WEIMAR. (fgw) Die Kirchenfürsten der Jetzt-Zeit verkünden mit tiefster Inbrunst, und ihnen gefällige Politiker und Journalisten wiederholen dies unkritisch, daß sich Demokratie, bürgerliche Freiheiten und die universellen Menschenrechte aus dem Christentum, ja selbst die Wissenschaften, aus dem Schoße der Kirche(n) herleiten würden. All jene werden bei dieser bewußten und vorsätzlichen Lüge und Irreführung keinesfalls rot, abgesehen vom Rot der Kardinalsroben. Erinnert sich denn keiner mehr daran, daß eben diese menschlichen Errungenschaften nur in Kämpfen (wie der französischen Revolution von 1789) GEGEN den erbitterten Widerstand des Klerus, der christlichen Kirchen Realität geworden sind?
von Dieter Krieg und Siegfried R. Krebs
Sklavenarbeit in “Gottes eigenem Lande”
So war erst kürzlich wieder in einer Kirchenzeitung ein solcher Satz zu lesen: “Heute ist Deutschland ein Land mit hohem moralischen Anspruch, in dem die Menschenrechte, die ja auch zum christlichen Erbe gehören, einen hohen Stellenwert haben.”
Und das, obwohl bereits die stets als höchstes Moralprinzip gepriesenen “Zehn Gebote” der Bibel genau das Gegenteil verkünden: “…Du sollst nicht nach der Frau deines Nächsten verlangen, nach seinem Sklaven oder seiner Sklavin, seinem Rind oder seinem Kamel (…), das deinem Nächsten gehört”, heißt es im 10. Gebot.
Also schreibt die von “Gott” gegebene Ordnung fest, daß Frauen Eigentum des Mannes sind, so wie dessen Sklaven und dessen Vieh, daß Frauen damit keine Menschen sind, sondern auf einer Stufe mit dem Vieh stehen. Und daß Sklaverei auch zu dieser Ordnung gehört. Und das eben “In Ewigkeit. Amen!”
Nun, man könnte ja meinen, diese Gebote stammten aus vorchristlicher Zeit, sie hätten mit einem gewissen Jesus ihre Gültigkeit verloren. Doch nirgends ist im sogenannten Neuen Testament etwas von einer Aufhebung dieser Gebote durch “Gott” oder zumindest “Gottes Sohnes” zu lesen.
Nach wie vor beziehen sich insbesondere die Päpste (auch die der Jetzt-Zeit) auf den lateinischen Kirchenlehrer Augustinus (354 – 430). Dieser Mann, auch Kirchenvater genannt, verkündete seine Lehren zu einer Zeit, da das Christentum von den römischen Kaisern zur Staatsreligion erhoben worden ist.
Augustinus schrieb: “Christus machte nicht die Sklaven zu Freien, sondern schlechte Sklaven zu guten Sklaven.” Und für diesen Heiligen der katholischen Kirche war Sklaverei nicht Menschenwerk, sondern eine Folge der Schuldhaftigkeit des Menschen gegenüber “Gott”.
Der Althistoriker Alexander Demandt (Geschichte der Spätantike; Beck 1998, 261 ff) schrieb zu diesem Thema: “Der größte Sklavenbesitzer war zu allen Zeiten der Kaiser [also der Staat; SRK] (…) Zweitgrößter Sklavenhalter war die Kirche mit ihren gewaltigen Liegenschaften…” Und weiter heißt es über christliche Gepflogenheiten: “Die Kirchenväter nahmen wie die Sklaverei und die Folter so auch die Kastration hin. (…) Die Kirchenväter haben sich mit dem Problem auseinandergesetzt, ob das christliche Liebesgebot mit der Sklaverei vereinbar sei, und sind zu einem positiven Resultat gelangt. Das Alte Testament (1. Mose 9,21 ff) erklärt und rechtfertigt die Sklaverei als Folge der Sünde Hams an Noah. Auch das Neue Testament nimmt die Institution der Sklaverei hin. (…) Der Apostel Paulus schrieb in seinem Brief an Philemon, dieser möge seinen geflüchteten Slaven Onesimos wieder gnädig aufnehmen. (…) Philemon sollte Onesimos als Glaubensbruder behandeln, von einer Freilassung war nicht die Rede.”
Nun, und hierin sehen wir auch, wozu das Bündnis von Thron (bzw. Kapital im Heute) und Altar, gebraucht wurde: Damit die da unten nicht gegen die da oben aufbegehren und daß sie sich ohne Widerrede maximal beherrschen und ausbeuten lassen.
Doch nicht nur in der Frühzeit der Staatskirche wurden Sklaverei, Sklavenhandel und Sklavenarbeit als etwas mit dem Christentum zu vereinbarendes angesehen. Es waren doch gerade katholische und protestantische Christen, die nach der Entdeckung der sogenannten Neuen Welt durch die Europäer Millionen Afrikaner zu Sklaven machten und ohne Rücksicht auf Menschenleben von Afrika nach Amerika verfrachteten. Und, der ökonomische Aufstieg der USA, sich selbst “Gottes eigenes Land” nennend, wäre ohne die Ausbeutung von Sklaven kaum möglich gewesen. Als sich dann christliche Kolonisten von Großbritannien unabhängig machten, da galten die schwarzen Sklaven ebensowenig wie die indigene Urbevölkerung als Menschen. Ihnen wurden daher in der Unabhängigkeitserklärung sowie in sonstigen Deklarationen von männlichen weißen Christenmenschen keinerlei Menschen- und Bürgerrechte zugebilligt…
Da wagen es also heute lebende christliche Priesterkasten, allen voran der Papst, zu behaupten, daß – ausgehend von der Bibel – die Menschenrechte etc. zum christlichen Erbe gehören. Das provoziert doch diese Frage geradezu: Ist nach der Auffassung der Kirche(n) die Versklavung von Menschen, egal zu welcher Zeit, mit den Menschenrechten (und der Nächstenliebe) vereinbar?
[Erstveröffentlichung: Freigeist Weimar]