von Leo Brux
Überall in Europa haut man auf Gruppen ein, die man pauschal nicht leiden kann und die nicht stark genug sind, sich diese Behandlung erfolgreich zu verbitten.
Das wird immer mehr zum Breitensport. Schwach und unsympathisch muss einem die Fremdgruppe sein – welche man sich dann zum aktuell bevorzugten Prügelknaben wählt, das wechselt von Zeit zu Zeit, von Ort zu Ort.
Die Soziologie fasst das Phänomen seit einiger Zeit unter dem Begriff „Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit“ zusammen.
Eine neue Studie (PDF) hat es in acht europäischen Ländern vergleichend untersucht:
- Deutschland
- Großbritannien
- Frankreich
- Italien
- Niederlande
- Portugal
- Polen
- Ungarn
Das Konzept bezieht sich auf vorurteilshaftes Verhalten in folgenden Kategorien:
- Fremdenfeindlichkeit
- Antisemitismus
- Rassismus
- Islamfeindlichkeit
- Sexismus
- Homophobie
Nicht untersucht hat man vorurteilshaftes Denken und Verhalten gegenüber Armen, Obdachlosen, Arbeitslosen, Sozialhilfe-Empfängern – das gehört eigentlich auch in die Kategorie.
Von folgender Definition gehen die Soziologen aus:
Mit Gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit werden hierbei abwertende Einstellungen und Vorurteile gegenüber solchen Gruppen bezeichnet, die als ‚anders‘, ‚fremd‘ oder ‚unnormal‘ definiert werden und denen ein untergeordneter sozialer Status zugewiesen wird.
Einige Ergebnisse (von mir nummeriert):
- Das Ausmaß ist in den Niederlanden vergleichsweise gering, in Polen und Ungarn hingegen vergleichsweise hoch. …
- Rund die Hälfte aller europäischen Befragten ist der Ansicht, es gebe zu viele Zuwanderer/innen in ihrem Land.
- Zwischen 17 Prozent der Befragten in den Niederlanden und über 70 Prozent in Polen meinen, Juden/Jüdinnen versuchten heute Vorteile daraus zu ziehen, dass sie während der Nazi-Zeit die Opfer gewesen sind.
- Rund ein Drittel glaubt an eine natürliche Hierarchie zwischen Menschen verschiedener Ethnien.
- Rund die Hälfte und mehr verurteilen den Islam pauschal als eine Religion der Intoleranz.
- Die Mehrheit in Europa vertritt zudem sexistische Einstellungen, die auf eine traditionelle Rollenverteilung setzten, und fordert, dass Frauen ihre Rolle als Ehefrau und Mutter ernster nehmen sollten.In den Niederlanden vertreten mit nur rund einem Drittel vergleichsweise wenige Befragte sexistische Einstellungen.
- Gleiche Rechte werden Homosexuellen von zwischen 17 Prozent der Befragten in den Niederlanden bis hin zu 88 Prozent der Befragten in Polen verweigert; diese finden es keine gute Sache, Ehen zwischen zwei Frauen beziehungsweise zwei Männern zu erlauben.
- Diejenigen, die sich abwertend gegenüber einer Gruppe äußern, werten mit recht großer Wahrscheinlichkeit auch andere Gruppen ab. Vorurteile erscheinen manchmal singulär, sie sind aber eng mit anderen Vorurteilen verbunden.
- Mit der Gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit sind drei ideologische Orientierungen besonders verbunden: der Autoritarismus … die Soziale Dominanzorientierung … und die Ablehnung von Diversität …
- Diejenigen, die sich politisch eher rechts positionieren, sich politisch machtlos fühlen, eine starke Führerfigur wünschen und die Todesstrafe befürworten, sind im Durchschnitt menschenfeindlicher. …
- Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit … kann Folgen für das Handeln haben. … Diejenigen, die schwache Gruppen abwerten, sprechen sich mit größerer Wahrscheinlichkeit gegen die Integration von Einwander/innen aus, verweigern ihnen eher eine gleichberechtigte politische Teilhabe und sind eher bereit, Einwanderer/innen zu diskriminieren und ihnen mit Gewalt zu begegnen.
- Die wichtigsten Schutzfaktoren vor Gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit sind das Vertrauen in andere Menschen, das Gefühl, feste Freundschaften schließen zu können, der Kontakt mit Einwander/innen, und vor allem eine positive Grundhaltung gegenüber Diversität.
Religiosität schützt hingegen nicht vor Gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit, und allgemeine Werthaltungen, die Sicherheit und Universalismus betonen, spielen kaum eine Rolle.
Eine ausführlichere Zusammenfassung der Ergebnisse gibt es in der Presse-Erklärung der Friedrich-Ebert-Stiftung.
Hier meine Fassung einer Grafik:
Es gibt zu viele Zuwanderer in (jew. Land). Das sagen in
- Deutschland 50,0 Prozent
- Großbritannien 62,2
- Frankreich 40,3
- Niederlande 46,0
- Italien 62,5
- Portugal 59,6
- Polen 27,1
- Ungarn 58,7
Durch die vielen Zuwanderer hier fühle ich mich manchmal wie ein Fremder im eigenen Land.
- Deutschland 37,6 Prozent
- Großbritannien 45,8
- Frankreich 31,0
- Niederlande 37,7
- Italien 27,0
- Portugal 19,1
- Polen 19,4
- Ungarn 44,6
Zuwanderer bereichern unsere Kultur.
- Deutschland 75,0 Prozent
- Großbritannien 71,2
- Frankreich 70,8
- Niederlande 74,9
- Italien 61,0
- Portugal 73,7
- Polen 64,2
- Ungarn 57,0
Zuwanderer sind eine Belastung für unser Sozialsystem.
- Deutschland 40,8 Prozent
- Großbritannien 60,2
- Frankreich 54,7
- Niederlande 20,3
- Italien 31,7
- Portugal 42,5
- Polen 45,8
- Ungarn 77,2
Wir brauchen Zuwanderer, um die Wirtschaft am Laufen zu halten.
- Deutschland 60,7 Prozent
- Großbritannien 59,5
- Frankreich 66,1
- Niederlande 64,5
- Italien 70,7
- Portugal 68,1
- Polen 42,4
- Ungarn 24,2
Das alles sieht für Deutschland und einige andere Länder gar nicht so deprimierend aus. Die „Menschenfeinde“ oder Hysteriker oder Paranoiker sind in Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien und den Niederlanden noch in der Minderheit. (Portugal, Polen und Ungarn haben kaum Einwanderungsdruck.)
[Erstveröffentlichung: BlogIG]
Danke für das Recht zur Veröffentlichung.
Nic