Willi, der Schrecken aller Notärzte (Teil 1)

Phillip und ich saßen mal wieder im Zimmer der Feuerwehr und spielten Schach. Diesmal waren wir nicht allein, sondern erfreuten uns an der Gesellschaft von Willi. Willi ist unser Student. Er macht gerade seine erste Famulatur und hatte irgendwen bestochen, damit er auf dem NEF mitfahren darf. Natürlich heißt er gar nicht Willi, seinen richtigen Namen konnte ich mir nicht merken. Phillip und ich hatten uns auf Willi von Biene Maja geeinigt, weil er einfach so aussah. Der Einsatz beim Schachspiel war diesmal die Pizza am Abend. Es war nämlich schon etwa 18 Uhr und ich hatte langsam Hunger. Eigentlich hätten wir auch gar nicht spielen brauchen, denn wir hatten uns eh schon geeinigt, dass Willi zahlt. Davon wusste er nur noch nichts, aber da er ein mieser Schachspieler war, sah ich unser Abendessen gar nicht in Gefahr. Willi war erst eine Stunde zuvor zu uns gestoßen und wir hatten in dieser Zeit noch keinen Einsatz gehabt, so dass wir ausreichend Zeit hatten, ihn kennenzulernen.

Willi war nicht mein Fall. Er trug ein Goldkettchen und sah damit aus wie ein Zuhälter, zumindest, wenn man sich das Milchgesicht wegdachte. Das hätte mir ja noch egal sein können, jedoch hielt er sich auch in seinem frühen Ausbildungsstadium bereits für Gottes Geschenk an den Rettungsdienst, nur weil er vor zehn Jahren mal für drei Wochen einer Jugendgruppe irgendeines Rettungsdienstes beigewohnt hatte und dabei mal eine Puppe reanimieren durfte, wie er nicht müde wurde zu erwähnen (ich vermutete, die Dauer des Gastspiels war deshalb so kurz, weil sie ihn rausgeworfen haben). Dabei betete er den Algorithmus für die Reanimation herunter, so wie er vor zehn Jahren mal aktuell war (jüngste Entwicklungen hatte er dabei geschickt ausgeblendet). Phillips Korrekturversuche wollte er natürlich nicht hören. Nach 30 Minuten mit Willi war ich also schon maximal gestresst, und ich sah in Phillips Gesicht, dass es ihm ähnlich erging. Beim Schach spielen zählte Willi uns auf, was er alles zu sehen wünschte: Reanimation natürlich, schwerer Verkehrsunfall und Schwerstbrandverletzte. Ich zählt ihm dann auf, was ich definitiv an diesem Abend nicht zu sehen wünschte: eine Reanimation, einen schweren Verkehrsunfall und Schwerstbrandverletzte. Er wirkte enttäuscht. Ich versuchte, ihm etwas über den Alltag im Rettungsdienst zu erzählen. Ich erzählte daher etwas von V.a. ACS, Nierenkoliken und gebrochenen Oberschenkelhälsen, die was gegen Schmerzen bräuchten. Willi erwiderte dann zu meiner großen Freude, dass er sich niemals vorstellen könne, Anästhesist zu werden. Sozialkompetenz, wie Ihr wahrscheinlich spätestens jetzt bemerkt habt, hatte er keine. Ich schlug ihm daher vor, später mal in die Mikrobiologie zu gehen, was er natürlich nicht verstand. Ich seufzte also und setzte ihn nach sieben Zügen schachmatt. Das gab mir eine gewisse Genugtuung und sicherte uns das Abendessen.

Als der Alarm ausgelöst wurde und wir zum Auto sprinteten, hoffte ich inständig auf ein Meldebild wie: hypertone Krise. Also etwas, wo der Patient schon im RTW liegt, der RA schon das Ebrantil in der Hand hält und sagt: “Soll ich 10 mg spritzen?”
Am Auto angelangt erfreute mich Willi damit, dass er sich direkt auf meinen Platz setzte. Ich war überrascht, dass er mit seinen kurzen Stummelbeinchen überhaupt so schnell laufen konnte. Mit einem lauten Ächzen hatte er sich auf den Beifahrersitz geworfen und sah mich, die ich neben der  Autotür stand, erwartungsvoll an.
“Raus.” sagte ich nur. Willi winselte. Ich zeigte auf die Rückbank. “Nach hinten!” Willi machte keine Anstalten, sich zu bewegen. Ich auch nicht. Schließlich stieg er aus und trottete langsam um das Auto herum. “Ein bisschen schneller, bitte!” rief ich. Phillip rollte mit den Augen und ließ den Motor an. Erschrocken hüpfte Willi auf den Rücksitz. Phillip ließ den Motor aufheulen und fuhr los.
“Was ist es denn?” fragte Willi neugierig vom Rücksitz und versuchte, mir das Fax der Leitstelle aus der Hand zu reißen, während ich am Navi die Adresse eingab. Ich schob wortlos seine teigige und schweißige Hand weg. Erst jetzt las ich, was da als Alarmierungsgrund stand…

Aber das folgt dann morgen. Nur so viel: Willi wird noch zu einem wirklich großen Problem.

Nur mal so am Rande: Ich werde oft gefragt: “Ist das WIRKLICH so passiert?” Bitte seid nicht enttäuscht, wenn ich sage: es gibt, gab und wird auch hoffentlich nie einen Willi und die daraus resultierenden Ereignisse geben. Bei mir hätte es Willi wahrscheinlich nicht mal bis ins Auto geschafft :-D


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