Quelle: Helmut Mühlbacher
„Wir können nicht ohne Schmerz durch das Leben gehen…
Wir können einzig und allein wählen, wie wir den Schmerz verwandeln, den das Leben uns bringt.“
Bernie S. Siegel
Quelle: Astrid Müller
Ihr Lieben,
ich möchte Euch heute eine Geschichte von Jennifer Rhea Cross erzählen:
„Mein Bruder Brad“
„Es gab eine Zeit in meiner Kindheit, in der ich glaubte, dass Gott unsere ganze Familie bestrafte, in dem er uns zusehen ließ, wie mein einziger Bruder starb. Mein Bruder Brad litt an Hämophilie. Bei Hämophilie-Kranken gerinnt das Blut nicht in normaler Weise: bei Schmittverletzungen ist es demnach schwierig, die Blutung zu stoppen. Verliert der Kranke zu viel Blut, muss er unbedingt Blutkonserven bekommen, damit sein Körper funktionsfähig bleibt.
Obwohl Brad wegen seiner Hämophilie nicht so aktiv wie andere Kinder sein konnte, hatten wir viele gemeinsame Interessen und verbrachten eine Menge zeit zusammen. Brad und ich fuhren mit den Kindern aus der Nachbarschaft Fahrrad und im Sommer schwammen wir die meiste Zeit in unserem Swimmingpool. Wenn wir Fußball oder Basketball spielten, warf Brad den Ball. Brad suchte einen kleinen Hund für mich aus, als ich sieben war, und ich nannte ihn Piwie. Mein Bruder Brad war mein Beschützer und mein bester Freund.
Als Brad zehn Jahre alt war, bekam er von jemandem eine Blutkonserve, der nicht wusste – oder zu egoistisch war, es zuzugeben -, dass er oder sie durch das Aidsvirus infiziert war.
Ich war gerade in die sechste Klasse gekommen, als mein Bruder erste schwere Symptome aufwies und bei ihm Aids diagnostiziert wurde. Er war noch neu auf der Highschool und gerade erste fünfzehn geworden. Zu jener Zeit waren viele Menschen nicht darüber informiert , wie man Aids bekommen konnte, und hatten Angst, sich in der Nähe von Menschen aufzuhalten, die sich infiziert hatten. Meine Familie war besorgt darüber, wie die Menschen reagieren würden, wenn sie herausfanden, dass mein Bruder Aids hatte.
Unser aller Leben veränderte sich, als Brads Symptome sichtbar wurden. Ich konnte meine Freunde nicht mehr zum Übernachten zu mir einladen. Immer wenn ich ein Basketballspiel hatte, konnte nur ein Elternteil zuschauen, denn einer musste bei Brad bleiben. Während der Zeit, als er im Krankenhaus war, mussten meine Eltern häufig bei ihm bleiben. Manchmal waren sie für eine Woche am Stück nicht zu Hause und ich blieb bei einer Nachbarin oder einer Tante. Ich wusste nie, wo ich am nächsten Tag sein würde.
Bei aller Traurigkeit und Verwirrung begann ich, mich darüber zu ärgern, dass ich kein normales Leben führen konnte. Meine Eltern konnten mir nicht bei den Hausaufgaben helfen, weil sie sich ganz auf Brads Bedürfnisse konzentrieren mussten. Ich kam in der Schule nicht mehr richtig mit. Die emotionale Belastung, dass ich Brad, meinen besten Freund, langsam verlor, machte die Dinge noch schlimmer. Ich wurde immer wütender und brauchte jemanden, dem ich alle Schuld geben konnte, also richtete ich meinen Ärger gegen Gott.
Obwohl ich wusste, wie grausam Kinder sein können, was es für mich eine Last, seinen Zustand geheim halten zu müssen. Ich wollte nicht, dass irgendjemand meinen Bruder sah, so wie er das in Windeln lag und ganz und gar nicht seinem früheren Selbst ähnelte. Ich wollte ihn in der Schule nicht zur Zielscheibe der Witze machen. Es war nicht meines Bruders Schuld, dass seine zwölf Jahre alte Schwester ihm die Windeln wechseln oder ihn mittels einer Kanüle füttern musste.
Der Aidsvirus fügte Brads Gehirn Schaden zu und zerstörte den Menschen, zu dem er herangewachsen war. Plötzlich wurde er wieder zu einem sehr kleinen Kind. Anstatt die aktuelle, moderne Musik zu hören oder über die Dinge zu reden, die Jugendliche seiner Altersstufe in der Schule interessierten, sollten wir ihm aus Büchern seiner Kindheit vorlesen. Ich hatte das Gefühl, meinen Bruder schon verloren zu haben, während er noch am Leben war.
Quelle: Raymonde Graber
Ich erinnere mich an den Tag, an dem Brad starb, so, als sei es erst gestern gewesen.
Der alte, muuffig riechende Raum war mit bekannten Gesichtern gefüllt. Der ausgemergelte Körper meines Bruders lag im Bett. Der Körper war nun leer und litt nicht länger Schmerzen. So endete das Leben meines einzigen Bruders – zwei Wochen vor seinem achtzehnten Geburtstag.
Wie Brad erhielten in den Jahren 1980 bis 1987 über zehntausend Bluter in den USA Blutkonserven, die mit dem Aidsvirus infiziert waren. Neunzig Prozent dieser Menschen mit schwerer Hämophilie, die infiziert wurden, lebten entweder mit dem Aidsvirus oder sind daran gestorben. Wenn das Blut, das sie erhielten, vorher getestet worden wäre – wie das heute Standard und Pflicht ist -, hätte ihr früher Tod verhindert werden können. Aus meiner Sicht ist mein Bruder ermordet worden.
Die Medikamente, die ihm versuchsweise im Kampf gegen den Aidsvirus verabreicht wurden, verschlimmerten seinen Zustand noch. Sogar einige Ärzte schienen sich die Frage nach dem Nutzen all dessen zu stellen. Diese Umstände machten es teilweise noch schmerzvoller, ihn zu verlieren.
Seitdem er von uns gegangen ist, habe ich nach einem Grund für sein Leben und für seinen Tod gesucht. Obwohl es möglicherweise keine endgültige Antwort auf meine Frage gibt, glaube ich, einen Grund gefunden zu haben.
Brad brachte uns viele Dinge bei. Auch jetzt bringt er Menschen noch etwas bei durch die Geschichte seines Lebens. Erst vor ein paar Tagen habe ich jemandem seine Geschichte erzählt und dieser Mensch hat dadurch etwas gelernt.
Brad war ein Mensch, der immer für das kämpfte, woran er glaubte.
Er brachte seinen Freunden und Familienangehörigen bei, nicht aufzugeben.
Er gab nie auf und er kapitulierte nie vor seiner Hämophilie.
Obwohl Brad wegen dieser Umstände etwas Besonderes war, beanspruchte er nie eine besondere Behandlung für sich. Er spielte Basketball – mit dem Herzen und der Begeisterung des Basketballstars Larry Bird und mit dem Körper eines Bluters. Jene, die bei einem seiner Spiele in der Grundschule zuschauten, sahen ihn, wie er mühsam das Spielfeld auf und ab lief und sein Äußerstes gab.
Aus Respekt vor seinem Andenken haben wir nicht aufgegeben.
Meine Familie und ich sind aktiv daran beteiligt, dass Menschen mit Hämophilie und Aids mit größerem Verständnis behandelt werden. Wir wurden in einer Fernsehsendung interviewt, Wir sind zwei Mal in unsere Hauptstadt Washington gefahren und haben für die Verabschiedung des Ricky-Ray-Gesetzes durch den Kongress gekämpft. Diese Gesetz soll Familien helfen, die ähnliche oder schlimmere Dinge durchgemacht hatten. Das Gesetz wurde nach einem Jungen benannt, der die Schule verlassen muste, weil er Aids hatte. Menschen, die vor Aids Angst hatten und dachten, sie könnten sich durch den Jungen infizieren, steckten das Haus seiner Familie in Brand. Die Leute verstanden nicht, dass Menschen durch infizierte Bluttransfusionen Aids bekommen können.
Mein Bruder verbreitete bei so vielen Menschen Liebe und Freude, als er am Leben war, dass sein Tod uns leer und traurig zurückließ. Bevor er mit Aids infiziert wurde, war mein großer Bruder Brad mein Beschützer und der Mensch gewesen, dem ich alle meine Geheimnisse anvertrauen konnte. Brad kann mich nicht länger beschützen und nicht einmal mehr mit mir sprechen und ich vermisse ihn jeden Tag.
Seit Brads Tod bin ich zu dem Schluss gekommen, dass Gott meine Familie nicht bestraft hat. Er hat uns vielmehr mit ihm eine Geschenk der Liebe gegeben – meinen Bruder Brad.
Ich lebe in der Hoffnung, dass jeder, der Brads Geschichte hört, aus ihr lernen wird, wie kostbar das Leben ist!“
Ihr Lieben,
Menschen wie dieser Brad in unserer heutigen Geschichte kann man bedauernd wegen ihres unverschuldeten Leidens.
Aber das Merkwürdige ist, dass gerade solche Menschen oft zu ganz großen Vorbildern ihrer Mitmenschen werden.
Menschen wie Brad stehen vor der Entscheidung, vor der wir Menschen alle in der einen oder anderen Weise stehen:
Wenn Leid uns trifft, wenn wir schwer erkranken, wenn wir in Schwierigkeiten geraten, können wir das Schicksal anklagen, wir können unsere Mitmenschen anklagen, wir können Gott anklagen, wenn wir einen Schuldigen suchen.
Das Traurige aber ist, wenn wir so handeln, dass sich an unserer Krankheit, unserem Leid, unseren Schwierigkeiten gar nichts ändert.
Wir können aber auch, wie Brad, über uns hinauswachsen. Wir können unser Leid, unsere Krankheit, unsere Schwierigkeiten zum Anlass nehmen, das uns verbleibende Leben in ganz besonderer Weise zu genießen. Wir können über uns hinauswachsen, indem wir die uns verbleibende Lebenszeit nutzen, um uns und anderen Menschen Freude zu bereiten, andere Menschen zu ermutigen, anderen Menschen Liebe zu schenken, andere Menschen zu bestärken, niemals aufzugeben.
Quelle: Astrid Müller
Mein Jugendfreund Hans-Christoph starb im Alter von 15 Jahren an seiner schweren Asthmaerkrankung. Jeder hätte es verstanden, wenn er sich geschont und nur an sich selbst gedacht hätte.
Aber als er damals miterlebte, wie ich als Jugendlicher geschlagen, gefoltert, gedemütigt und missbraucht wurde, da hat er nicht weggesehen oder nur an sich gedacht, sondern er schenkte mir seine Freundschaft, er weckte in mir die Liebe zur Literatur und Musik, er entzündete in mir die drei Flammen der Freude, der Liebe und der Vergebung und er ermöglichte es mir so, weiter zu leben. Er ist nur 15 Jahre alt geworden, aber er hat mehr vollbracht als mancher Mensch, der steinalt geworden ist.
Ich wünsche Euch viel Mut zum Mut machen, ganz viel Freude daran, anderen Zuversicht und Hoffnung zu schenken und ich wünsche Euch, dass Ihr ganz viel Liebe erfahrt und Friede in Euch selbst findet und ich grüße Euch herzlich aus Bremen
Euer fröhlicher Werner
Quelle: Karin Heringshausen