Wie kommt der Ofentrieb ins Sauerteigbrot? Eine Spurensuche…

Ofentrieb QU 900

    Ich habe mich lange um Sauerteig-Brote herumgedrückt.

    Nicht, dass ich Sauerteig-Brote nicht mag – ganz im Gegenteil.

    Sauerteig-Brote können zum Niederknien köstlich sein. Und Sauerteig hat etwas wunderbar Archaisches: kein moderner Zipp und Zapp! Einfach nur Mehl, Wasser, Zeit und fertig. Super!

    Allerdings war Sauerteig in meiner Wahrnehmung immer zickig, aufwändig und kompliziert.

    Trotzdem habe ich mich an Sauerteig-Brote herangewagt.

    Und – siehe da: alle Befürchtungen sind eingetreten…

    Denn es ist wie es ist: Sauerteig braucht Zeit, Geduld und – vor allem – Frustrationstoleranz.

    Beschäftigt man sich mit der optimalen Reife des Teiges zum Backen, trifft man erschreckend häufig auf Formulierungen wie:

    „…die richtige Gare zu erkennen erfordert viel Erfahrung!“ oder

    „…die falsche Führung des Sauerteiges führt fast immer zu Fehlern beim Backen!“

    Und um es noch schlimmer zu machen: die optimale – drei-stufige – Führung zur Sauerteig-Auffrischung ist nur für Menschen geeignet, deren Tagesablauf nicht durch Beruf, Familie, Freunde oder anderweitige Verpflichtungen gestört wird.

    Sei es wie es ist: ich starte heute mit einem sehr, sehr leckeren rustikalen Roggenmischbrot und einem kleinen Exkurs zum Thema Ofentrieb.

    Denn: der Ofentrieb bereitet mir aktuell schlimme Kopfschmerzen….

    Worum geht es überhaupt?

    Der Begriff Ofentrieb beschreibt die Volumenzunahme eines Brotteiges während des Backvorgangs. Umgangssprachlich: das Brot „geht hoch“. Diese Volumenzunahme ist mitunter eine kniffelige Angelegenheit, insbesondere bei Sauerteigbroten.

    Ofentrieb 1

    Der Ofentrieb markiert den Start des Backprozesses. Nur in den ersten 10 bis 15 Minuten kann der Teigling „aufgehen“ (bei Roggenteigen ggfs. etwas länger, weil die Kruste länger weich bleibt). Danach hat sich eine stabile Kruste gebildet, die die Aufwärtsbewegung stoppt.

    Wieso ist Ofentrieb erstrebenswert?

    Der Ofentrieb ist eine zutiefst emotionale Veranstaltung. Zumindest für mich persönlich bedeutet ein Brotteig mit starkem Ofentrieb gefühlt: Erfolg. Die Schwerkraft ist mittels Hefe besiegt, das Rezept funktioniert.

    Darüberhinaus ist der Ofentrieb notwendig um eine lockere Krume und eine schöne Porung zu erreichen. Brote mit zu geringem Ofentrieb erscheinen übermäßig fest und dicht.

    Allerdings gilt auch: ist der Teig vor dem Backen bereits ausreichend hoch gegangen, ist der ausbleibende Ofentrieb am Ende gar kein Problem.

    Was passiert beim Ofentrieb?

    1.) Mehr Gärgas entsteht

    Durch die einwirkende Hitze entstehen in der ersten Phase des Backvorganges zusätzliche Gärgase. Das bedeutet: die Aktivität der Hefen und Bakterien im wärmer werdenden Teig steigt an. Es wird vermehrt CO2 gebildet.

    Der Teig, den man in den Ofen „einschießt“, hat eine Temperatur von um die 30 Grad. Im Backofen steigt die Temperatur schnell an. Die Hefen, so sie denn noch aktiv sind, arbeiten ein letztes Mal wie die Verrückten.

    Ab 60 Grad ist dann Schluss. Die Hefen sterben ab, die Proteine gerinnen und die Stärke verkleistert.

    Grundsätzlich gilt: es werden nur dann zusätzliche Gärgase gebildet, wenn der Teig eine knappe Gare aufweist – dieser Zusammenhang ist bei Sauerteigbroten besonders heikel.

    Das heißt: die Hefen müssen noch ein bißchen was zu fressen haben.

    Ofentrieb 2

    2.) Das während der Gare produzierte Gärgas, das CO2, dehnt sich aus

    Das während der Stock- und Stückgare gebildete Gas dehnt sich aus. Das geht aber nur, wenn der Teig ausreichend stabil ist. Hat man zu lange gewartet, d.h. ist der Teig „übergar“, fällt der Teig schon beim Transport aufs Backblech in sich zusammen, das Gas geht flöten und Aus ist der Traum vom Ofentrieb.

    Grundsätzlich gilt: bei kalter Führung hat der Teig extrem viel Zeit, während der Gare CO2 zu bilden. Bei normaler Führung, also bei Raumtemperatur und wärmer, wird das beim Backen benötigte Gärgas deutlich zügiger gebildet.

    3.) Ein Teil des im Teig befindlichen Wassers und Alkohols verdampft und „zieht“ den Teig nach oben

    Viel mehr gibt es dazu nicht zu sagen :-)

    Was fördert den Ofentrieb?

    Der Ofentrieb hat einen mächtige Gegner: die Kruste. Denn: je schneller sich eine feste Kruste bildet, desto zügiger scheitert der Teig mit seinen Anstrengungen sich weiter auszudehnen. Das bedeutet: in der ersten Phase des Backprozesses ist es wichtig, den

    • Trieb zu fördern und
    • die Krustenbildung zu verzögern!

    Ofentrieb 3

    Dampf

    Damit sich die Gärgase, Alkohol und Wasser schnell ausdehnen und sich neue Gärgase entwickeln können, braucht es schnell viel Hitze.

    Gleichzeitig darf das Brot nicht verbrennen.

    Die Lösung heißt: Wasserdampf.

    Mit Wasser gesättigte Luft überträgt Hitze deutlich effektiver als trockene Luft. Ein Aufguss in der finnischen Sauna lässt diesbezüglich keine Fragen offen.

    Deshalb sollte man ein Backblech auf den Boden des Ofens legen, es mit vorheizen (!) und dann, sobald das Brot im Ofen ist, heißes Wasser in das Blech gießen.

    Die alternative Methode, die ich seit ein paar Wochen anwende, ist die Folgende: man packt 1,5 Kilo rostfreie dicke Schrauben in eine kleine Backform, erhitzt diese mit und spritzt, sobald der Teig im Ofen ist, mit einer 60 ml-Spritze heißes Wasser auf die Schrauben. Das ist physikalisch wohl optimal. Wer Näheres wissen will, schaut hier.

    Ob das wirklich besser ist? Ich bin mir aufgrund der bisher gesammelten praktischen Erfahrungen nicht sicher.

    Die irritierten Blicke des Baumarkt-Mitarbeiters, wenn man 1,5 Kilo schrauben kaufen will, sind allerdings alle Mühen wert :-)

    Knappe Gare oder Vollgare

    Das Thema Gare ist sehr kniffelig. Die Gare wird insbesondere durch die Aktivität der Hefen bestimmt. Gut gemeinte Hinweise im Internet, dass man die Gare durch Eindrücken des Teiges bestimmen könne, haben wir persönlich nicht wirklich weitergeholfen. Denn statt eine klare Reaktion zu zeigen – Die Kuhle springt zurück: „Untergare“. Die Kuhle bleibt: „Vollgare“ – macht mein Teig immer irgendetwas dazwischen.

    Ich befürchte, dass hier viel Trial-and-error und Erfahrung-sammeln notwendig ist.

    Unterhitze

    Für den Ofentrieb sollte die Hitze eher von unten kommt. Denn: der Teig soll sich zugüg erwärmen bevor sich die Kruste bildet. Ein Brot- oder Pizzastein soll helfen. Ausprobiert habe ich das allerdings noch nicht. Sicher ist dagegen: das Backblech muss man unbedingt mit vorheizen.

    Teigtemperatur

    Was zunächst etwas abgefahren klingt, hat bei meinen letzten Versuchen zu erheblichen Qualitätsverbesserungen geführt. Offenbar hat die Temperatur des Teiges einen wesentlichen Einfluss auf den Ofentrieb. Das ist an sich naheliegend, denn letztendlich bestimmt sie die Arbeitsumgebung der Temperatur-sensiblen Bakterien. Fühlen die sich wohl – das ist zwischen 24 und 26 Grad – dann arbeiten sie effektiv. Fühlen sie sich nicht wohl, dann hängen sie schlapp in der Ecke herum. Dabei gilt: die Teigtemperatur kann man nur über die Schüttflüssigkeit, also die zugeführte Flüssigkeit, beeinflussen.

    Teigtemperatur

    In der Grafik findet Ihr die gängigen Formeln, die immer präziser werden, je mehr Faktoren  man einbezieht. Hier ist etwas Trial-and-error gefragt. Bei  mir z.B. reicht i.d.R. die einfachste Variante, weil das Mehl Raumtemperatur hat und sich die Teigtemperatur im Thermomix, insb. bei rel. kurz gekneteten Roggen-Broten, nur in sehr geringem Umfang erhöht.

    Ofentrieb HK 900

    Zum Rezept

    Das Rezept stammt, wie so häufig, vom wunderbaren Plötzblog. Ich habe es dieses Mal kaum verändert – ich nehme lediglich etwas mehr Anstellgut.

    Roggensauerteig

    40 g 1150er Roggenmehl, am besten Bio
    25 g Wasser
    1 TL aktives Anstellgut

    Hauptteig

    Sauerteig, von oben
    15 g Wasser
    10 g Bio-Frischhefe
    250 g 1050er Weizenmehl
    125 g 1150er Roggenmehl
    250 g Wasser
    1 EL Zuckerrübensirup
    5 g Butter
    11 g Salz

    Die Sauerteigzutaten mischen und um die 18 Stunden bei Raumtemperatur reifen lassen.

    Die Hälfte des Mehles mit dem gesamten Wasser mischen und 30 Minuten stehen lassen. In dieser Phase, Autolyse genannt, knetet der Teig sich praktisch selbst schon mal vor.

    Dann Hefe, und 15 g Wasser verrühren und einige Minuten stehen lassen.

    Im Anschluss alle Zutaten mischen und auf 6 – 7 Minuten im Thermomix auf der Teigknetstufe kneten. Ziel ist ein elastischer Teig, der sich, wei immer, komplett vom Schüsselboden löst.

    Dann 45 Minuten ruhen lassen. Im Anschluss rund formen und nochmals 10 Minuten ruhen lassen.

    Rund wirken und im 40-60 Minuten gehen lassen.

    Wer, wie ich, keinen Gärkorb hat, kann eine Schüssel mit einem leicht bemehlten Küchentuch auslegen. Das klappt super.

    Den Teigling einschneiden und bei 250°C fallend auf 220°C im Dampf 45 Minuten backen.

    P.S.: es ist eine gute Idee, mindestens 24, besser 36 Stunden mit dem Verzehr dieses Brotes zu warten. Es entwickelt in dieser Zeit deutlich Geschmack!

    Bauernbrot Anschnitt HK 900


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    Applaus ist das Brot des Künstlers!

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