Fehler passieren. Sie sind eine zuverlässig auftretende Erscheinung in der Arbeitswelt wie im Privaten. Doch zurückblickend auf diese Woche und meine eigene Arbeit fällt mir auf, dass ich mir nicht die Zeit nehme, die es vielleicht bräuchte, um sich mit ihnen auseinander zu setzen.
Jetzt kann ich darüber nachdenken, am Freitagabend, da die Kinder genießen, noch etwas länger wach blieben zu dürfen und ich es mir ebenfalls gemütlich gemacht habe. Ich behaupte, wir nehmen uns viel zu selten die Zeit zur Fehleranalyse. Für die Feststellung, dass hier etwas schief gelaufen ist, reicht es gerade noch. Ein Moment der Verblüffung und die Frage: „Wie konnte das passieren?“
Ihr formuliert die Frage vielleicht etwas anders. Ihr sprecht sie vielleicht nicht laut aus, sondern denkt sie euch nur. Aber die Situation kommt euch bestimmt bekannt vor.
Es war für mich ärgerlich. Ein wirklich blöder Fehler. Bei einer Kontrolle wäre er leicht zu identifizieren gewesen. Doch wenn es schnell gehen muss und wenn Copy-and-Paste eine echte Auseinandersetzung mit dem Inhalt ersetzt, setzt sich der Fehler munter fort.
Immerhin eine Notiz habe ich mir gemacht. Es war ein Denkzettel für mich selbst und eine kurze E-Mail an meine Kollegin. Ich schrieb ihr, über die Kettenreaktion, in der der Fehler munter weiter kopiert wurde, würden wir später immerhin noch in Seminaren berichten können.
Man müsste das mal besprechen, dachte ich. Dem Fehler einmal nachgehen. Aber wann eigentlich? Und mit wem? Man müsste eigentlich mal die Frage „Wie konnte das passieren?“ als wirkliche Frage behandeln. Und vor allem den vorwurfsvollen Unterton darin über Bord werfen.
„Wie konnte das passieren?“ klingt wie eine Frage, lässt sich in der Regel aber problemlos durch ein vorwurfsvolles „Das hätte nicht passieren dürfen!“ ersetzen.
Man müsste sich tatsächlich mal genug Zeit für das „Wie“ und das „Warum“ nehmen. Man müsste…
Doch schon klingelte das Telefon. Der Gedanke war wieder weg.
Später dachte ich noch einmal darüber nach. Einen Fehler zu machen bedeutet, etwas hat „gefehlt“. Sonst wäre er ja nicht passiert. Doch wie oft nehmen wir uns die Zeit, um zwei essentiellen Fragen nachzugehen:
- Was hat in diesem Prozess gefehlt?
- Was hätte es gebraucht, damit es gut geworden wäre?
Zum Glück bin ich mit meinem Nachdenken über Fehler nicht allein. Es suchen immer mehr Menschen im Internet nach dem Begriff „Fehlerkultur“, vielerorts finden Veranstaltungsformate wie die „Fuck Up Nights“ statt. Vielleicht ein endlich überfälliger Wandel in der Arbeitswelt?
Und so fragte ich vor längerer Zeit auf LinkedIn mein Netzwerk nach bemerkenswerten Beiträgen zum Thema Fehlerkultur.
Der erste Tipp von Gabriel Rath war eine Podcast-Empfehlung.
„Erfolge durch Fehler sind Lernerfahrungen. Erfolg allein ist Zufall.“, sagen Lina Barbie und Julian Barsch, Gründer des Podcasts „Fehlerkultur“. Sie laden Gäste ein und sprechen darüber, wie diese ihre Fehler in Erfolg umwandeln konnten. Sie beleuchten Möglichkeiten, wie wir aus unseren eigenen Fehlern lernen können, wie uns diese weiterbringen und welche Relevanz Fehlerkultur in der heutigen Zeit spielt.
➼ https://soundcloud.com/fehlerkultur
Ein weiterer Tipp war ein Link zum Artikel „Scheitern ist Scheiße“ von Daniel Dubbel. Er findet gar nicht viel Gutes daran, uns in unserem Scheitern und für unsere gemachten Fehler auf die Schultern zu klopfen und das zu feiern.
„Wir brauchen eine Kultur des Lernens und die gibt es nicht umsonst, die entsteht und lebt nicht in einzelnen FuckUp Nights und dem gegenseitigen Beteuern, dass es nicht schlimm ist, wenn Fehler passieren. Statt sich über Scheitern zu unterhalten, müssen wir uns darüber unterhalten, was aus dem Scheitern gelernt wurde und welche Veränderungen erfolgreich waren.“
➼ https://www.inspectandadapt.de/scheitern-ist-scheisse
„Lernkultur ist ein schöner Begriff für alle die schon ein Schritt weiter sind.“, kommentierte darauf hin Ralf Kemmer, Gründer des Instituts für Fehlerkultur und Veranstalter der FuckUp Nights Berlin. Erst einmal solle versucht werden, dieses „Fehler gemacht zu haben“ oder „Fehler machen zu dürfen“ zu entstigmatisieren. Dazu gehöre auch, es erst einmal beim Namen zu nennen.
Und wenn man einmal damit anfängt, sich mit einem Thema zu beschäftigen, stolpert man über immer mehr Beiträge zu einem Thema. Und hatte ich nicht selbst schon darüber gebloggt, wie man lernen kann, wieder heldenhaft zu scheitern? Von meinen eigenen Kinder und ihren LEGO Steinen kann ich viel lernen. Scheitern heißt in seiner ursprünglichen Bedeutung so viel wie „in Stücke brechen“ bzw. „in Trümmer zerbrechen“, was aus meiner Sicht wirklich interessant ist, denn es ist somit nichts verloren. Aus vielen gescheiterten Stücken kann man schließlich wieder etwas Neues zusammensetzen.
Heldenhaft scheitern (Wenn alles in Trümmern liegt, mach neu!) ➼ https://www.berlinfreckles.de/kind_und_kegel/heldenhaft-scheitern
Überhaupt können wir von Kindern viel über den Umgang mit Fehlern lernen.
„Um zu lernen, wie man scheitert und auch Anderen Fehler eingesteht, müssen wir unsere Kinder als Vorbilder anerkennen. Ihre Wissbegierde, ihre Neugier, ihr Drive und ihre Resilienz sind wahnsinnig inspirierend“, schreibt auch János Moldvay in einem Gastbeitrag bei Business Punk.
➼ https://www.business-punk.com/2019/05/von-kindern-lernen/
Eventuell nehme ich das nächste wöchentliche Team-Meeting zum Anlass, nicht nur die nächsten Projekte im Kalender zu besprechen, sondern davon zu erzählen, dass da so ein blöder Fehler passiert war, aber ich die Gelegenheit hatte, eine Menge daraus zu lernen.
Übrigens: Meine Grafik zu diesem Artikel zeigt keineswegs irgendeinen großartigen Anstieg der Mitarbeiterzufriedenheit oder gar Umsätze nach der Einführung einer Fehlerkultur in Unternehmen, sondern lediglich die Entwicklung der Suchanfragen nach dem Begriff „Fehlerkultur“ in Deutschland von 2004 bis 2019 aus Google Trends.
Aber vielleicht ist das allein schon ein positives Signal, dass wir vermehrt nach Fehlerkultur suchen und hoffentlich gemeinsam Antworten finden? Ich bin auf eure Gedanken und weitere lesenswerte Beiträge (Text, Video, Audio) gespannt.