Der Bremer Dom
„Sei Du selbst die Veränderung, die Du Dir wünschst für diese Welt.“ Mahatma Gandhi
Ihr Lieben,
heute Abend möchte ich Euch zwei kleine Geschichten erzählen, die erste stammt von La Fontaine, die zweite von einem unbekannten Dichter:
„Die Sperlinge“
„Eine alte Kirche, welche den Sperlingen unzählige Nester gab, ward ausgebessert. Als sie nun in ihrem neuen Glanze dastand, kamen die Sperlinge wieder, ihre alten Wohnungen zu suchen. Allein sie fanden sie alle vermauert. »Zu was«, schrien sie, »taugt denn nun das große Gebäude? Kommt, verlasst den unbrauchbaren Steinhaufen!«
„Die tote Gemeinde“
„Kalte Gleichgültigkeit, das war die Atmosphäre hier in Yonderton, als Pfarrer Wright sein Amt antrat.
Am ersten Sonntag predigte er in einer völlig leeren Kirche. Am zweiten Sonntag war es genauso. Und wenn der Pfarrer an den Werktagen seine Gemeindeglieder besuchte, erging es ihm nicht besser. "Die Kirche ist tot", so sagte man ihm.
Aber am Donnerstag nach jenem zweiten trostlosen Sonntag geschah es, dass eine Todesanzeige in der Zeitung erschien. Dort konnte man lesen:
Mit dem Ausdruck tiefster Bedauerns
und der Zustimmung meiner Gemeinde gebe ich
den Tod der Kirche zu Yonderton bekannt.
Die Trauerfeier findet am Sonntag um 11 Uhr statt.
Herbert Wright, Pfarrer zu Yonderton.
Diese Anzeige löste heftige Diskussionen aus.
Am Sonntag war bereits um halb elf die Kirche gedrängt voll.
Als ich die Kirche betrat, sah ich einen Sarg auf einer Bahre vor dem Altar stehen.
Pünktlich um 11 Uhr bestieg Pfarrer Wright die Kanzel:"Meine Freunde, Sie haben mir klar gemacht, dass Sie überzeugt sind, unsere Kirche sei tot.
Sie haben auch keine Hoffnung auf Wiederbelebung. Ich möchte nun diese Ihre Meinung auf eine letzte Probe stellen. Bitte gehen Sie einer nach dem anderen an diesem Sarg vorbei und sehen Sie sich die Tote an. Dann verlassen Sie die Kirche durch das Ostportal. Danach werde ich die Trauerfeier allein beschließen.
Sollten aber einige unter Ihnen Ihre Ansicht ändern und wären auch nur wenige der Meinung, eine Wiederbelebung der Kirche sei vielleicht doch möglich - dann bitte ich diese, durch das Nordportal wieder hereinzukommen. Statt der Trauerfeier würde ich dann einen Dankgottesdienst halten." Ohne weitere Worte trat der Pfarrer an den Sarg und öffnete ihn.
Ich war einer der letzten in der Reihe vor dem Sarg. So hatte ich Zeit, darüber nachzudenken:
"Was war eigentlich die Kirche? Wer würde wohl im Sarg liegen? Würde es vielleicht ein Bild des Gekreuzigten sein?"
Die Anderen in der Reihe dachten wohl ähnlich, ich merkte, wie uns ein Schaudern überkam, je mehr wir uns dem Sarg näherten. Zudem erschreckte uns ein Knarren und Quietschen. Die Tür des Nordportals drehte sich in ihren verrosteten Angeln. Herein trat eine kaum zu zählende Menge.
Nun war es soweit, dass ich die tote Kirche sehen sollte. Unwillkürlich schloss ich die Augen, als ich mich über den Sarg beugte. Als ich sie öffnete, sah ich mich selbst - im Spiegel.“
Ihr Lieben,in beiden Geschichten geht es um dasselbe, um eine Kirche, eine Gemeinde.
Mir geht es mit dieser Geschichte aber nicht darum, nun für eine christliche Gemeinde zu werben, sondern ich habe diese beiden kleinen Geschichten deshalb erzählt, weil ich es nicht mehr hören kann, wie in meiner Familie, meinem Freundes- und Bekanntenkreis über die Kälte und mangelnde menschliche Wärme in dieser Welt geklagt wird.
Ich kann es einfach nicht ertragen, wenn Menschen im Dunkeln sitzen und sich über die Dunkelheit beklagen, statt endlich aufzustehen und ein Licht anzuzünden und sei es auch nur ein ganz kleines unscheinbares.
In Abwandlung des berühmten Satzes von John F. Kennedy (Frage Dich nicht, was Dein Land für Dich tun kann, sondern frage Dich, was Du für Dein Land tun kannst) möchte ich sagen:
„Warte nicht immer darauf, dass andere Menschen diese Welt menschlicher gestalten und Wärme und Licht in diese Welt tragen, sondern fang Du selber an, Dein Licht anzuzünden, es leuchten zu lassen und Freude und Liebe in diese Welt hineinzutragen.“
Wo das geschieht, entsteht Leben, pulsierendes fröhliches Leben und da spielt es keine Rolle, ob dieses Leben innerhalb oder außerhalb einer Kirche stattfindet.
Ihr Lieben,
lasst uns zu Lichtträgern, zu Mutmachern, zu Hoffnungsträgern werden.
Darauf wartet diese Welt so sehnsüchtig.
Deshalb habe ich auch die erste kleine Geschichte von den Sperlingen mit dazu genommen:
Wenn diese unsere Welt, wenn unsere Familie, unsere Freundes- und Bekannten-kreise, wenn die Gruppen, in denen wir uns engagieren, wenn unsere Gemeinden keine Geborgenheit bieten, keine menschliche Wärme in sich tragen, dann ähneln sie alle einem unnützen Steinhaufen, mit dem niemand mehr etwas anfangen kann.
Ich wünsche Euch allen einen fröhlichen Start ins Wochenende und grüße Euch alle ganz herzlich
Euer fröhlicher Werner
Das Foto wurde von Karin Heringshausen zur Verfügung gestellt