Wie Gott will — oder: Wo der Has im Pfeffer liegt

Wie Gott will — oder: Wo der Has im Pfeffer liegtIch habe kürzlich erwähnt (hier), dass in Vorbereitung für einen Kurs Bücher zum Thema Berufung lese. Das erwähnte Buch von Garry Friesen «Decision Making and the Will of God» lässt schon im Untertitel erahnen, dass es inhaltlich polemisch ist: «A Biblical Alternative to the Traditional View». Gemäss Friesen gibt es eine traditionelle Art, wie man über dieses Thema theologisiert und eben auch eine «biblische Alternative», die er «the way of wisdom» nennt.

Zunächst aber zwei einleitende Bemerkungen:

  • Bei aller inhaltlichen Polemik wählt Friesen aber einen angenehmen Ton, wie er seine Position vertritt. Er ist offensichtlich total von seiner Sicht überzeugt und auch davon, dass die «traditionelle Sicht» nicht nur theologisch falsch sondern im Vollzug sogar schädlich sein kann; aber er behandelt die Vertreter der Gegenposition stets mit Respekt.
  • Ein unbestritten starker Ansatzpunkt ist der, dass Friesen seine Position biblisch begründen will. Ein gewichtiger Teil des Buches behandelt die am häufigsten zitierten Bibelstellen, mit denen die traditionelle Sicht begründet wird. Friesen zeigt m.E. meist überzeugend, dass diese Stellen höchstens bei einer oberflächlichen Lesart die traditionelle Sicht begründen.

Bevor ich zu Friesens Gegenüberstellung von traditioneller Sicht vs. «Weg der Weisheit» komme, muss ich – wie es Friesen auch tut – kurz die drei Arten von Gottes Willen erklären:

  1. Da gibt es erstens den souveränen Willen Gottes. Dies ist das, was Gott sowieso tut. Menschen können dies weder beeinflussen noch wirklich ergründen. Im souveränen Willen Gottes sind auch unverständliche, mitunter sogar tragische Ereignisse enthalten, aber letztlich wird immer Gottes ehre begründet und gefördert.
  2. Zweitens gibt es den moralischen Willen Gottes. Hier geht es um moralisches, ethisches, lebensförderndes Verhalten. Diesen Willen Gottes sollen wir erforschen und immer tiefer zu verstehen lernen. …und ihn natürlich auch umsetzen.
  3. Und schliesslich gibt es den individuellen Willen Gottes, in dem Gott einzelne Menschen ganz spezifisch führt.

Bei dieser letzten Art von Gottes Wille liegt der Has im Pfeffer, denn (immer gemäss Friesen) er ist das Kernstück der traditionellen Sicht, und Friesen seinerseits bestreitet, dass es diesen überhaupt gibt. (Allerdings, um es vorweg zu nehmen, er konnte mich nur teilweise überzeugen).

Die traditionelle Sicht geht davon aus, dass Gott für jeden Bereich im Leben eines Menschen ganz spezifische Ansichten darüber hat, was gut und richtig ist. Friesen spricht von einem «Punkt», den es (a) zu finden und (b) dann auch umzusetzen gilt. Soll ich heiraten? Wen soll ich heiraten? Welchen Beruf soll ich wählen? Wo soll ich mich dafür ausbilden lassen? Soll ich in die Mission? Ins Kloster? — Das sind die grossen Fragen des Lebens, und die meisten von uns würden — wenigstens in Anlehnung an die traditionelle Sicht — davon ausgehen, dass Gott hierzu wenigstens eine Meinung hat; Friesen geht davon nicht aus (und, ja, konnte mich weitgehend überzeugen).
Dann gibt es auch die kleineren Entscheidungen des Lebens: Soll ich heute ein Konfitürenbrot essen oder eher ein Honigbrot? Schweizer Honig oder möglichst günstigen? Welche Schuhe soll ich heute anziehen? …und soll ich zuerst in den linken oder zuerst in den rechten schlüpfen? Soll ich meine Fahrradbremse mit zwei, drei oder vier Fingern bedienen?

Während wir bei den genannten grösseren Entscheiden noch bewusst nach Gottes Willen suchen mögen (und allenfalls darunter leiden, wenn wir ihn nicht erkennen), werden die wenigsten von uns davon ausgehen, dass wir dies für die Tausende von Minientscheiden tun wollen (oder könnten), die wir im normalen Alltag zu fällen haben. — Aber wo liegt die (theologisch zu begründende!) Grenze zwischen grossen und kleinen Themen?

Es gibt noch weitere Probleme mit der traditionellen Sicht, z.B. dieses: Vertreter der traditionellen Sicht gehen manchmal (?) aus, dass Gott für diejenigen, die heiraten sollen, genau einen Ehepartner vorherbestimmt hat. Sepp soll also Vreni heiraten. Nehmen wir an, Vreni ist aber schon verheiratet, weil Hans sich in sie verliebt hat und den individuellen Willen Gottes für sich vielleicht nicht gesucht, vielleicht nicht erkannt, jedenfalls nicht befolgt hat (denn er hätte z.B. Heidi heiraten sollen). Nun haben nur wegen dieser einen Heirat zwischen Hans und Vreni alle genannten Personen ein nicht mehr zu lösendes Problem… und die zukünftigen Ehepartner von Sepp und Heidi auch, usw. usf. (es kommt mir dieses geniale Lied von Mani Matter in den Sinn).

(So viel mal… In einem nächsten Artikel werde ich versuchen, Friesens «Weg der Weisheit» zu erläutern).



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