Wie sich das MIGAZIN um eine Antisemitismusdebatte herumdrückt
Keine kritischen Fragen nach der "Islamischen Zeitung" erlaubt
von Thomas Baader
Schützt das MIGAZIN seine Gastautoren im Kommentarbereich vor allzu kritischen Fragen, und zwar besonders dann, wenn sie deren publizistische Tätigkeit in dubiosen Print- und Internetmedien betreffen? Es sieht ganz so. Unbequeme Kommentare werden nicht freigeschaltet. Wie der Autor Tahir Chaudhry zur antisemitischen Vergangenheit der "Islamischen Zeitung" steht, will man uns wohl vorenthalten.
Der Gang der Ereignisse der Reihe nach: Auf der MIGAZIN-Website erscheint ein Bericht von Tahir Chaudhry über eine Lesung von Necla Kelek. Er mag Kelek nicht besonders und gibt schon gleich als Eingangsstatement bekannt, dass er ihre Bücher für "nichts als Zeugnisse hochpauschaler Beschreibungen und scheinbarer Empirie" hält. Nach einer etwas langen Vorrede erfahren wir die Höhe des Eintrittspreises und werden Zeuge der Wiedergabe eines nur mäßig interessanten Wortwechsels zwischen Chaudhry und Kelek.
Das eigentliche Interessante steht jedoch im Kommentarbereich: Ein Leser namens "soli" wundert sich über Chaudhrys Statement, wonach "niemand mit Migrationshintergrund unter den Teinehmern" gewesen sei. "Soli" möchte wissen, woher Chaudhry das weiß. Keine Antwort.
Da ich es aber auch wirklich gerne wissen möchte, schreibe ich folgenden Eintrag in den Kommentarbereich:
"Herr Chaudry, Sie haben sich aber um die Frage eines anderen Kommentatoren herumgedrückt: Wie machen Sie das eigentlich, dass Sie mit einem Blick einem Menschen ansehen können, ob er einen Migrationshintergrund hat oder nicht? Ich kenne beispielsweise sehr viele Türken, die sich phänotypisch in keiner Weise von einem Mitteleuropäer unterscheiden. Ein freundlicher türkischstämmiger älterer Herr in meiner Nachbarschaft würde problemlos als mein Opa durchgehen. Und ich wage mal zu behaupten, dass sich Polen oder Tschechen auch nicht von der alteingesessenen Bevölkerung optisch abheben. Also, verraten Sie uns doch Ihr Geheimnis: Wie machen Sie das?"
Chaudhry räumt ein, dass es Menschen mit Migrationshintergrund gibt, denen man es nicht ansieht, bleibt ansonsten aber etwas diffus und kommt schließlich zu der Aussage: "Die meisten der Anwesenden hatten nie persönlich Kontakte zu Muslimen." Das wiederum reizt mich zu folgendem Eintrag: "Und woher wissen Sie das (ich staune gerade immer mehr)?" Chaudhry antwortet, dass er selbst in dieser Stadt lebe und wisse, dass es da wenig Migranten gebe, folglich gebe es so gut wie keine Berührungspunkte.
Ich schreibe daraufhin folgenden Eintrag, der jedoch vom MIGAZIN nicht freigeschaltet wird:
"Lassen Sie mich zusammenfassen:
- Sie können Migranten mit einem Blick also an ihrem Äußeren erkennen. Auf meine Frage, wie Sie das machen, antworten sie mysteriös 'Sie wissen schon, was ich meine'. Tut mir leid, ich weiß es nicht, und bin so verblüfft wie zuvor.
- Weiterhin behaupten Sie, die Anwesenden würden keine Muslime kennen. Woher Sie das wissen? In dieser Stadt gibt es wenig Migranten. Das erste aus dem zweiten zu schlussfolgern, halte ich wiederum für sehr gewagt. Schließlich leben Sie auch in dieser Stadt, und irgendjemand kennt Sie auch, nicht wahr?
Sehr dubios das Ganze.
Aber lassen Sie mich Ihnen eine andere Frage stellen. Ihrem Blog entnehme ich, dass Sie auch bei der Islamischen Zeitung und Turkish Press veröffentlichen.
Der Gründer und Herausgeber der Islamischen Zeitung, Abu Bakr Rieger, äußerte Anfang der 90er auf einer Veranstaltung öffentlich sein Bedauern darüber, dass die Deutschen die Juden nicht vollständig vernichtet hätten (lesen Sie es nach bei Wikipedia und SPON).
Auf Turkish Press wird regelmäßig der Völkermord an den Armeniern geleugnet und sich auch in anderer Hinsicht äußerst nationalistisch gebärdet. Ein Artikel bezeichnete auch Necla Kelek, Seyran Ates, Güner Balci und Cidgem Toprak in sexistischer Sprache als "Euterclique".
Finden Sie es angesichts dieser Tatsachen tatsächlich unproblematisch, in den genannten Medien zu veröffentlichen?"
Die kritischen Frage wird, wie bereits erwähnt, zensiert. Am nächsten Tag versuche ich es noch einmal, wieder mit demselben Ergebnis. Keine Freischaltung.
Wie muss man das jetzt interpretieren? Hält man beim MIGAZIN die antisemitischen Äußerungen von Abu Bakr Rieger sowie die Völkermordleugnung und sexistische Hetze bei Turkish Press für unproblematisch? Darf man als Leser einem Autor nicht mehr auf den Zahn fühlen, wie er zu seiner publizistischen Tätigkeit in den genannten Medien steht? Ist das alles nur ein dummer Zufall oder sollte es etwa in der MIGAZIN-Redaktion Sympathien für Äußerungen dieser Art geben? Vor allem hinsichtlich der letzten Frage könnten die Verantwortlichen sehr leicht selbst zu Aufklärung beitragen. Bislang tun Sie es nicht und behindern jene, die gerne mehr erfahren würden. Bleiben sie dabei, so denkt sich vermutlich jeder selbst seinen Teil.
Link zum Artikel:
http://www.migazin.de/2013/01/24/eine-lesung-von-necla-kelek/