Wie gut ist unsere Statistik zu Corona?

Soll man aktuell auch im Statistiker-Blog noch über Corona schreiben? Na ja, es bietet sich ein Stück weit an. Auch wenn wir natürlich täglich neue Statistiken präsentiert bekommen - und oft sich auch Journalisten die Mühe machen zu fragen, wie gut die Daten denn nun sind. Das Statistische Bundesamt hat einen kurzen, aber interessanten Beitrag dazu veröffentlicht, ob die Corona-Todesfälle schon in der Sterbestatistik zu erkennen sind.

Ich will heute kurz auf eine Behauptung eingehen, die ich vor Kurzem gelesen haben. Dort heißt es, die modernen Zivilisation habe ihren Zenit ohnehin überschritten. Nicht nur wegen Corona, das einige Weltverschwörer jetzt mit der Gentechnik in Verbindung bringen wollen. Nein, denn wegen Übergewicht, Fast Food und Verweichlichung steige die Lebenserwartung kaum noch. Stimmt das, dass die langsamer steigende Lebenserwartung ein Zeichen der Dekadenz ist?

Darum steigt die Lebenserwartung kaum noch

Tatsächlich ist es richtig, dass die Lebenserwartung immer langsamer steigt. Allerdings ist die Entwicklung seit 1950 nicht so eindeutig, wie man denken könnte. Zwar lag der Zuwachs von 1950 bis 1960 noch bei 2,3 Jahren bei Männern und 3,9 bei Frauen, so wird er vermutlich von 2010 bis 2020 noch bei 1,9 Jahren für Männer und 1,4 für Frauen liegen.

Allerdings ist die Entwicklung nicht so eindeutig, wie es scheint. Von 1960 bis 1970 lag der Zuwachs nur bei 0,3 Jahren bei Männern und 1,0 Jahre für Frauen. Auch in den 80er-Jahren war der Zuwachs höher als in den 70ern und in den 00er-Jahren höher als in den 90ern. Aber im Trend gibt es doch einen Rückgang.

Der wäre noch stärker, wenn man weiter zurückgehen würde. Das hat aber nichts mit Corona oder moralischem Niedergang zu tun. Der geringe Zuwachs in den 60ern könnte tatsächlich mit dem damals aufgekommenen Laster des Rauchens und dem Automobilverkehr zusammenhängen, aber das ist nur Spekulation.

Kindersterblichkeit sinkt

Der eigentliche Grund für den langsameren Zuwachs ist aber ein ganz anderer, vor allem wenn man noch weiter zurückgeht. Noch vor rund 150 Jahren waren in Europa die meisten Todesfälle Kinder. Rund ein Drittel der Kinder erreichte das erste Lebensjahr nicht, insgesamt die Hälfte das fünfte.

Der starke Rückgang der Kindersterblichkeit ließ die Lebenserwartung massiv steigen. Übrigens auch die der Frauen, den auch die Müttersterblichkeit sank. Die Lebenserwartung von Männern und Frauen war damals noch ungefähr gleich, trotz mieser Arbeitsbedingungen in Industrie und Bergbau (von denen Frauen allerdings auch teilweise betroffen waren, denn auch die arbeiteten in der Industrie).

Heute ist der typische Todesfall ein Senior, nicht nur bei Corona. Da hat jeder vermiedene Todesfall nur noch einen geringeren Anstieg der Lebenserwartung zur Folge.

Fürs Angeben in der Chatgruppe

Für alle, die das schon wussten, habe ich hier noch ein paar Begriffe zusammengetragen, die man in der aktuellen Zeit kennen sollte.

  • Mortalität: Todesfälle je Einwohner, beispielsweise Todesfälle je 100.000 Einwohner.
  • Letalität: Todesfälle aufgrund einer Krankheit je Krankheitsfall. Spricht man über die Tödlichkeit einer Krankheit, geht es also meistens um die Letalität.
  • Inzidenz: Neuerkrankungen in einem Zeitraum, meist pro 100.000 Personen
  • Prävalenz: Krankheitsfälle in einem Zeitpunkt

Die Prävalenz ist also eine Bestandsgröße, die Inzidenz eine Bewegungsgröße. Das reicht für Corona erst einmal.


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