Wie Star Wars den Islam diskutiert, ein Impeachment wahrscheinlich macht, die Migration aus Afrika befördert und Macron mehr Verhandlungsmasse gibt - Vermischtes 17.06.2018

Die Serie "Vermischtes" stellt eine Ansammlung von Fundstücken aus dem Netz dar, die ich subjektiv für interessant befunden habe. Sie werden mit einem Zitat aus dem Text angeteasert, das ich für meine folgenden Bemerkungen dazu für repräsentativ halte. Um meine Kommentare nachvollziehen zu können, ist meist die vorherige Lektüre des verlinkten Artikels erforderlich; ich fasse die Quelltexte nicht noch einmal zusammen. Für den Bezug in den Kommentaren sind die einzelnen Teile durchnummeriert; bitte zwecks der Übersichtlichkeit daran halten
1) A Terrible, Horrible, No Good, Very Bad president builds an empire
To most highly educated people I know, President Trump is a Terrible, Horrible, No Good, Very Bad president. For two years, the people with at least two university degrees (PALTUDs) have been gnashing their teeth about Trump’s every utterance and move. To the foreign policy experts, he is a bull in a china shop, trampling the “rules-based international order” underfoot. To the economics establishment, he is a human wrecking ball, smashing more than a half-century of consensus that free trade really works better than protectionism. [...] Yes, there is much to be said in principle for an international order based on explicit rules; and yes, those rules should favor free trade over protectionism. But if in practice your liberal international order has the consequence that China overtakes you, first economically and then strategically, there is probably something wrong with it. The key to the Trump presidency is that it holds out probably the last opportunity the United States has to stop or at least slow China’s ascendancy. And, while it may not be intellectually very satisfying, Trump’s approach to the problem, which is to assert American power in unpredictable and disruptive ways, may in fact be the only viable option left. (Boston Globe)
Niall Ferguson war früher einmal ein ernstzunehmender Historiker. Seine beiden Bücher "The Pity of War" (Der falsche Krieg) und "War of the World" (Krieg der Welt), die sich respektive mit dem Ersten Weltkrieg und dem kompletten Zeitraum zwischen 1914 und 1945 beschäftigen, sind heute noch ob ihrer unkonventionellen Perspektive und ihres Erkenntnisgewinns uneingeschränkt empfehlenswert. In der Zwischenzeit allerdings hat Ferguson das Metier gewechselt und ging vom Historiker zu dem über, was in der angelsächsischen Welt als "hack" bezeichnet wird und im deutschen Sprachraum kein echtes Gegenstück hat: ein Kommentator des Weltgeschehens, der aber eigentlich keine Ahnung von dem hat über das er spricht und hauptsächlich mit steilen Thesen reüssiert. Ferguson gehört bedauerlicherweise zu dieser Gruppe. Seine jüngsten Bücher - eine Geschichte des Geldes, die so viel fakischen Unsinn enthält, dass man nur die Hände über dem Kopf zusammenschlagen kann, und eine revisionistische Geschichte des britischen Empires, die ein Loblied auf den Kolonialismus darstellt und dessen Verbrechen relativiert - dienten hauptsächlich der Provokation, nicht mehr dem Erkenntnisgewinn. Während der zweiten Amtszeit Obamas veröffentlichte Ferguson Artikel hinter Artikel, in dem er vor der gewaltigen Inflation warnte, die Obamas Wirtschaftspolitik - jetzt aber wirklich! - jeden Moment auslösen würde. Selbstverständlich kam sie nie, aber das schadete Fergusons Ruf nicht, sondern stärkte ihn paradoxerweise nur noch mehr. Eine andere These, die er in der Obama-Zeit mit Verve vertrat, war die von "Chimerica", also dass die Volkswirtschaften Chinas und der USA in wechselseitiger Abhängigkeit so verbunden seien, dass man sie praktisch als Einheit betrachten könnte. Auch diese These erwähnt Ferguson heute lieber nicht mehr; stattdessen verkündet er nun im Brustton der Überzeugung die neue Linie der Trump'schen Konservativen: ein brutaler Abwehrkampf gegen China steht bevor, ein titanisches Duell der Imperien. Diese Oswald Spengler'sche Untergangsstimmung, das Einschwören auf den wirtschaftspolitischen Endkampf, passt hervorragend in die Zeit, und Ferguson liefert. Das obige Zitat zeigt diese wirre Weltsicht auf. Ferguson hat kein Problem damit, Elitenbashing zu betreiben - als ob er selbst nicht zu den "highly educated people" gehören würde! - und wischt die liberale Weltordnung des Freihandels, die er zeit seiner akademischen Karriere verteidigt hat, nun nonchalant zur Seite, weil sie für seine neuen Herren nicht mehr opportun ist. Dazu passt ins Bild, dass er erwischt wurde, an der Uni Stanford kritische Studenten mundtot machen zu wollen. Ferguson ist wirklich tief gefallen.
2) All politics is national because all media is national
Looking at the ratio of turnout between gubernatorial and presidential elections, before the 1960s, there isn’t much of difference in turnout for governor’s races in state capital media markets compared to other parts of the state. The reason is simple: Local TV news had yet to proliferate. (Early television programming was overwhelmingly national.) But in the 1970s and 1980s, as more Americans got their political information from local television, the advantage to being in the same media market as one’s state capital grew. More recently, cable TV, satellite TV and the internet have frayed the link between where people live and what news they get — and gubernatorial turnout has dropped as a result. In November, voters will weigh in on 36 gubernatorial elections and more than 6,000 state legislative seats. In doing so, they will shape public policy on a range of issues, from health care and gun control to marijuana and education. Given the gridlock that has stymied federal policymaking for much of the last decade, it’s a good bet that states and localities will be a major arena for public policy battles in the coming years. And yet, many media outlets compete nationally, and so face strong incentives to focus on national audiences. The result: Many of the voters who do show up to cast ballots for local races will likely do so with an eye toward national politics, and other citizens will sit the elections out entirely. (FiveThirtyEight)
Der hier beschriebene Effekt ist auch in Deutschland zu beobachten. Regionale Nachrichtenmedien spielen fast keine Rolle mehr. Stattdessen dominieren die landesweiten Nachrichten das Geschehen. Diese "Nationalisierung" der Nachrichten hat Folgen für das politische Geschehen. Nicht nur wird jeder Trend auf das ganze Land extrapoliert, ob es die jeweilige Region nun betrifft oder nicht - ein Skandal im mit Asylbescheiden in Bremen ist ein Skandal des gesamten Bamf, ob das zutrifft oder nicht - und zum anderen spielen regionale Themen eine immer kleinere Rolle. Das ist insofern bemerkenswert, dass in den meisten Demokratien ein Wahlsystem existiert, dass annimmt, dass Abgeordnete lokal auf Basis lokaler Themen gewählt werden und einen lokalen Wahlkreis vertreten. In den USA gilt das für das gesamte Repräsentantenhaus, in Deutschland für die Erststimme, in Großbritannien für das ganze House of Commons. Stattdessen wählen die Menschen mehr und mehr ausschließlich nach Parteipräferenz und splitten ihre Stimmen auch nicht mehr. Das Resultat ist eine größere Polarisierung und ein weiterer Bedeutungsgewinn der nationalen Politik, die dann die regionalen Schlagzeilen bestimmt, und so weiter. Das ist nicht zwingend eine negative Entwicklung - man kann durchaus begrüßen, dass Politiker und Medien sich mehr dem Großen und Ganzen verpflichtet fühlen, und angesichts des Bedeutungsgewinns der EU und internationaler Politik ja der größere Blick sinnvoll ist - aber es ist eine Entwicklung, derer man sich gegenwärtig sein sollte.
3) What if Star Wars never happened
Meanwhile, President Ronald Reagan’s Strategic Defense Initiative, un-slandered by any comparisons to blockbuster movies, gains more credence, provoking a late-decade reinvigoration of the arms race and a Cuban Missile Crisis-like scare in Turkey. But the technology is still effectively fiction, and President Bill Clinton moves away from the approach when he takes office at the beginning of the next decade. [...] At the end of the decade, Vice President Al Gore edges George W. Bush in one of the closest elections in American history. Observers credit his win to the positive influence exerted on his campaign and the election by CNN — which is the only major 24-hour news network. Rupert Murdoch watches from the United Kingdom; he’d failed to find a solid entry point into American media in the mid-’80s, Fox having collapsed years earlier, and his dreams of a conservative challenger to CNN remain unrealized. Riding the e-commerce boom, Reed Hastings and Marc Randolph decide to become the Amazon.com of something, but, with the home-video market delayed a few years, DVDs had yet to catch on, so it isn’t that. Netflix never happens. (Polygon)
Der Artikel ist vor allem für Filmnerds spannend, aber der oben zitierte Ausschnitt zeigt auch die Auswirkungen, die ein Werk der Popkultur wie Star Wars auf die reale Welt haben kann. Während der Schluss des Artikels eher haltlos ist (hier nicht zitiert) ist die Tatsache, dass FOX News seine Existenz Star Wars verdankt, eine mehr als amüstante Nebenentwicklung des ersten Blockbusters. Wirtschaftlich interessant wäre die im Artikel postulierte Verzögerung der Durchsetzung der DVD und die damit einhergehende Verzögerung auf dem Streaming-Markt. Für einschlägig interessierte Leser ist der Artikel sicherlich ein Gewinn.
4) Wir diskutieren zu häufig über den Islam
Viele behaupten, die AfD würde nun die Themen in deutschen Talkshows setzen. Doch das Erschreckende ist: Diese Themen sind nicht neu. Sie dominieren seit vielen Jahren die deutsche Medienlandschaft - lange vor den Erfolgen der AfD. Auch die Medien haben den Nährboden für das Gedankengut mit bereitet, das heute im Bundestag sitzt. Schon 2010 fragte Maischberger: "Kopftuch und Koran - hat Deutschland kapituliert?" Einen Monat später heißt es: "Schleier und Scharia: Gehört der Islam zu Deutschland?" Und nochmal einen Monat später wieder: "Die Sarrazin-Debatte: Ist Deutschland wirklich in Gefahr?" Das Ganze lässt sich in Monatsabständen weiterdeklinieren - bis heute. Über all das darf man sprechen, keine Frage - aber dann bitte in der nötigen Differenziertheit: Was hängen bleibt sind Titel, wie diese, die so unverantwortlich irreführend sind: "Beethoven oder Burka - braucht Deutschland eine Leitkultur?" (Maischberger-Sendung vom Mai 2017). Zur besten Sendezeit werden 300 Burka-Trägerinnen, die es in Deutschland geben soll, als Symbol für fast fünf Millionen Muslime hergenommen - was bleibt da noch zu sagen? Es sind Scheindebatten, die unsere Gesellschaft auf perfide Art und Weise spalten. Auch die Häufigkeit und der alarmistische Ton der Debatten sind unverhältnismäßig. Wer am Abend den Fernseher ausschaltet und am nächsten Tag zur Arbeit fährt, sieht nur noch Kopftücher und Salafistenbärte. Wer muslimische Mädchen sieht, denkt an den Schwimmunterricht, an dem das Kind wahrscheinlich nicht teilnehmen darf. Wer muslimische Männer sieht, weiß: Hier sitzt ein Macho vor mir - und erinnert sich vielleicht an die Maischberger-Sendung vom Mai 2016: "Mann, Muslim, Macho: Was hat das mit dem Islam zu tun?" (SZ)
Wir haben das bereits im letzten Fundstück diskutiert; das Framing der Öffentlich-Rechtlichen ist ein Desaster. Ich habe auch schon öfter postuliert, dass der Sündenfall für Deutschland 2010 zu suchen ist, mit der Sarrazin-Debatte. Das war das erste Mal, dass der neonazistische Dreck auf breiter Ebene normalisiert wurde und ist einer der wichtigsten Wegbereiter für die AfD.
5) Just say it's racist
It was a framing that might have worked with any other two presidents. On Friday, The New York Times published a comparison of how Donald Trump and his predecessor, Barack Obama, approached controversies over racism. “Obama offered balm. Trump drops verbal bombs. But both were accused, in a polarized country, of making racial tensions worse,” the paper tweeted. That bland equivalence between the first black president and his white successor, who rode to the White House on a racist conspiracy theory denying Obama was born in the United States, provoked a firestorm of criticism on social media. That fact alone shows how impossible it is to approach the Trump presidency the way the media might approach any other administration—indeed, bafflingly, the article briefly references birtherism without acknowledging Trump’s embrace of the conspiracy theory, and how it affected his political fortunes. The relationship between Trump and Obama is historically unique in that the former was elected by a racial backlash to the latter, another point the piece declines to acknowledge, whether to refute or affirm. (The Atlantic)
Die New York Times ist hinter FOX News die Hauptschuldige für den Aufstieg der Rechtspopulisten. Kein Blatt hat mehr getan, um die Rechten zu normalisieren und einen Zynismus zu etablieren, in dem alle Politiker irgendwie doch die gleichen sind und in dem es keinen echten Unterschied macht, ob man nun Trump oder Clinton wählt (oder, for that matter, Trump oder Kasich). Der Unwillen der NYT und ihrer vielen Schwestern im Geiste, Trump als das zu benennen, was er offensichtlich ist - ein Rassist - und die Obsession, jede Kritik an der einen Seite mit einer gleichwertigen Kritik der anderen Seite auszubalancieren, sind Gift.
6) Why Congress wouldn't impeach Trump even if he shot somebody
The first problem with Giuliani’s impeachment remedy is that, if Trump shot James Comey, he would deny having done so. (Murderers often lie about what they’ve done, and Trump is not known for his compulsive honesty.) The question of how Comey was shot would be a mystery that federal law enforcement would wish to solve. But Trump also maintains that he has the absolute right to halt any federal law-enforcement investigation. He also claims to have the right to initiate legal investigations into anybody, for any reason, which would allow him to pressure any witnesses, or to induce them to destroy evidence. What’s more, he indisputably possesses the right to pardon any witnesses or accessories to the crime. Even if he couldn’t succeed in quashing the investigation, Trump could at least attempt to obstruct it. Unless he happened to carry out the shooting on live television, the Trump-shooting-Comey hypothetical would, in reality, devolve into a fight over investigative detail. The FBI would be trying to track down the killer, Trump would be fervently denying it, and using his powers to impede the investigation. Fox News would be airing theories that Comey was actually killed by the Clintons, or perhaps fell on the bullet. The less absurd conservatives would be complaining about whether it was fair to prosecute various Trump associates for secondary crimes, like lying to the FBI. (New York Magazine)
Das NYM spricht hier wahre Worte aus. Ich glaube auch keine Sekunde daran, dass eindeutige Ergebnisse Muellers einen Backlash gegen Trump mit sich bringen oder gar ein Impeachment auslösen würden (noch daran, dass es diese eindeutigen Ergebnisse geben wird, aber das ist eine andere Geschichte). Die Vorstellung allerdings, dass eindeutige Indizien, so sie denn vorliegen, eine klare Reaktion ALLER politischen Player hervorrufen müssten, ist hochgradig naiv. Wer sie heute immer noch vertritt muss sich fragen lassen, wo er eigentlich die letzten Jahre verbracht hat.
7) Jon Stewart warns Samantha Bee not to play into the right's double standard of apologies
During an appearance at San Francisco’s Clusterfest this weekend, Stewart discussed the recent manufactured brouhaha surrounding Samantha Bee calling Ivanka Trump a “feckless cunt,” for which Bee eventually apologized on Twitter. Stewart, Bee supporter and former colleague over at The Daily Show, warned her against apologizing for things like this, saying that it plays into the Right’s moral double standard. “Please understand that a lot of what the right does,” Stewart explained. “And it’s maybe their greatest genius, is they’ve created a code of conduct that they police, that they themselves don’t have to, in any way, abide.” Stewart continued: “Don’t get caught in a trap of thinking you can live up to a code of integrity that will be enough for the propagandist right. There isn’t. And so, create your own moral code to live by, but don’t be fooled into trying to make concessions that you think will mollify them.” He talked about how, when he was hosting The Daily Show, he was called a “tool of the Obama presidency” for visiting the White House twice in Obama’s two terms. Meanwhile, Trump met with the head of Fox News for weekly strategy sessions and counts much of their on-air talent as his advisers. Trump a puppet of Fox News and the Conservative machine? Nah. (The Mary Sue)
Auch das passt in den bedauerlichen Trend zur Radikalisierung. Stewart hat völlig Recht wenn er sagt, dass das Aufrechterhalten von Normen gegenüber der Rechten völlig sinnlos ist, weil sich diese durch gute Beispiele nicht dazu gewinnen lassen, es selbst zu tun. Aber die Alternative, dass die Linke sich ebenfalls radikalisiert und polarisiert, ist erschreckend. Dass sie überhaupt in dem Dilemma ist - weiterhin die Wange hinzuhalten und allein die demokratischen Normen aufrecht erhalten oder ebenfalls mit Schmutz arbeiten - liegt gerade an den oben kritisierten Medien wie der New York Times. Denn anstatt anzuerkennen, dass der Kampf völlig asymmetrisch geführt wird, dass es die Rechte ist, die die Normen zerstört und die Linke darin zu unterstützen, sie aufrecht zu erhalten, stellen sie beide Seiten gleich. Ich fürchte, dass die Reaktion darauf nur die weitere Polarisierung und Radikalisierung sein wird.
8) Europe's curse of wealth
The first curse of wealth has to do with migration. The fact that the European Union is so prosperous and peaceful, compared both to its Eastern neighbors (Ukraine, Moldova, the Balkans, Turkey) and more importantly compared to the Middle East and Africa means that it is an excellent emigration destination. Not only is the income gap between the “core” Europe of the former EU15 and the Middle East and Africa huge, it has grown. Today, West European GDP per capita is just shy of $40,000 international dollars; sub-Saharan’s GDP per capita is $3,500 (the gap of about 11 to 1). In 1970, Western Europe’s GDP per capita was $18,000, sub-Saharan, $2,600 (the gap of 7 to 1). Since people in Africa can multiply their incomes by ten times by migrating to Europe, it is hardly surprising that, despite all the obstacles that Europe has recently began placing in the way of the migrants, they keep on coming. [...] Other than migration, the second issue fueling European political malaise is rising income and wealth inequality. European inequality is, in part, a “curse of wealth” too. The wealth of the countries whose annual income increases over several decades does not rise only in proportion to income but by more. This is simply due to savings and accumulation of wealth. [...] When one puts these two longer-term trends together: continued migratory pressure and a quasi-automatically rising inequality, that is, the two problems that today poison European political atmosphere, and one contrasts this with the difficulty of moving decisively towards solving either of them, it is not surprising that one might expect political convulsions to continue. They will not be gone in a couple of years. Nor does it make sense to accuse “populists” of irresponsibility or to believe that people preferences have been distorted by “fake news”. The problems are real. They require real solutions. (Global Inequality)
Die Analyse ist nicht atemberaubend neu: Europas größte beiden Probleme sind ökonomische Ungleichheit und der Migrationsdruck an den Grenzen. Soweit, so gut. Die Frage ist natürlich, wie man darauf reagiert. Aktuell teilen sich die Antworten effektiv entlang des Parteienspektrums auf: die Linke will aggressiv Ungleichheit angehen, ist jedoch gleichzeitig für eine freizügige Haltung zu Migration, während die Rechte Migration beschränken will, aber gleichzeitig indifferent gegenüber der Ungleichheit ist. In Deutschland wird die Lage noch dadurch verkompliziert, dass der Großteil der politischen Akteure (und der Bevölkerung!) den breiten wie diffusen Raum in der Mitte einnimmt. Meine Annahme ist, dass die Partei, der als erste die Quadratur des Kreises gelingt, den nächsten großen Durchbruch in der bundesdeutschen Politik erreichen wird. Dessen ungeachtet: Wenn die Annahmen des Artikels zutreffen, steht Europa ungeachtet seiner Migrationspolitik ein gigantischer Migrationsdruck ins Haus. Ich bin ehrlich gesagt unsicher, ob man die Trends so einfach extrapolieren kann. Denn ja, sicher gibt es einen gigantischen Gap zwischen dem BIP in Europa und der Subsahara, aber wenn es bei denen aufwärts geht, steht die Frage im Raum, ob man am Bodensatz Europas sein will oder an der Spitze des Senegals. Ich sehe das nicht ganz so schwarz, aber das Problem ist natürlich real. Was meint ihr dazu?
9) Interview mit Verschwörungstheorieexperte Michael Butter // Interview mit Historiker Paul Nolte
Verschwörungstheorien sind immer auch eine Antwort auf wahrgenommene Krisen oder Entwurzelungen. Männlichkeit ist zurzeit mehr in der Krise als Weiblichkeit und Männer haben mehr zu verlieren. Ihr Selbstbild leidet, wenn sie die Arbeit verlieren und die Familie nicht mehr ernähren können. Die Position, die man in der Gesellschaft hatte, scheint ist in Gefahr und da will man wieder hin. Gerade in den USA standen weiße Männer, auch jene mit geringer Bildung, zumindest immer über Afroamerikaner, Latinos und Frauen. Dass die meisten über 40 oder 50 sind, liegt daran, dass diese oft auf etwas zurückschauen, was angeblich besser war. Ich persönlich würde den Einfluss der Bildung nicht unterschätzen. (SZ) Paul Nolte: Damit sind wir wieder bei den Parallelen zur Zwischenkriegszeit. Das Rollback ist eine Reaktion auf die liberalen Zumutungen, die man nicht ertragen kann. Das gilt im umfassenden Sinne: Die verschiedenen Ausformungen von Illiberalität - politisch, gesellschaftlich-kulturell und auch wirtschaftlich, etwa im nationalen Protektionismus - sind alle miteinander verbunden. Besonders frappierend ist die alt-neue Frauenfeindlichkeit; sie ist ein heimlicher Kern und Klebstoff illiberaler Bewegungen. SZ: Sie denken da an Trump und seine Tiraden gegen Frauen? Paul Nolte: Während seines Wahlkampfes hat man das etwas zu anekdotisch gesehen. Aber Trumps Verhalten hat wohl etwas Konstitutives: Es sendet seiner Klientel ein Signal, dass man es mit der gesellschaftlichen Liberalisierung seit 1968 doch wohl etwas übertrieben habe. Auch jenseits der USA sehen wir diesen Antifeminismus in nationalistischen und populistischen Bewegungen. Das ist übrigens auch eine Gemeinsamkeit zum Kaiserreich. (SZ)
Ich finde diese generelle Entwicklung von Verschwörungstheorien spannend, vor allem, weil sie weltweit dieselbe ist, völlig unabhängig von sonstigen kulturellen oder sozialen Faktoren. Ob die Anhänger von Orban in Ungarn, AfD-Wähler in Deutschland, LePen-Fans in Frankreich, Farage-Jubelperser im UK oder Trumpisten in den USA, sie alle ticken bei diesem Thema gleich, und ihre demographische Zusammensetzung ist auch praktisch immer dieselbe. Verschwörungstheorien sind auch wahrlich kein rechtes Alleinstellungsmerkmal; man muss nur mal bei den NachDenkSeiten vorbeibrowsen, um eine ganze Latte zu sehen. Für mich persönlich ebenfalls sehr spannend ist der Gender- und Alters-Graben, der sich da auftut. Diese Theorien sind für Männer über 40 nicht deswegen besonders anziehend, weil diese Gruppe nun einmal ein "Verschwörung-Gen" hat oder so was, sondern weil sie die größten (relativen!) Verluste durch die progressiven Fortschritte und Rückschläge der letzten 20 Jahre hatten. Spannenderweise trifft dasselbe auf die letzte große Hochzeit dieser Theorien in Deutschland zu: Ende der 1920er und Anfang der 1930er Jahre waren es auch Männer, die die Verschwörungs-Hausierer ins Amt beförderten. Und auch damals waren sie es, die sich am unsichersten fühlten und die vom Fortschritt am meisten zurückgelassen worden waren und versuchten, das Rad zurückzudrehen - mit desaströsen Konsequenzen.
10) Deutschland landet im Digital Economy Index der EU auf Platz 14
Es geht aber noch schlimmer. Denn nicht nur Deutschland, ganz Europa verliert an globaler Bedeutung; Deutschland schneidet also sogar schlecht ab im Vergleich mit anderen schlecht dastehenden Ländern. Schmidt: "Europas Anteil am Wert der 60 wertvollsten digitalen Plattformunternehmen beträgt nur noch 3 Prozent und wird angesichts des rasanten Wachstums in Asien wohl weiter fallen. Da Europas Konsumenten eifrige Nutzer dieser Plattformen sind, wandert jedes Jahr ein beträchtlicher Teil der Wertschöpfung ab, vor allem ins Silicon Valley. Sollten die Chinesen nun die zentralen Plattformen für Industriegüter aufbauen, wird sich der Trend aus der Konsumentenwelt noch verschärfen." Wie man vor diesem Hintergrund weiter an der irrsinnigen Zukunftsverweigerung „schwarze Null“ festhalten kann, bleibt völlig unverständlich. Es ist und bleibt ein Verbrechen an unseren Kindern. (Neunetz)
In der EU sind 28 Mitgliedstaaten. Von denen ist jeder einzelne weniger wohlhabend als Deutschland, mehr als die Hälfte sogar unter dem EU-Durchschnitt. Dass wir im Digitalisierungsindex auf Platz 14 sind, ist ein Schlag ins Gesicht. Und wie der Artikel ja schon sagt, die EU ist ja im weltweiten Vergleich auch schon abgeschlagen! Ich möchte den letzten Satz noch einmal unterstreichen: die schwarze Null ist ein Verbrechen.
11) Macron is reviving France and calling Germany's bluff on Eurozone reform
The young president calculated that his political clout in Europe, and by extension his capacity to project France’s voice abroad, depended on his ability to revive the French economy and prove to sceptics that the country was both credible and reformable. Shortly after his election, one of Mr Macron’s advisers told me: “He will surprise them, because the Germans don’t believe it will happen.” [...] If the current tension between Europe and the US teaches anything, it is that there are shared European values and that these need defending. In Macron, the continent has an unusual champion of multilateralism and the liberal order, who sees a more integrated Europe as the best bulwark against those who seek to undermine the west. Yesterday, Germany worried about an enfeebled France. Today, it faces a France that is turning out to be highly ambitious, indefatigably demanding – and still waiting. (The Guardian)
Ich bin ja gegenüber Macrons innenpolitischem Fahrplan sehr skeptisch, aber ich bin zugegebenermaßen auch zu wenig Experte für Frankreich, um beurteilen zu können, wie sehr (und ob) das Land eine eigene Version der Agenda2010 braucht. Spannend ist tatsächlich, in welches Dilemma er mit seinem Durchziehen dieses Programms, für das er eine eindeutige Mehrheit hat, Deutschland in Zugzwang bringt. Denn tatsächlich hieß es ja immer "wir machen, wenn ihr macht". Wenn die Franzosen nun die deutschen Bedingungen erfüllen und Merkel einen Rückzieher macht, ist es ihre Verantwortung, wenn diese große Chance für eine Reform der EU verschwendet wird. Der Feind liegt hier leider im eigenen Bett - die Abgeordneten der CDU sind hochideologisch und leider auch reichlich inkompetent und ignorant, was die EU angeht.

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