wie Vereinbarkeit und alternativen Familienmodellen auf politischer und individueller Ebene einige dramatische Implikationen hat. Die Situation ist doch einfach:

Es ist unmöglich, den Generationenvertrag einzuhalten, wenn unsere Generation in einen so spektakulären Geburtenstreik tritt.

Diejenigen von uns, die sich an diesem Streik beteiligen, nutzen einen Bug im System aus – nämlich, dass es wenig für die eigene Rente bringt, Kinder zu bekommen, aber viel, möglichst viel eigenes Erwerbseinkommen anzusammeln. Wer die höchsten Rentenansprüche erwirbt, trägt gleichzeitig am wenigsten zur eigenen Rente bei: Paare mit Kindern senken häufig ihr Einkommen, um der Familienarbeit überhaupt gerecht werden zu können – und selbst wenn sich beide für eine Vollzeit-Erwerbstätigkeit (zur Rentenmaximierung?) entscheiden, lässt der Staat sie ganz schön dafür löhnen, dass er ihre Kinder betreut (die später mal ihre eigene Rente und die diverser andere Leute bezahlen sollen). Das und die Tatsache, dass Kinder nun mal auch ein wenig Geld kosten, erschwert es natürlich ungemein, privates Kapital für die Altersvorsorge auf die Seite zu schaffen, was die elterliche Vorsorgelücke im Vergleich noch einmal deutlich erhöht.

Dementsprechend kann es mit neutralen Augen gar keine andere Lösung für diese Problematik geben als Kinder ganz erheblich bei der Rentenberechnung zu berücksichtigen und gleichzeitig Erwerbstätigkeit abzuwerten, weil diese ja nur in die aktuelle Rentenkasse einzahlt, aber nicht in die zukünftige.

Das Problem dabei: Diese Änderung wird es aller Wahrscheinlichkeit nach niemals geben. Wer erinnert sich noch an die Einführung des erhöhten Pflegeversicherungsbeitrags für Kinderlose? Was wurde da „Ungerecht!“ geschrien und gezetert. „Wir zahlen ja schon mit unseren Steuern die Schulen für Eure Kinder!“ „Ihr kriegt doch eh schon so viel Kindergeld und wir gar nix!“ „Ich finde es ja ok, wenn Leute Kinder bekommen, aber ich will das nicht und auch nicht für anderer Leute Kinder zahlen!“

(Bitte seht mir diese generische Argumentation nach, selbstverständlich gibt es viele Kinderlose, die die Änderung voll akzeptiert und unterstützt haben – aber es gab eben auch viele Gegenstimmen.)

Dabei ist die Antwort auf diesen Aufschrei eigentlich sehr einfach: Niemand bezahlt für die Kinder anderer Leute. Wir zahlen für unseren Staat, damit er seine Aufgaben erfüllen kann, zu denen eben auch Kinderbetreuungseinrichtungen zählen. Dieser Staat aber braucht nun mal unsere Kinder, um das aktuelle Rentensystem aufrecht zu erhalten (dass ihr ja nicht ändern wollt, weil es Euch Vorteile verschafft). ;-)

Dennoch: In einer Demokratie ist eine Änderung, die einen immer größeren Teil der Bevölkerung zukünftig negativ betreffen würde, schlicht und einfach nicht durchsetzbar. Die meisten Menschen sind politische Opportunisten, die meisten politischen Argumente eher Fassade für Klientelforderungen als echte Begründungen auf der Suche nach Wahrheit. Man kann das nicht einmal verurteilen – wer soll schon einen Politiker wählen, der die eigenen Interessen nicht vertritt?

Wer auch immer sich diese logisch eigentlich vollkommen notwendige Änderung auf die Fahne schreiben würde, würde nicht den notwendigen politischen Einfluss gewinnen können um sie durchzusetzen. Und wer sie sich nicht auf die Fahne schreibt und sie dann doch umsetzt, politischen Selbstmord begehen. Politiker denken in Wahlzyklen – es ist immer einfacher, grundlegende Probleme auf die nächste Generation zu vertagen und jetzt ein bißchen an der Fassade zu basteln als wirklich etwas zu verändern.

Das Dumme ist nur: Es ist nicht unwahrscheinlich, dass wir selbst noch die sein werden, die unter dieser demokratischen Paralyse zukünftig leiden. Ich denke dass wir uns gar nicht über die Rente mit 67 zu ärgern brauchen – bis wir Mittdreißiger in Rente sind, werden wir da vermutlich eine sieben vorne stehen haben. Und das, was es dann an Rente geben wird, wird für uns Eltern erheblich weniger sein, weil wir jahrzehntelang die immensen Opportunitätskosten der Elternschaft gezahlt haben, von denen langfristig mehr andere als wir selbst profitieren.

Natürlich ist die Entscheidung für oder gegen Kinder keine wirtschaftliche. Niemand bekommt Kinder, weil er sich wirtschaftliche Vorteile verspricht, und niemand tut das für den Staat, in dem er lebt (höchstens im Faschismus). Es gibt immer noch ein paar Menschen in Deutschland (ich schreibe absichtlich nicht: genug), die die zahlreichen wirtschaftlichen Nachteile der Elternschaft aus Liebe in Kauf nehmen. Mir ist auch klar, dass es viele Länder mit höherer Geburtenrate gibt, die weniger für ihre Familien tun als Deutschland. Aber so lange die Menschen dort trotzdem genug Kinder bekommen, ist das ja aus politischer Perspektive in Ordnung so. Man darf ja nicht vergessen dass der Staat Familienpolitik vorwiegend betreibt um seine Mitglieder anzuregen, neue Mitglieder auf die Welt zu bringen und nicht, um einem abstrakten Gerechtigkeitsideal nachzustreben.

In Deutschland haben wir halt die spezielle Situation einer fortgeschrittenen, ego- und hedonismusbezogenen postindustriellen Gesellschaft mit faschistischer Historie, in der man keine Kinder mag und den Staat eigentlich auch nicht, dafür aber einem überhöhten Mutterschaftsideal anhängt.

Da langt der intrinisische menschliche Fortpflanzungstrieb offensichtlich nicht aus, um über die wirtschaftlichen Fehlentwicklungen hinwegzusehen und trotzdem genug Kinder in die Welt zu setzen.

Ich hoffe, dass dieser dringend notwendige Weg entgegen meiner Politikskepsis wenigstens teilweise beschritten wird. Natürlich können und sollten wir auch Einwanderung nutzen, um unsere Gesellschaft weiterzuentwickeln. Aber eine erfolgreiche Integrationspolitik, die dafür notwendig ist, wird bei Aufrechterhaltung des familienpolitischen Status Quo vielleicht dazu führen, dass unsere Einwanderer in der nächsten Generation auch keine Kinder mehr wollen.

Die Veränderung muss ja nicht radikal sein. Aber es ist so logisch und der Situation angemessen, die Kinderzahl in den Rentenanspruch einzurechnen, dass es eigentlich schon alternativlos ist.



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