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Alan Posener stellt hier zwei neue Bücher vor, die zeigen, dass der Mensch nicht allein (und unabänderlich) durch seine Gene determiniert ist. Sondern dass das kulturelle und soziale Umfeld einen weit größeren Einfluss auf das individuelle Leben haben.
Wie das alles funktioniert, beschreibt Spork detailliert, aber auch für den Laien verständlich. Er findet für das Zusammenwirken von Genom und Epigenom folgendes Bild: „Erbgut und Proteine funktionieren wie eine riesige Bibliothek: die DNA enthält dabei die Texte, während die epigenetischen Strukturen die Bibliothekare, Ordner und Register sind, die die Informationen verwalten und sortieren.“
Das Genom – unser Chromosomensatz – ist relativ stabil und vor Umwelteinflüssen geschützt; wäre dem nicht so, gäbe es keine über Jahrtausende und Jahrmillionen relativ stabilen Arten. Das Epigenom hingegen, das die konkrete Ausprägung des Genoms – des Erbguts – im einzelnen Individuum und in der einzelnen Zelle regelt, ist relativ stark von Umwelteinflüssen abhängig – zum Beispiel von der Nahrung.
Aus Bienenlarven, die mit Gelée Royale gefüttert werden, werden Königinnen. Die anderen werden Arbeiterinnen. Die Kinder rauchender Väter oder Alkohol trinkender Mütter weisen signifikante Gesundheitsschäden auf, die mit der Programmierung ihres Stoffwechsels zusammenhängen. Die Niederländer haben sich aufgrund verbesserter Ernährung innerhalb von 150 Jahren von einem körperlich kleinwüchsigen Volk zu einem Volk von langen Kerls entwickelt.
Aber auch psychische Faktoren – Erziehungs- und Umgangsformen, Religion und Meditation, das eigene Selbstwertgefühl und die Anerkennung durch andere – hinterlassen ihre Spuren im Epigenom und bestimmen darüber, wie sich der Körper – und auch sein wichtigstes Organ, das Gehirn – entwickelt.
In Bezug auf Thilo Sarrazins Thesen von der angeborenen Intelligenz nimmt er kein Blatt vor den Mund: sie sei „wissenschaftlich gesehen blanker Unsinn“. Trotz eifriger Suche sei es den Wissenschaftlern nicht gelungen, ein „Intelligenz-Gen“ zu finden. „Vermutlich sind es Hunderte, wenn nicht gar Tausende Gene, die für die kognitiven Fähigkeiten eines Menschen eine Rolle spielen – und das tun sie natürlich im Zusammenspiel mit den Einflüssen aus der Umwelt“.
Die Zwillings- und Adoptionsforschung hat von den angeblich vererbten Intelligenzunterschieden zwischen den Ethnien und sozialen Klassen wenig übrig gelassen; praktische Erziehungsexperimente haben die enorme Plastizität des menschlichen Gehirns und die überragende Rolle der Umwelt bei der Herausbildung der Intelligenz belegt. Wenn sich Deutschland „selbst abschafft“, dann nicht wegen einer quasi natürlichen Abnahme der Intelligenz infolge demographischer Verschiebungen, sondern, wie es vor 50 Jahren Georg Picht formulierte, weil das Land die vorhandenen „Bildungsreserven nicht ausschöpft“.
Lesenswert – der Artikel und vermutlich auch die beiden vorgestellten Bücher.
Nic